9176/J XXIV. GP

Eingelangt am 11.07.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Brunner, Freundinnen und Freunde
an den Bundeskanzler

betreffend Geschäfte der mehrheitlich staatseigenen VERBUND Gesellschaft und
österreichischer Atomstromimporte

Mittlerweile haben über 600 000 Österreicher und Österreicherinnen die Petition für
einen weltweiten Atomausstieg unterschrieben. Die Anliegen der Petition wurden von
Ihnen mehrfach unterst
ützt.

Wir Politiker, die wir als Mitglieder der österreichischen Bundesregierung gegen
Atomenergie und f
ür einen Atomausstieg in ganz Europa kämpfen, die wir gegen
neue und grenznahe Kernkraftwerke auftreten, brauchen [die Unterstützung der
Unterschriften gegen Atomkraft]“
(Bundeskanzler Faymann in einem Interview mit
den Vorarlberger Nachrichten am 12.05.2011[1]).

Der Erfolg der Bundesregierung für den Atomausstieg in ganz Europa hängt
entscheidend davon ab, wie glaubw
ürdig die österreichische Bundesregierung den
heimischen Anti-Atom Konsens vertreten kann.

Die Österreichische Bundesregierung hat im Zuge ihrer Klausur im Mai

2011 angekündigt, dass Österreich spätestens ab 2015 unabhängig von Atomstrom

sein wird“.

Laut Stromkennzeichnungsbericht der E-Control wurde 2009 in Österreich über
8.500 GWh Strom aus unbekannter Herkunft, so genannter
grauer Strom“, an
Endkunden verkauft. Fast 30% dieses Stroms stammen aus Kernkraftwerken, womit
Österreich rein rechnerisch einen Atomstromanteil von etwa 6% aufweist. Der
Atomstromanteil variiert je nach Energieversorgungsunternehmen (EVU) und auch
innerhalb der Unternehmen. So bezieht beispielsweise eine Tochter der eigentlich f
ür
ihre Wasserkraft bekannten VERBUND AG (Verbund - Austrian Power Sales
GmbH“) über vier Fünftel (82,96%) grauen Strom und verkauft somit Atomstrom in
der Größenordnung eines Donaukraftwerks an Firmen- und Industriekunden in
Österreich.

Der VERBUND ist einer der größten Stromhändler Europas und verkauft ein
Vielfaches an Wasserkraftstrom als durch eigene Kraftwerke produziert werden kann.
Woher genau der zugekaufte Strom kommt, dar
über werden die Öffentlichkeit und

vor allem KonsumentInnen kaum informiert. Umweltschutzorganisation vermuten,
dass durch zugekaufte Wasserkraftstrom-Zertifikate Atomstrom
reingewaschen“ wird
und so als sauberer Wasserkraftstrom verkauft wird. Darüber hinaus werfen
Umweltschutzorganisationen dem VERBUND vor, Atomstrom zu Billigstpreisen
einzukaufen, um mit Dumpingangeboten Erzeuger mit 100% Strom aus
Erneuerbaren zu verdr
ängen. Zusätzlich werde der billig eingekaufte Atomstrom zum
„Aufladen“ der Pumpspeicherkraftwerke verwendet.

Die österreichische Anti-Atom Politik auf europäischer und internationaler Ebene ist
nicht glaubwürdig, solange Österreich selbst Atomstrom importiert und die
mehrheitlich in Staatsbesitz stehende Verbund Gesellschaft mit Atomstromhandel
Profite macht. Die Gesch
äftspraktiken der mehrheitlich staatseigenen
Verbundgesellschaften unterminieren somit die Bem
ühungen aller österreichischer
Atomkraftgegner sowie der Bundesregierung, für ein atomkraftfreies Europa zu
k
ämpfen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE:

1.       Welche konkreten Schritte werden Sie als Bundeskanzler umsetzen, um die
Glaubwürdigkeit der Österreichischen Atompolitik wiederherzustellen?

2.       Die Bundesregierung kündigte nach ihrer Klausur im Mai 2011 an, Österreich
spätestens 2015 unabhängig von Atomstrom“ machen zu wollen. Welche
konkreten gesetzlichen Ma
ßnahmen plant die Bundesregierung, um dieses Ziel
zu erreichen? Welche weiteren Maßnahmen sind zu diesem Zweck konkret
geplant und bis wann sollen diese umgesetzt werden?

3.       Aus welchem Grund wurde für dieses Ziel 2015 als Fristende gesetzt und warum
wurde gegen eine frühere Zielerreichung entschieden?

4.       Werden Sie sich dafür einsetzen, dass Österreich nicht nur bilanziell unabhängig
von Atomstromimporten wird, sondern auch de-facto keinen Atomstrom
importiert?

5.    Wenn ja, welche konkreten gesetzlichen Maßnahmen plant die Bundesregierung,
um dieses Ziel zu erreichen? Welche weiteren Maßnahmen sind zu diesem
Zweck konkret geplant und bis wann sollen diese umgesetzt werden?


6.       Sind Sie der Meinung, dass der VERBUND aus allen Geschäften mit Atomstrom
aussteigen soll?

7.      Wenn ja, was wird die Republik Österreich als Eigentümervertreterin dazu konkret
unternehmen?

8.      Werden Sie sich als Bundeskanzler dafür einsetzen, dass Firmen, die
mehrheitlich in
österreichischem Staatsbesitz sind, weder Atomstrom kaufen noch
mit Atomstrom handeln. Berücksichtigen Sie bitte bei der Beantwortung, dass
Strom aus
unbekannter Herkunft“ einen Atomstromanteil von 28,89% aufweist.

9.      Wenn ja, welche konkreten Schritte wird die Bundesregierung unternehmen,
damit Firmen, die mehrheitlich in
österreichischem Staatsbesitz sind, aus dem
Atomstromhandel aussteigen?

10.  Können sie ausschließen, dass Firmen, die mehrheitlich in österreichischem
Staatsbesitz sind, Atomstrom beziehen?

11.  Können sie ausschließen, dass öffentliche Einrichtungen im Eigentum der
Republik Österreich Atomstrom beziehen?

12.  Wenn nicht, werden Sie sich als Bundeskanzler dafür einsetzen, dass Firmen, die
mehrheitlich in österreichischem Staatsbesitz sind, sowie öffentliche
Einrichtungen im Eigentum der Republik
Österreich, keinen Atomstrom beziehen?
Welche konkreten Maßnahmen werden Sie hierbei setzen?

13.  Die Republik Österreich hat einen Anteil von 510 Millionen Euro an der
Kapitalerh
öhung der VERBUND AG im November 2010 übernommen. Die
Bundesregierung begr
ündete die Kapitalerhöhung durch Steuermittel
folgenderma
ßen: "Beim Verbund können durch zusätzliche finanzielle Mittel
geplante Investitionen rascher in Angriff und vor allem die Wasserkraft, die CO2-
freie Elektrizit
ät liefert, forciert ausgebaut werden. Die Entscheidung zur
Kapitalerh
öhung bei der Verbund AG ist also klima- und energiepolitisch sowie
wirtschafts- und finanzpolitisch richtig. Und hier wird umgesetzt, was im
Regierungsprogramm fixiert ist."
(Finanzstaatssekretär Reinhard Lopatka am
20.10.2010)

a.   Welche Projekte und Investitionen wurden bis jetzt mit den Mitteln der
Kapitalerh
öhung finanziert?

b.   Welche geplanten Projekte und Investitionen werden mit den Mitteln der
Kapitalerh
öhung finanziert?



[1] http://www.bka.gv.at/site/cob__43557/currentpage__0/7450/default.aspx