9205/J XXIV. GP
Eingelangt am 08.09.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Moser, Freundinnen und Freunde
an die Bundesministerin für Inneres
betreffend Vergabe Behördenfunk
Bereits 2004 kritisierte der Rechnungshof die Vorgangsweise des Innenressorts bei der Errichtung des Funknetzes Adonis:
Die Vereinbarung zur Errichtung des Funknetzes ADONIS zwischen dem BMI und der nach einer EU–weiten Ausschreibung damit beauftragten Unternehmung ließ wesentliche Punkte offen. Deren Regelung war erst für die Phase nach der Erteilung des Zuschlags vorgesehen. Das daraus resultierende Konfliktpotenzial führte letztlich zur Auflösung der Vereinbarung mit 26. Juni 2003 durch Kündigung sowohl seitens der Errichtungsunternehmung als auch des BMI.
Das BMI hatte mit den Bundesländern, den Feuerwehren und den Rettungsorganisationen keine bindenden Vereinbarungen hinsichtlich ihrer Teilnahme und der gemeinsamen Finanzierung des geplanten Funknetzes ADONIS abgeschlossen.
Die mit Beratungsleistungen zur Erstellung der Ausschreibung und Vorbereitung der Zuschlagserteilung beauftragte Unternehmung erhielt auch einen Folgeauftrag über die Projektunterstützung bei der Errichtung des Funknetzes ADONIS. Die Beratungsunternehmung hatte bereits im Rahmen des vorangegangenen Vergabeverfahrens eine optionale Unterstützung auch bei der Realisierung des Funknetzes angeboten. Das damals in diesem Zusammenhang angebotene Konzept samt einer Schätzung des mit der Erbringung der optionalen Leistungen verbundenen Aufwands konnte dem RH nicht vorgelegt werden.
Die Angebote zur Errichtung des Funknetzes ADONIS zeigten große Abweichungen bei wesentlichen Kalkulationsgrundlagen. So wichen die Angaben über die Anzahl der potenziellen Teilnehmer um nahezu die Hälfte und die Angaben über die laufenden Betriebskosten um über mehr als das Doppelte voneinander ab. Eine Prüfung auf Plausibilität im Zuge der Bewertung der Angebote war nicht erkennbar.
Die vereinbarten jährlichen Einheitstarife lagen je nach Anzahl der Teilnehmer und dem Ausmaß der so genannten Beistellungen durch das BMI (zB Beistellung von Mitarbeitern, Sendestandorten) zwischen 942,40 EUR und 3 276 EUR pro Teilnehmer. Eine realistische Darstellung der insgesamt benötigten Finanzmittel für das Funknetz ADONIS lag im BMI jedoch nicht vor.
Ab Dezember 2002 verursachten Meinungsverschiedenheiten zwischen dem BMI und der Errichtungsunternehmung hinsichtlich des Projektmanagements Verzögerungen im Projekt und führten zur Kündigung im Juni 2003.
Das BMI entrichtete für Beratungsleistungen sowie für die rechtsanwaltliche Vertretung rd 2,04 Mill EUR. Darüber hinaus entstanden ihm ab Dezember 2001 bis Ende 2003 Personalkosten für das Projekt ADONIS von rd 895 000 EUR.
Wirkungsbereich des Bundesministeriums für Finanzen
Das BMF war in budgetärer Hinsicht in das Projekt ADONIS eingebunden.
Das BMF unterließ die Überwachung der vollständigen Veranschlagung des Budgetbedarfs für das Projekt ADONIS für die Jahre 2003 und 2004. Es überließ die Verantwortlichkeit für die Sicherstellung der erforderlichen Budgetmittel dem BMI.
Obwohl das BMI keine rechtliche Möglichkeit hatte, die Bundesländer zur Teilnahme am Funknetzprojekt ADONIS zu verpflichten, stimmte das BMF dem Projekt — genauer einer Verständigung des Bestbieters — nur unter dieser Voraussetzung zu. Dieser Forderung zufolge hätten sich die Bundesländer vor Beginn des Netzaufbaues verbindlich verpflichten sollen, innerhalb von zwei Jahren mindestens 20 000 Endteilnehmer ihres Zuständigkeitsbereiches für das Funknetzprojekt anzumelden.
Deshalb empfahl der Rechnungshof:
dem BMI,
(1) vor Abschluss eines Vertrages über ein österreichweites Funknetzprojekt eine bindende Vereinbarung zwischen dem Bund und den Bundesländern — einschließlich Rettungsdiensten und Feuerwehren — über die Teilnahme und anteilige Finanzierung abzuschließen;
(2) die Mitwirkung des BMLV an einem künftigen Funknetzprojekt im Sinne der im Ministerratsbeschluss vom 30. Oktober 2001 enthaltenen Zielvorgabe eines effizienten Katastrophenschutzes anzustreben;
(3) im Falle eines künftigen Funknetzprojekts wesentliche Projektvorgaben, wie zB die Tarifgestaltung, die Erbringung von Beistellungen, die Methoden der Abnahmetests bereits vor der Zuschlagserteilung klar zu regeln;
(4) in einem künftigen Funknetzprojekt wesentliche Grundzüge des Projektmanagements bereits vor Zuschlagserteilung hinreichend detailliert zu regeln;
(5) im Wege der Vertragsgestaltung auch wesentliche Einflussmöglichkeiten und Kontrollrechte durch das BMI abzusichern, wie insbesondere ein Recht des BMI auf jederzeitige Abtretung der Funkinfrastruktur gegen Abgeltung;
(6) Beratungsleistungen bereits bei ihrer Ausschreibung detailliert zu regeln und die Erfüllung von vereinbarten Leistungen sorgfältig zu prüfen;
(7) bei einem künftigen Funknetzprojekt eine vertiefte Angebotsprüfung aller wesentlichen Kalkulationsgrundlagen durchzuführen;
(8) den Budgetbedarf rechtzeitig und umfassend zu ermitteln sowie in der vollen Höhe zu veranschlagen;
(9) zu Steuerungszwecken eine Projektkostenrechnung durchzuführen;
(10) bei einem künftigen Funknetzprojekt bereits in der Ausschreibung optionale Angebote für die zusätzliche Funkversorgung bestimmter Kategorien von Örtlichkeiten und Gebäuden einzuholen;
(11) den genauen Endgerätebedarf zu erheben und diesen dem Folgeprojekt zugrunde zu legen;
(12) für die Vertretung vor den Gerichten die Finanzprokuratur in Anspruch zu nehmen;
(13) eine Überwachung und Steuerung durch die Abteilung Budget und Controlling oder durch eine interne Revision sicherzustellen;
Der Kritik und den Empfehlungen des Rechnungshofes wurden bei der Neuausschreibung 2003, wenn überhaupt, dann nur mangelhaft entsprochen. Vor allem kam es im Zuge der Neuausschreibung zu millionenhohen Provisionszahlungen an die Briefkastenfirma Valurex International SA (im Besitz des „Wahlonkels“ von Alfons Mensdorff-Pouilly) und an Mensdorff-Pouillys Beratungsfirma MPA durch die Telekom Austria. Außerdem erwuchsen dem Bund durch die Vergleichszahlungen an den Bestbieter des ersten Verfahrens Kosten in der Höhe von 29,9 Mio Euro.
Aus diesem Sachverhalt ergeben sich zahlreiche aufklärungsbedürftige Fragenkomplexe.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Aus welchen Gründen kam zu einer Neuausschreibung des Behördenfunks?
2. Warum wurde die Empfehlungen des Rechnungshofes nicht entsprochen?
3. Warum wurde der Rechtsstreit mit dem ursprünglichen Bestbieter nicht ausgefochten, sondern ein Vergleich auf Kosten der SteuerzahlerInnen vorgenommen? War die Vorgangsweise bei der 2. Ausschreibung 2003/4 rechtlich nicht einwandfrei?
4. Über welche konkreten Streitpunkte wurde der Vergleich vereinbart?
5. Erscheint Ihnen die Verwendung von Steuergeldern für einen Vergleich gerechtfertigt, der auf eine von Lobbys beeinflussten Vergabe zurückzuführen ist?
6. Wie können Sie ausschließen, dass nicht der Einfluss von Alfons Mensdorff- Pouilly ausschlaggebend war für den Zuschlag für das Konsortium Motorola, Alcatel,und Telekom?