9233/J XXIV. GP
Eingelangt am 13.09.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Dietmar Keck, Jakob Auer, Werner Neubauer
an die Bundesministerin für Finanzen
betreffend Swapgeschäfte der BAWAG PSK mit der Landeshauptstadt Linz
Sehr geehrte Frau Bundesministerin,
der
Gemeinderat der Landeshauptstadt Linz hat mit einem Beschluss vom 3.6.2004
das Ziel verfolgt, bestehende Wechselkursrisiken aus CHF-Fremdwährungskrediten
abzusichern.
Die Initiative zu diesem Beschluss ist vom vormaligen Finanzdirektor
ausgegangen.
Knapp drei Jahre später hat die BAWAG PSK den vormaligen
Finanzdirektor dazu gebracht, einem Zinsswap namens der Stadt zuzustimmen, der
das
Währungsrisiko
aus einer bestehenden CHF-Anleihe über CHF 195 Mio. nicht
absichert, sondern vielmehr potenziert. Der Swap 4175 vom 12.2.2007 sieht einen
Zinstausch vor: Anstelle des für die Anleihe maßgeblichen
LIBOR-Satzes hat der
Kunde der Bank einen währungsabhängigen
Zinssatz zu zahlen. Hinter der
Zinsbildungsfunktion
verstecken sich sage und schreibe zwanzig Währungsoptionen,
die
den Kunden als Optionsgeber verpflichten. Den Kunden trifft damit bei zwanzig
Terminen jeweils ein der Höhe nach unbegrenztes Währungsrisiko
auf Grundlage
eines
Nominalbetrages von CHF 97,5 Mio. Das Währungsrisiko aus dem
Swap 4175
übersteigt
infolge einer exponentiellen Funktion sogar noch das Risiko
konventioneller
Währungsoptionen.
Letztlich läuft der Swap 4175 auf eine
zwanzigfache Währungswette mit jeweils unbegrenztem Risiko
für die Stadt
Linz
hinaus. Der Swap 4175 denkt der Stadt Linz eine so risikoträchtige Rolle
zu, die
normalerweise
nur Kreditinstitute mit großen Treasuryabteilungen übernehmen.
Der Swap 4175 hat
bereits bei seinem Abschluss einen erheblichen negativen
Anfangswert
in Höhe eines zweistelligen Millionenbetrags zu Lasten der
Landeshauptstadt
Linz aufgewiesen. Aktuell weist der Swap einen Negativwert in
Höhe von mehr
als € 300 Mio. zu Lasten der Landeshauptstadt Linz auf.
Die
Landeshauptstadt Linz ist durch ihr Stadtstatut zu einer risikoarmen
Vermögensverwaltung
verpflichtet (§ 57 Statut für die
Landeshauptstadt Linz
[StL1992]). Geschäfte wie der Swap 4175 kann und darf die
Stadt daher gar nicht
abschließen. Abgesehen
davon bedürfen selbst Finanzgeschäfte
geringeren
Ausmaßes nicht nur
einer Genehmigung durch den Gemeinderat (§ 46 Abs 1 Z 9
bzw Z 11 StL 1992) und der persönlichen Unterschrift des Bürgermeisters
samt
Stadtsiegel
(§ 66 Abs 1 StL
1992), sondern auch der Genehmigung durch die oö
Landesregierung
als Gemeindeaufsichtsbehörde (§ 78 Abs 1 Z 2
StL 1992). Keine
dieser Voraussetzungen ist im vorliegenden Fall erfüllt: Weder
die Aufsichtsbehörde
noch
der Gemeinderat haben das Geschäft genehmigt. Auch eine Delegation
der
Entscheidungsbefugnis
für Geschäfte wie den
Swap 4175 an die Finanz- und
Vermögensverwaltung ist auszuschließen, weil eine
solche Delegation im StL 1992
nicht
vorgesehen ist. Abgesehen davon fehlt die für eine
Delegation jedenfalls
erforderliche Verordnung. Schließlich fehlen auch die
persönliche Unterschrift des
Bürgermeisters
sowie das Stadtsiegel.
Wie
Unterlagen, die die BAWAG PSK der Staatsanwaltschaft zu übermitteln
hatte,
belegen, hat sich die BAWAG PSK bei Abschluss des Swaps 4175 nicht darum
gekümmert, ob eine Zustimmung durch den Gemeinderat vorliegt.
Vielmehr hat der
Bankvorstand erst später das Erfordernis einer Genehmigung durch
den
Gemeinderat
erörtert.
Bemerkenswert
ist auch, wie die BAWAG PSK das Verhalten des vormaligen
Finanzdirektors
der Landeshauptstadt Linz über Jahre bewertet hat, ohne darauf
entsprechend zu reagieren: Schon vor Abschluss des Swaps 4175 hat sie die
Haltung
des vormaligen Finanzdirektors als hochgradig risikobereit eingeschätzt.
Aber
auch danach hat die BAWAG PSK sein Verhalten im Umgang mit dem Swap
4175 überaus kritisch gesehen, weil der vormalige
Finanzdirektor zahlreiche
Risikohinweise
und Umstrukturierungsvorschläge in den Wind geschlagen habe. Die
BAWAG PSK hat daher zu Recht in Zweifel gezogen, ob das Verhalten des
vormaligen
Finanzdirektors die Deckung der politischen Organe hat. Das war nicht
der Fall. Trotz ihrer Zweifel hat die BAWAG PSK aber über Jahre
hindurch nicht
einmal
Kontakt mit den politischen Organen aufgenommen, um die Autorisierung des
vormaligen Finanzdirektors zu hinterfragen. Vielmehr hat sie noch Ende 2009 mit
ihm
vereinbart,
den neuen Leiter der Stadtkämmerei des Magistrats keinesfalls mit
den
Swap-Geschäften vertraut
zu machen. In diese bemerkenswerte Vereinbarung wurde
auch eine damalige Vorstandsdirektorin der BAWAG PSK einbezogen.
Warum Organe
und maßgebliche Mitarbeiter der BAWAG PSK ein solches Verhalten
an
den Tag gelegt haben, ist kaum nachvollziehbar. Offensichtlich hat die BAWAG
PSK aus dem Geschäft einen hohen Profit gezogen. Das Geschäft hat dann
aber
bankintern infolge der dramatischen Kursverschlechterungen des Euros gegenüber
dem CHF einen enormen Handlungsbedarf ausgelöst. Die
internen Kreditlinien mit
der Stadt mussten bis zu einem aufsichtsratspflichtigen Obligo ausgeweitet
werden.
Spätestens im
Jahr 2009 wurde offenbar auch bankintern erkannt, dass es mit einer
sorgfältigen Bankgestion unvereinbar ist, Geschäfte wie den
Swap 4175 Kommunen
anzubieten.
Wie bankinterne Unterlagen dokumentieren, wollte für den
Abschluss
des Swaps 4175 niemand mehr verantwortlich sein.
§ 39 Abs 1 BWG verpflichtet die
Organe eines Kreditinstitutes, die Sorgfalt eines
ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters
anzuwenden. Sie müssen über die
bankgeschäftlichen und
bankbetrieblichen Risiken informieren, diese durch
angemessene Strategien und Verfahren steuern, überwachen
und begrenzen.
Banken müssen daher vor Abschluss von Bankgeschäften mit
Gemeinden die
statutarischen Voraussetzungen für einen solchen Geschäftsabschluss
prüfen. Das
folgt auch aus § 867 ABGB. Danach obliegt es jedem
potentiellen Vertragspartner
einer Gemeinde, sich darüber zu informieren, was zur Gültigkeit
eines Vertrages mit
einer Gemeinde erforderlich ist. Die BAWAG PSK wäre daher vor
Abschluss des
Swaps 4175 in Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten verpflichtet
gewesen, sich mit den
Genehmigungsvoraussetzungen auf Seiten der Stadt im Detail vertraut zu machen.
Unabhängig davon
war es aber für die BAWAG PSK ohnedies evident, dass es
einer
Stadt nicht erlaubt sein kann, als Optionsgeberin eine zwanzigfache Währungswette
mit
unbegrenztem Risiko abzuschließen. Schließlich darf
man auch bei einem
Kreditinstitut als bekannt voraussetzen, dass Gemeinden bei ihrer Gebarung
schon
von Verfassung wegen
zur Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit
verpflichtet sind (Art 119a Abs 2 B-VG).
Das Verhalten der
BAWAG PSK ist aber auch im Lichte der Wohlverhaltensregeln
nach dem Wertpapieraufsichtsgesetz überaus kritisch zu sehen. Nach dem auf
den
Swap 4175 noch anzuwendenden WAG 1996 ist ein Anbieter von
Wertpapierdienstleistungen
verpflichtet, die Interessen der Kunden bestmöglich zu
wahren (§ 11 WAG 1996). Es ist ihm daher untersagt, Kunden den
Ankauf oder
Verkauf von Finanzinstrumenten anzubieten, wenn und soweit die Empfehlung mit
den Interessen der Kunden nicht übereinstimmt (§ 14 Z 1 WAG
1996). Dass der
Swap
4175 den Interessen einer Gemeinde widerspricht, liegt auf der Hand. Es kann
nicht im Interesse einer Gemeinde liegen, Steuergeld in unbegrenzter Höhe bei einer
zwanzigfachen
Währungswette
einzusetzen. Der Abschluss solcher Geschäfte ist
Gemeinden schon im Lichte ihrer Verpflichtung zu einer sparsamen, zweckmäßigen
und
wirtschaftlichen Verwaltung verwehrt. Es liegt daher ein Verstoß gegen § 14 Z 1
WAG
1996 vor.
Die BAWAG
PSK hat den Swap 4175 selbst strukturiert. Seine Risikostruktur ist von
der
Bank bewusst zu Lasten der Stadt gestaltet worden. Demgemäß hatte der
Swap
bereits
bei seinem Abschluss einen erheblichen negativen Wert zu Lasten der Stadt
aufgewiesen (sogenannter negativer Anfangswert). Nach der Rechtsprechung des
deutschen Bundesgerichtshofs muss eine Bank den Kunden vor Vertragsabschluss
über einen
solchen negativen Marktwert aufklären. Nichts anderes kann in Österreich
gelten,
weil hier die Rechtslage jener in Deutschland weitgehend entspricht, sind
doch hier wie dort die europarechtlichen Grundlagen zu beachten. Dennoch hat
die
BAWAG
PSK den vormaligen Finanzdirektor der Landeshauptstadt Linz über den
negativen Anfangswert des Swaps 4175 nicht aufgeklärt.
Unter
der Annahme, dass die Finanzmarktaufsicht und die Nationalbank ihren
gesetzlichen
Aufgaben nachgekommen sind, muss das Verhalten der BAWAG PSK
gegenüber der
Landeshauptstadt Linz Aktivitäten der Bankaufsichtsorgane ausgelöst
haben.
Die Finanzmarktaufsicht hat nach § 2 WAG 1996 bzw. § 91 WAG 2007
alle
Untersuchungen durchzuführen und jene Maßnahmen zu
ergreifen, die erforderlich
sind,
um die Ordnungsmäßigkeit und Fairness des Handels mit
Instrumenten wie den
Swap
4175 beurteilen und sichern zu können. Sie muss auch gewährleisten,
dass
bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen die Wahrung der Interessen
der
Bankkunden
sichergestellt ist.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher an die Bundesministerin folgende
ANFRAGE:
1.
Hat die Finanzmarktaufsicht die Nationalbank seit 2006 mit einer Prüfung
der BAWAG PSK im Zusammenhang mit dem Swap 4175 oder anderen
Swapgeschäften mit der
Landeshauptstadt Linz beauftragt?
2.
Hat die FMA die BAWAG PSK seit 2006 im Zusammenhang mit dem Swap
4175
oder anderen Swapgeschäften mit der Landeshauptstadt Linz aus
eigener
Initiative geprüft?
3.
Haben die Nationalbank und/oder die Finanzmarktaufsicht im Rahmen einer
Prüfung bzw.
Sonderprüfung der BAWAG PSK seit 2006 in Prüfberichten
oder
Sonderprüfberichten Feststellungen zum Swap 4175 oder anderen
Swapgeschäften mit der Landeshauptstadt Linz getroffen?
4. Welchen konkreten Inhalt haben diese Feststellungen?
5.
Attestieren diese Feststellungen der BAWAG PSK im Zusammenhang mit
dem Swap 4175 oder anderen Swaps mit der Landeshauptstadt Linz einen
Verstoß gegen das
BWG, das WAG 1996 bzw. das WAG 2007 oder andere
gesetzliche
Vorschriften? Worin wird dieser Verstoß gesehen?
6.
Hat die Finanzmarktaufsicht oder die Nationalbank Feststellungen zu
einer
Verletzung
von Wohlverhaltensregeln nach dem WAG 1996 bzw. WAG 2007
durch
die BAWAG PSK gegenüber der Landeshauptstadt Linz im
Zusammenhang mit dem Swap 4175 oder anderen Swapgeschäften
getroffen?
7.
Hat die Finanzmarktaufsicht vom Bankprüfer der
BAWAG PSK Auskünfte
über den Swap
4175 oder andere Swapgeschäfte mit der Landeshauptstadt
Linz eingeholt?
8. Welchen konkreten Inhalt haben diese Auskünfte?
9.
Hat die Finanzmarktaufsicht gegen die BAWAG PSK wegen des Swaps
4175 oder anderer Swapgeschäfte mit der Stadt Linz einen/mehrere
Strafbescheid(e) erlassen?
10.
Falls der Swap 4175 oder andere Swapgeschäfte der BAWAG PSK wider
Erwarten nie Gegenstand von Prüfberichten bzw. Sonderprüfberichten
der
Nationalbank und der Finanzmarktaufsicht gewesen sein sollten: Ist die
Nationalbank und die Finanzmarktaufsicht ihren Kontrollpflichten bezüglich
der BAWAG PSK nachgekommen, wenn sie zum Swap 4175 und den
anderen Swapgeschäften mit der Landeshauptstadt Linz keine
Feststellungen getroffen hat?
11.
Werden Sie eine Prüfung der BAWAG PSK durch die
Finanzmarktaufsicht
und/oder die Nationalbank im Zusammenhang mit dem Swap 4175 und den
sonstigen Swapgeschäften mit der Landeshauptstadt Linz veranlassen?
12.
Werden Sie die Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens gegen die
BAWAG PSK durch die Finanzmarktaufsicht wegen Verletzung
bankrechtlicher und/oder wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften im
Zusammenhang mit dem Swap 4175 und den sonstigen Swapgeschäften
mit der Landeshauptstadt Linz veranlassen?
13.
Ergibt sich aus Prüfungen bzw. Sonderprüfungen der BAWAG PSK
durch
die Finanzmarktaufsicht bzw. die Nationalbank, dass die BAWAG PSK auch
anderen Kunden hochriskante Swapgeschäfte wie den Swap 4175
angeboten hat? Zählen zu diesen Kunden neben der Landeshauptstadt Linz
auch andere Gebietskörperschaften?
14.
Welche Maßnahmen werden Sie treffen, damit in Zukunft
gewährleistet ist,
dass Kreditinstitute österreichischen Gemeinden so riskante Finanzderivate
wie den Swap 4175 nicht mehr anbieten?
15.
Welche Maßnahmen werden Sie treffen, damit in Zukunft
gewährleistet ist,
dass Kreditinstitute ihre Kunden vor dem Abschluss komplexer
Swapgeschäfte über eine ungleiche Verteilung von Chancen und Risken
zu
Lasten des Kunden (negativer Anfangswert) aufklären?