9276/J XXIV. GP
Eingelangt am
14.09.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
ANFRAGE
des Abgeordneten Kurt Grünewald, Alexander Van der Bellen, Freundinnen und Freunde an den/die Bundesministerin für Inneres
betreffend Aufnahmevereinbarung ForscherInnen aus Drittstaaten
BEGRÜNDUNG
Mobilität ist einer der entscheidenden Faktoren für gute, konkurrenzfähige Forschung. Sie erweitert nicht nur den Horizont sondern fördert auch notwendige Kontakte und internationale Netzwerke. Positive Auswirkungen davon sind z.B. Kooperationen und Einbindung in internationale Forschungsgruppen, Beteiligung an Forschungskonsortien oder Co-Publikationen in international renommierten Zeitschriften. Mobilität – sowohl aus Österreich wie auch nach Österreich – hilft dadurch, den österreichischen Forschungsraum im europäischen wie weltweiten Rahmen zu etablieren.
Wissenschaftliche Mobilität funktioniert als Austausch von „incomings“ und „outgoings“ und ist keine Einbahnstraße. Der österreichische Forschungsstandort profitiert daher von heimischen ForscherInnen, die einige Zeit im Ausland arbeiten ebenso wie von internationalen ForscherInnen, die den Weg nach Österreich finden. Dennoch werden ForscherInnen aus Nicht- EWR-Staaten (Drittstaaten) nach wie vor benachteiligt. Ziel muss sein, Österreichs Position im internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe weiter auszubauen und für die Beschäftigung von ForscherInnen aus der ganzen Welt attraktiver zu machen.
Für den Ablauf wissenschaftlicher Kooperationen macht es keinen Unterschied, ob ForscherInnen aus der EU oder einem anderen Staat kommen. Kooperationen gehen meist von den österreichischen ProjektleiterInnen oder Institutionen aus und dauern mehrere Jahre, während dieser die ForscherInnen auch immer wieder im Heimatland wissenschaftlich tätig sind. Das ist für StaatsbürgerInnen aus EWR- und Schengen-Staaten mittlerweile kein arbeitsrechtliches Problem mehr, leider gibt es aber nach wie vor Behinderungen und Erschwernisse für ForscherInnen aus Drittstaaten[1].
Fakt ist: Beim Anteil an hoch qualifizierter Zuwanderung ist Österreich mit 11,3 % Schlusslicht[2]. Wir müssen dringend zusätzliche, hoch qualifizierte Kräfte aus anderen Ländern anwerben. Dies kann nur erfolgreich sein, wenn die Rahmenbedingungen und die Laufbahnperspektiven, auch an den Universitäten, stimmen.
Die Einreise- und Aufenthaltstitel für ForscherInnen aus Drittstaaten und deren Familienangehörige sind geteilt in Aufenthalt bis zu maximal 6 Monate und über 6 Monate. Die Erteilung von Aufenthaltstiteln an Studierende und ForscherInnen ist in den §§ 64 und 67 des Niederlassungs.- und Aufenthaltsgesetz (NAG[3]) geregelt. Neben besonderen Voraussetzungen sind die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des 1 Teiles des NAG zu erfüllen. Insbesondere die in § 11 NAG normierten allgemeinen Voraussetzungen und die Verfahrensbestimmungen der §§ 19 und 21 NAG.
Als reine Schikane empfinden wir den folgenden Punkt:
§ 68 NAG regelt die Aufnahmevereinbarung. Dies ist eine Vereinbarung zwischen der Forschungseinrichtung und der AntragstellerIn und soll die Prüfung der Erteilungsvoraussetzungen Unterkunft, Krankenversicherung und Unterhaltsmittel bei ForscherInnen ersetzen und somit beschleunigen. Diese beinhaltet in Z 3 leg cit eine Haftungserklärung gegenüber allen Gebietskörperschaften für Aufenthalts- und Rückführungskosten; diese Haftung endet 6 Monate nach Auslaufen der Aufnahmevereinbarung.
Diese Bestimmung ist völlig verfehlt und schreckt Forschungseinrichtungen ab, Aufnahmevereinbarungen mit Forschern tatsächlich abzuschließen. Wenn keine Aufnahmevereinbarung vorliegt, dann ist ein anderer Aufenthaltszweck, nämlich „Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit“ zu beantragen. Damit verlängert sich die Verfahrensdauer erheblich.
Die Verfahrensdauer, siehe oben, ist aber wiederum eine der größten Hürden und Ärgernisse.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE
1) Wodurch ist die in §68 Z 3 NAG festgelegte Haftung 6 Monate nach Auslaufen der Aufnahmevereinbarung begründet?
2) Liegt besagter Klausel befürchteter Missbrauch zugrunde?
2.a) Wenn ja, ist die Befürchtung von Missbrauch der einzige Grund für das über die Dauer der Aufnahmevereinbarung hinausgehende Haftungserfordernis oder ein Grund neben anderen? Bitte nennen sie ggf. andere Gründe und erläutern Sie diese.
2.b) Wenn ja, bezieht sich die Befürchtung auf Missbrauch durch die aufnehmende Institution?
2.c) Wenn ja, bezieht sich die Befürchtung auf Missbrauch durch den/die GastforscherIn?
2.d) Wenn nein, schließen Sie aus, dass befürchteter Missbrauch eine Rolle bei der Festlegung des über die Dauer der Aufnahmevereinbarung hinausgehenden Haftungserfordernisses gespielt hat?
2.e) Wenn ja, welche Arten von „Missbrauch“ sind zu befürchten, wenn diese Haftung nicht erst 6 Monate nach Auslaufen der Aufnahmevereinbarung, sondern mit Ende des Arbeitsverhältnisses endet?)
3) Können Sie ausschließen, dass besagter Klausel ein Generalverdacht gegenüber ForscherInnen aus Drittstaaten zugrundeliegt?
4) Welche Folgen hätte es, wenn diese Haftung nicht erst 6 Monate nach Auslaufen der Aufnahmevereinbarung, sondern mit Ende des Arbeitsverhältnisses endete? Bitte führen Sie in Ihrer Antwort positive und negative Folgen gesondert an.
5) Hat sich das über die Dauer der Aufnahmevereinbarung hinausgehende Haftungserfordernis bisher positiv ausgewirkt?
5.a) Wenn ja, wie?
5.b) Wenn ja, wie wurde das festgestellt?
5.c) Wenn nein, warum nicht?
5.d) Wenn nein, denken Sie an eine Änderung des über die Dauer der Aufnahmevereinbarung hinausgehenden Haftungserfordernisses?
6) Wurde die Wirkung des über die Dauer der Aufnahmevereinbarung hinausgehenden Haftungserfordernisses schon einmal evaluiert?
6.a) Wenn ja, wann und durch wen (bitte mit Angabe des Zeitraums der Evaluierung, des Datums der Fertigstellung bzw. Präsentation der Ergebnisse sowie Name und Anschrift der ausführenden Person/Institution bzw. der betr. Dienststelle)?
6.b) Wenn ja, was waren die Ergebnisse der Evaluierung?
6.c) Wenn ja, welche?
6.b) Wenn nein, ist eine Evaluierung geplant?
7) Wie viele Forschungseinrichtungen und/oder Universitäten haben bisher eine Haftungsvereinbarung nach §68 Z 3 NAG abgeschlossen?
8) Wie viele Forschungseinrichtungen und/oder Universitäten hatten bisher ein durch eine ForscherIn auf diese Art verursachtes Haftungsproblem?
9) Welche Institutionen waren bisher in Fälle, in denen es zu Haftungsproblemen kam, involviert? Bitte mit Name und Anschrift der betr. Institution sowie das Datum bzw. den Zeitraum an.
10) Wie wurden diese Probleme jeweils gelöst? Bitte inkl. Angabe einer kurzen Sachverhaltsdarstellung zum Missbrauchsfall selbst sowie zu dessen Lösung.
10.a) In wie vielen Fällen handelte es sich um Missbrauch durch die aufnehmende Institution?
10.b) In wie vielen Fällen handelte es sich um Missbrauch durch die GastforscherIn?
11) Wie viele Forschungseinrichtungen und/oder Universitäten hatten in den Jahren letzten 10 Jahren ein durch eine ForscherIn auf diese Art verursachtes Haftungsproblem?
12) Wie viele ForscherInnen aus Drittstaaten waren in den letzten 10 Jahren in Österreich beschäftigt? Bitte um detaillierte Auflistung nach Forschungseinrichtung und/oder Universität von 2000-2010.
13) Wie viele der o.g. ForscherInnen aus Drittstaaten waren unter 6 Monate bzw. über 6 Monate in Österreich? Bitte um detaillierte Auflistung nach Forschungseinrichtung und/oder Universität von 2000-2010.
14) Wie viele der o.g. ForscherInnen aus Drittstaaten wurden von Familienangehörigen begleitet? Bitte um detaillierte Auflistung nach Forschungseinrichtung und/oder Universität von 2000-2010.
[1] http://www.oead.at/fileadmin/oead_zentrale/willkommen_in_oe/Recht/Leitfaden_Forscher_dt.pdf.pdf
Leitfaden für den Aufenthalt und die Beschäftigung von ausländischen ForscherInnen, Österreichischer Austauschdienst
[2] FWF Jahresbericht 2010, S 14
[3] NAG: Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20004242