9441/J XXIV. GP

Eingelangt am 11.10.2011
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr.in Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend Polit-Kuhhandel rund um die Millionenkampagne zur „Rettungsgasse“

BEGRÜNDUNG

 

Auf Betreiben der Bundesregierung wird die „Rettungsgasse“ auf Österreichs Autobahnen und Schnellstraßen eingeführt. Bei beginnenden Staus oder stauähnlichen Zuständen ist künftig nicht mehr wie bisher der Pannenstreifen freizuhalten, sondern nach links bzw rechts zum jeweiligen Fahrbahnrand auszuweichen bzw zuzufahren, wodurch zwischen den Fahrzeugen eine „Fahrgasse“ zum Durchfahren von Einsatzfahrzeugen etc entstehen soll, eben die sogenannte Rettungsgasse. Diese soll die Erreichbarkeit von Unfallstellen auf hochrangigen Straßen verbessern.

Die Änderung wurde als 24. Novelle der StVO im Juli 2011 im Parlament beschlossen – in leichter Verkennung der verfassungsrechtlichen Aufgabenzuordnung von Legislative und Exekutive in Österreich berichtet die BMVIT-Homepage hingegen ausschließlich von einer Einführung durch „Beschluss des Ministerrats“ - und wird mit 1.1.2012 in Kraft treten.

 

Es handelt sich definitiv nicht um eine Gesetzesänderung auf Wunsch der ASFINAG, sondern um die veränderte Umsetzung einer kraus formulierten Festlegung des SPÖ-ÖVP-Regierungsprogramms für die XXIV. Gesetzgebungsperiode von 2008:

„Die Möglichkeit einer zeitlich befristeten Freigabe von Pannenstreifen, die zugleich auch das System der „Rettungsgasse“ bilden (wie in einzelnen anderen EU Staaten), wird geprüft.“

Das Regierungsübereinkommen adressiert also vor allem die ÖVP-Autolobby-Forderung einer zeitweisen Pannenstreifenfreigabe für den Fließverkehr und nur daneben auch die damit im Widerspruch stehende Rettungsgasse (die anders als im Regierungsprogramm dargelegt grundsätzlich nicht auf Pannenstreifen gebildet werden kann, und schon gar nicht dann, wenn dieser Pannenstreifen zugleich ebenfalls vom Fließverkehr genutzt wird).

 

Wie ein offizieller Ergebnisbericht der Verkehrsministerin ans Parlament unmissverständlich festhält, wurde erst „ausgehend von dieser Vorgabe“ (der Regierung) im Frühjahr 2009 in der ASFINAG ein Projekt dazu aufgesetzt.

 


Unter Berufung auf Blaulichtorganisationen und ausländische Beispiele wurde die Materie besonders von der ÖVP vehement weiterbetrieben. Die Frage, wieso eine neue Regelung geschlossener eingehalten werden sollte als die bisherige Verpflichtung (zum Freihalten des Pannenstreifens), konnte dabei nie beantwortet werden. Im März 2010 kam es auf Basis eines ÖVP-SPÖ-Antrags zu einer Entschließung des Nationalrats - wegen des Eintretens für Pannenstreifen-Öffnung in Antragsbegründung und ÖVP-Debattenbeiträgen gegen die Stimmen der Grünen -, mit der die Verkehrsministerin aufgefordert wurde, „in Kooperation mit Medien“ (!) und Autofahrerclubs die Einführung der Rettungsgasse zu prüfen und einen Erhebungsbericht vorzulegen.

 

Dieser „Bericht der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie über den Ergebnisbericht Rettungsgasse aufgrund der Entschließung des Nationalrates vom 24. März 2010, E 84-NR/XXIV.GP“, III-190 d.B. XXIV.GP, kam Ende 2010 im Parlament auf den Tisch.

Ein ansehnlicher Teil des Erhebungsberichts der Bundesministerin ist der Frage „Mediale Maßnahmen und Kommunikation“ gewidmet - höchst unüblich im Vergleich zu allen, auch viel weitreichenderen verkehrssicherheitsrelevanten Gesetzesänderungen der letzten Jahre.

An prominenter Stelle werden dabei „Medienkooperationen“ verschiedener Art und dazu noch Beilagen in Tageszeitungen angekündigt; beide Formen wurden in der Vergangenheit bereits praktiziert und werden auch den bevorstehenden Anti-Korruptions-Untersuchungsausschuss beschäftigen.

 

In ihren Beiträgen zum Rettungsgassen-Ergebnisbericht der Verkehrsministerin treten die zitierten Stakeholder von der ASFINAG bis zum Kuratorium für Verkehrssicherheit in schon auffälliger einhelliger Formulierung und stets vorneweg für eine „umfassende Informationskampagne“ ein, die scheinbar das Allerwichtigste an der ganzen Rettungsgassen-Angelegenheit ist.

 

Obwohl es sich um ein Anliegen der Regierung – siehe Regierungsübereinkommen, siehe BMVIT-Homepage/„Beschluss des Ministerrats“ – und nicht der ASFINAG handelt, muss nun die ASFINAG eine sehr aufwendige Informationskampagne zur Rettungsgasse planen, finanzieren und umsetzen. Dies folgt dem Muster der Inseratenaffäre - Regierungswerbung mit Geldern von Staatsunternehmen wie ÖBB oder ASFINAG.

 

Der Umfang dieser Kampagne soll rund 3 Mio Euro betragen. Dies ist eine bei verkehrssicherheitsrelevanten Gesetzesänderungen der letzten Jahre völlig unüblich hohe Summe für eine vergleichsweise kleine, punktuelle Einzelmaßnahme.

 

Wieso ausgerechnet in dieser Frage eine derart pompös dotierte Kampagne unabdingbar sein soll, weit komplexere Änderungen etwa beim Führerschein-Vormerksystem, beim neuen „generellen Rücksichtnahmegebot“, bei den Rechten und Pflichten von Radfahrenden usf hingegen nahezu ausschließlich über Straf-Aktivitäten der Exekutive und über „Mundpropaganda“ bewusst werden sollen, ist sachlich nicht nachvollziehbar. Ebenso ist nicht nachvollziehbar, wieso entsprechende Summen nicht in Bewusstseinskampagnen zu den Haupt-Unfallursachen und somit in die Unfall- und Opfervorbeugung investiert werden – zB zu den Gefahren von Schnellfahren (jeder dritte tödliche Unfall passiert, weil der Unfalllenker zu schnell gefahren ist), von Alkohol oder von Telefonieren am Steuer.

 

Die Ausschreibung der Rettungsgassen-Großkampagne, bei der ASFINAG ausgerechnet von Werner Faymanns vormaliger Pressesprecherin Klaudia Niedermühlbichler verantwortet, endete mit einem Erfolg für die Agentur TBWA/. Diese soll – lt Aussendung vom 21.9.2011 - den Auftrag „mit den Partnern MediaSelect und der PR-Agentur „P8 Hofherr“ (früher Hofherr Communications) umsetzen. 
 
Die PR-Agentur von Georg Hofherr, der seine Karriere aus dem Vorzimmer des langjährigen Tiroler ÖVP-LHStv Ferdinand Eberle startete und sich mit ÖVP-WeggefährtInnen umgibt, war nicht nur mit dem Lobbying („Druck bei politischen Entscheidungsträgern“ u. dgl.) für den ersten Behördenfunk-Auftragnehmer Master-Talk („Adonis“) befasst, sondern stand Medienberichten zufolge zwischen 2005/06 und 2009 in direkter Geschäftsbeziehung mit ÖVP-Ex-Minister Ernst Strasser. Unter anderem soll Strasser im Sinne des Hofherr-Kunden TIWAG (wo Hofherr-Mentor Eberle Aufsichtsratschef ist) lobbyiert haben, um neue (Wasser-)Kraftwerksprojekte in besserem Licht erscheinen zu lassen und kraftwerksbau-relevante Formulierungen im SPÖ-ÖVP-Regierungsprogramm von 2008 zu entschärfen. Launige Honorarzahlungs-Erinnerungen von Strasser – Stundensatz 450 Euro – an Agenturchef Hofherr sind dazu aktenkundig. Die Agentur geriet auch mit fragwürdigen Praktiken rund um die Durchsetzung von Kraftwerksprojekten der landeseigenen TIWAG in den Standortgemeinden und -tälern ins Rampenlicht. Die Verflechtungen Hofherr-Strasser-ÖVP sind jedoch noch viel enger: So wurde der vormalige Öffentlichkeitsarbeiter der ÖVP-MinisterInnen Rauch-Kallat, Kdolsky und Molterer Leiter der Hofherr-Niederlassung in Wien und wechselte in der Folge mit weiteren Hofherr-Kolleginnen mit Ernst Strasser als Sprecher nach Brüssel.
 
Die ÖVP-betriebene Rettungsgasse wird also von Beginn weg mit einem prall gefüllten Medienkooperations-, Kommunikations- und PR-Rucksack auf die Reise geschickt, den die ASFINAG bezahlt und von dem prominent eine ÖVP-Agentur profitiert. Und das alles unter dem Etikett Verkehrssicherheit.
 
Nicht ausgeschlossen werden kann, dass hier womöglich über den Umweg der ASFINAG „Schweigegeld“ in ÖVP-Netzwerke fließt, um die permanente Kritik aus der ÖVP an ÖBB, BMVIT & Co abzustellen.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1.    Welchen finanziellen Umfang hat der Kommunikationsauftrag (incl. „Medienkooperationen“, „Beilagen zu Tageszeitungen“ u.dgl.) der ASFINAG zur Rettungsgasse?

 

2.    Wie erklären Sie, dass die ASFINAG diesen Auftrag zu bezahlen hat, obwohl die Rettungsgasse doch ein erklärtes Anliegen der Bundesregierung – vgl. Regierungsprogramm – ist und Sie selbst in Ihrem Erhebungsbericht an den Nationalrat festhalten, dass die ASFINAG erst nach dieser – wörtlich – „Vorgabe“ der Regierung überhaupt ein Projekt zum Thema aufsetzte?

 

3.    Wie erklären Sie, dass ausgerechnet bei dieser doch recht simplen und punktuellen Einzelmaßnahme, die erst bei den Unfallfolgen ansetzt, eine derart pompös dotierte begleitende Kommunikationskampagne aufgesetzt wird, nicht jedoch für die Unfallvorbeugung bei Hauptunfallursachen wie Schnellfahren, Alkohol am Steuer oder Handy am Steuer?


4.    Was ist der geplante Umsetzungszeitraum des Kommunikationsauftrags zur Rettungsgasse?

 

5.    Welche Rolle spielte Werner Faymanns Ex-Pressesprecherin Klaudia Niedermühlbichler bei der Entstehung dieser Kampagne und bei der Auswahl der Auftragnehmer?

 

6.    Welche Rolle spielte Ihr Generalsekretariats-Mitarbeiter und nunmehriger Niedermühlbichler-Nachfolger bei der ASFINAG, Christian Spitaler, bei der Entstehung dieser Kampagne und bei der Auswahl der Auftragnehmer?

 

7.    Wie kam es konkret zur Betrauung der intensivst ÖVP-vernetzten Agentur P8 Hofherr mit einem maßgeblichen Teil dieses Auftrags?

 

8.    Was ist der finanzielle Anteil von P8 Hofherr im Rahmen dieses Auftrags?

 

9.    Was ist die Leistung von P8 Hofherr im Rahmen dieses Auftrags?

 

10. Was ist die Gegenleistung der ÖVP für diesen Auftrag an P8 Hofherr?

 
11. Wie soll angesichts der Tatsache, dass diese Kampagne Anfang Oktober 2011 noch immer nicht gestartet ist, bis zum Inkrafttreten der „Rettungsgasse“ mit Jahresbeginn 2012 eine flächendeckende Bewusstseinsbildung abgeschlossen sein?

 

12. Wie viel Geld wurde a) vom BMVIT, b) von der ASFINAG in den Jahren 2006 bis 2011 jeweils in Aufklärungskampagnen zu den Gefahren von Schnellfahren investiert (jeder dritte tödliche Unfall passiert, weil der Unfalllenker zu schnell gefahren ist)?

 

13. Wie viel Geld a) planen Sie, b) plant die ASFINAG 2012 in Aufklärungskampagnen zu den Gefahren von Schnellfahren zu investieren?

 

14. Wie viel Geld wurde a) vom BMVIT, b) von der ASFINAG in den Jahren 2006 bis 2011 jeweils in Aufklärungskampagnen zu den Gefahren von Alkohol am Steuer investiert (Alkohol ist eine Hauptursache für unschuldig Getötete und Verletzte im Straßenverkehr)?

 

15. Wie viel Geld a) planen Sie, b) plant die ASFINAG 2012 in Aufklärungskampagnen zu den Gefahren von Alkohol am Steuer zu investieren?

 

16. Wie viel Geld wurde a) vom BMVIT, b) von der ASFINAG in den Jahren 2006 bis 2011 jeweils in Aufklärungskampagnen zu den Gefahren von Telefonieren am Steuer investiert?

 

17. Wie viel Geld a) planen Sie, b) plant die ASFINAG 2012 in Aufklärungskampagnen zu den Gefahren von Telefonieren am Steuer zu investieren?