9480/J XXIV. GP
Eingelangt am 13.10.2011
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Anfrage
der Abgeordneten Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Inneres
betreffend Einschätzungen des BVT zu militanten Tierrechtsgruppen insbesondere im Verfassungsschutzbericht 2011
Im Verfassungsschutzbericht 2011 finden sich folgende Passagen zum Thema „Militante Tierrechtsgruppen“:
VIII. MILITANTE TIERRECHTSGRUPPEN
1. Lagebild
Aktivistinnen und Aktivisten militanter Tierrechtsgruppen bedienen sich, im Gegensatz zu traditionellen Tierschutzgruppen, sogenannter Doppelstrategien. Hiebei werden legale Protesthandlungen mit illegalen Handlungen kombiniert. Im Gegensatz zum traditionellen Tierschutz sehen Aktivistinnen und Aktivisten militanter Tierrechtsgruppen die Begehung strafbarer Handlungen als legitime und zweckmäßige Mittel an, um ihren Intentionen und Bestrebungen Nachdruck zu verleihen, während sie sich in der Öffentlichkeit bemühen, den Schein des traditionellen Tierschutzes aufrecht zu erhalten. Die illegalen Handlungen von Aktivistinnen und Aktivisten militanter Tierrechtsgruppen lassen oftmals Parallelen zu gewaltbereiten Extremistenorganisationen erkennen (Verwendung von Brandsätzen, Zellenstruktur etc.). Gewalt gegen Sachen und Menschen geht häufig mit psychischem Druck gegen Opfer einher. Gezielte Imageschädigungen und die damit verbundenen Störungen des Privat- und Familienlebens von Opfern werden als Kollateralschäden billigend in Kauf genommen. Am 02. März 2010 hat am Landesgericht Wiener Neustadt der sogenannte „Tierrechtsprozess“ begonnen. Im Zusammenhang mit diesem Prozess waren bereits ab Jänner 2010 im In- und auch im Ausland Solidarisierungshandlungen zu verzeichnen. Das nationale Solidarisierungsgeschehen mit den angeklagten Tierrechtsaktivistinnen und Tierrechtsaktivisten ebbte im Laufe des Jahres deutlich ab. Wie bereits im Jahr 2009
kam es auch 2010 im Rahmen internationaler Tierrechtstreffen zu Vortragstätigkeiten von österreichischen Szeneexponentinnen und Szeneexponenten, die über „staatliche Repression“ referierten. Im Mittelpunkt der Vorträge und Presseauftritte stand der Vorwurf der angeblichen Kriminalisierung von NGOs mit Hilfe des § 278a StGB (Kriminelle Organisation). Im Berichtsjahr war festzustellen, dass die Anwerbungen von Aktivistinnen und Aktivisten und die Neugründungen von Organisationen, die eine Affinität zu militanten Tierrechtsgruppen erkennen ließen, stagnierten. Die größte, dem Spektrum der militanten Tierrechtsgruppen zuzuordnende Organisation verfügt mit Ausnahme von Kärnten in allen Bundesländern über Bezugsgruppen. Im Jahr 2010 konnten die Einzugsgebiete potenzieller Aktivistinnen und Aktivisten, trotz personeller Stagnation, abermals leicht ausgeweitet und zusätzliche Kooperationen umgesetzt werden. Die Zusammenarbeit deutscher und österreichischer Aktivistinnen und Aktivisten in Salzburg, wo vermehrt auch Szeneexponentinnen und Szeneexponenten aus dem südbayerischen Raum in Erscheinung traten, wurde vertieft.
2. Themen und Aktivitäten
Die Themenbereiche militanter Tierrechtsgruppen umfassten analog zu den Vorjahren auch im Berichtsjahr Proteste gegen den Pelzhandel, die Pharmaindustrie, die Jagd, Tierversuche, Massentierhaltung und Tiertransporte. Der Schwerpunkt der Aktivitäten fokussierte sich jedoch auf den laufenden Tierrechtsprozess. Die Proteste gegen „Pelzhandel“ waren oftmals mit dem Themenschwerpunkt „§ 278a“ gepaart. In diesem Zusammenhang kam es zu zahlreichen Demonstrationen. Im Vergleich zum Jahr 2009 war jedoch ein Rückgang von angemeldeten und auch von nicht angemeldeten Kundgebungen zu verzeichnen. Unter dem Motto „Staatsterror gegen den Tierschutz“ betrieben Angeklagte und deren Sympathisantinnen und Sympathisanten eine Medienoffensive. Weiters wurden Protesthandlungen gesetzt, welche darauf abzielten, eine Änderung von § 278a StGB herbeizuführen.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
1. Wann war Redaktionsschluss für die Erstellung des Verfassungsschutzberichts 2011?
2. Wie weit lässt sich die Analyse des ersten Absatzes aufrecht erhalten, wenn gleichzeitig im „Tierrechtsprozess“ von Wr. Neustadt bekannt wurde, dass eine VE – angeblich auf Basis des Sicherheitspolizeigesetzes – weder strafbare Handlungen, noch Anhaltspunkte für das Vorliegen einer kriminellen Organisation?
3. In wie weit haben die Erkenntnisse der VE im Verfassungsschutzbericht Niederschlag gefunden?
4. Inwiefern lassen sich die Behauptungen der Doppelstrategie im Bereich „Tierrechte“ aufrechterhalten, wenn das Landesgericht Wr. Neustadt zum Schluss kommt, dass keine kriminelle Organisation vorliegt?
5. Warum wird im BVT-Bericht von Tierrechtsgruppen, statt der üblichen Bezeichnung Tierschutzgruppen gesprochen?
6. Im BVT-Bericht wird ausgeführt, dass sich militante Tierrechtsgruppen einer Doppelstrategie bedienen würden. Im Bericht selbst wird fast ausschließlich auf Gruppen und Personen, die unmittelbar vom Prozess betroffen sind oder dem Umfeld angehören, berichtet. Wie weit sind diese Personen und Gruppen überhaupt angesichts des Freispruchs und der damit verbundenen Verneinung einer Doppelstrategie den „militanten Tierrechtsgruppen“ zuordenbar?
7. In wie weit akzeptieren sie Gerichtsurteile und werden diese auch in den Berichten des BVT Berücksichtigung finden?
8. Welche Konsequenzen werden im BVT für seine nach dem Gerichtsurteil von Wr. Neustadt offensichtlichen Fehleinschätzungen gezogen?
9. Wie weit wird insbesondere die Rolle des LVT Wien in den Ermittlungen zum Prozess am LG Wr. Neustadt einer kritischen Evaluierung unterzogen?
10. Inwieweit wird insbesondere geprüft, wie die Übernahme einseitiger Sichtweisen der Anzeiger durch den LVT Wien verhindert werden kann, damit qualitativ hochwertige Arbeit und rechtsstaatliche Standards sichergestellt werden können?