9515/J XXIV. GP

Eingelangt am 19.10.2011
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

 

des Abgeordneten Dr. Karlsböck

und weiterer Abgeordneter

 

an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend meldepflichtige Ereignisse in Fällen von kontaminierter Kabinenluft – insbesondere Fälle mit dem Nervengift Trikresylphosphat (TKP)

 

 

In einer kürzlich veröffentlichten Studie ist es Forschern gelungen, das gefährliche Nervengift TKP im Blut von Flugpassagieren nachzuweisen. Mit einem neuartigen Testverfahren fand Clement Furlong von der University of Washington in Seattle Hinweise auf TKP in sechs von zwölf untersuchten Passagieren. Das Blut wurde jeweils ein bis zwei Stunden nach dem Flugende abgenommen, schreiben die Forscher im Fachjournal „Toxicology and Applied Pharmacology“.

 

Experten sehen die Ursache in der Frischluftzufuhr. Die gängigen Verkehrsflugzeuge sind mit hermetisch abgeschlossenen Druckkabinen ausgestattet. Daher muss die zum Atmen benötigte Luft künstlich von außen zugeführt werden. Dies geschieht mittels so genannter „Bleed Air“- auch Zapfluft genannt. Bei dieser Methode wird vom Triebwerk komprimierte Luft abgezapft und anschließend über die Klimaanlage in die Kabine geleitet. Aufgrund geringster technischer Defekte von den Turbinen kann nun TKP – welches ein gängiges Additiv bei Triebwerksölen ist – in die Kabine gelangen. In diesem Kontext wird das Einatmen von giftigen Ölgasen innerhalb einer Flugzeugkabine als „Fume Event“ bezeichnet.

 

In Österreich sind gemäß Zivilluftfahrt-Meldeverordnung (ZMV) derartige Vorfälle meldepflichtig. Das Auftreten von kontaminierter Kabinenluft auf einem Flug muss an die Zentrale Meldestelle der Austrocontrol berichtet werden. Diese Meldung kann sowohl durch den Piloten selbst als auch durch den Halter eines Luftfahrzeuges, einen Wartungsbetrieb oder durch andere Besatzungsmitglieder erfolgen.

 

Sind diese giftigen Dämpfe in höherer Konzentration in der Kabinenluft enthalten, erinnern diese häufig an den Gestank alter Socken. Betroffene klagen über Symptome wie Atemnot, Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerz, Schwindelgefühle, Koordinationsprobleme und Sehstörungen. Darüber hinaus kann es auch zu Lähmungserscheinungen oder neurologischen Langzeitdefekten des Nervensystems kommen. Symptome bzw. gesundheitliche Beschwerden, die auf das Einatmen kontaminierter Kabinenluft in Flugzeugen zurückzuführen sind, werden häufig unter dem Begriff des „aerotoxischen Syndroms“ zusammengefasst.


Die mögliche Gesundheitsgefährdung ist bereits seit Jahren bekannt. Beispielsweise berichtete das ARD-Wirtschaftsmagazin Plusminus am 3.2.2009 über kontaminierte Kabinenluft an Bord von Verkehrsflugzeugen. Die Redakteure hatten in den vorangegangenen Monaten gemeinsam mit Kollegen vom Schweizer Fernsehen SF Proben in Maschinen diverser Fluggesellschaften genommen und diese durch das Labor der Universität von British Columbia, Department of Health and Epidemology, Professor Christaan van Netten, auswerten lassen. Ganze 90 Prozent der Proben wiesen Rückstände von TKP auf. Das österreichische Luftfahrtmagazin Austrian Wings berichtete am 24.5.2010 ebenfalls über die Problematik der kontaminierten Kabinenluft. In diesem Artikel wird unter anderem der Umgang der Airlines mit diesem Thema geschildert. Dieser lautet in entsprechenden Auszügen wie folgt: “(…)Die Fluglinien nehmen sich des Problems nur sehr zögerlich und widerstrebend an, beziehungsweise spielen es auf eine reine Geruchsbelästigung herunter. Passagiere und Besatzungsmitglieder werden über die möglicherweise gesundheitsgefährdende Belastung durch TCP im Unklaren gelassen. Die Pilotenvereinigung Cockpit sieht darin auch die Angst vor möglichen Schadenersatzforderungen betroffener Passagiere und Mitarbeiter. (…) Für Jörg Handwerg ist es jedoch höchste Zeit und “unabdingbar, dass die Fluglinien hier schnellstmöglich eine flächendeckende Untersuchung durchführen, d.h. auf allen geflogenen Mustern und dort auf verschiedenen Maschinen um entweder den Verdacht auf toxische Stoffe in der Kabinenluft auszuschließen oder ihn zu bestätigen. Sollte der Verdacht bestätigt werden, erwarten wir, dass man schnellstmöglich Filter entwickelt und verbaut um die Menschen zu schützen. Bis diese verfügbar sind, brauchen wir zumindest eine Warnanzeige im Cockpit um die Gefahr erkennen zu können. (…)”

 

In diesem Zusammenhang wurden in anderen Ländern bereits parlamentarische Anhörungen durchgeführt. (Senat Inquiries 2001, Australien/ House of Lords, UK 2003/ Anhörung im Tourismusausschuss des Deutschen Bundestages, BRD 2011).

 

 

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie folgende

 

 

ANFRAGE

 

1.    Wie viele Fälle, die im Zusammenhang mit kontaminierter Kabinenluft stehen, wurden seit 2008 gemeldet? (z.B. Fume/Smoke Event Smoke oder Low Oil Pressure)

2.    Gab es Vorfälle, bei denen das Flugpersonal und/oder die Passagiere im Anschluss medizinisch betreut werden mussten?

3.    Gibt es in diesem Zusammenhang Flugzeugmuster, die besonders häufig in solche Vorfälle verwickelt sind?

4.    Welche Sanktionsmaßnahmen sind vorgesehen, wenn solche verpflichtenden Meldungen unterbleiben?

5.    Wurden in diesem Zusammenhang Sanktionsmaßnahmen bei Anlassfällen vorgenommen? Wenn ja, wie sahen diese aus?

6.    Wie beurteilen Sie bzw. Ihr Ressort die Problematik der kontaminierten Kabinenluft (insbesondere mit TKP)?

7.     Gibt es in diesem Zusammenhang Überlegungen, die Zivilluftfahrt-Meldeverordnung bei Störfällen mit kontaminierter Kabinenluft zu überarbeiten?

8.    Welche Maßnahmen wurden ergriffen, um mögliche gesundheitliche Gefahren ausschließen zu können?

9.    Wie beurteilen Sie bzw. Ihr Ressort die gesundheitliche Gefährdung für Risikogruppen (wie z.B. Besatzungsmitglieder, Vielflieger, Schwangere, Kleinkinder bis 7 Jahre und Asthmakranke)?

10. Wie beurteilen Sie bzw. Ihr Ressort den Vorschlag, Luftfahrzeugbetreibern das Nutzen von TKP-freien Triebwerksölen vorzuschreiben?

11. Wie beurteilen Sie bzw. Ihr Ressort den Vorschlag, Luftfahrzeugbetreibern den Einbau entsprechender Filteranlagen vorzuschreiben?

12. Wie beurteilen Sie bzw. Ihr Ressort den Vorschlag, Luftfahrzeugbetreibern den Einbau entsprechender Sensoren zur Messung von Giftstoffen in der Kabinenluft vorzuschreiben?

13. Besteht derzeit ein Informationsaustausch zwischen Ihrem Ressort und der Luftfahrtindustrie bezüglich kontaminierter Kabinenluft?

14. Wenn ja, wie ist dieser ausgestaltet und welche Problembereiche wurden bisher behandelt?

15. Wenn nein, warum nicht?