9654/J XXIV. GP
Eingelangt am 28.10.2011
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möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Erwin Preiner
und GenossInnen
an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
betreffend Einsatz von Antibiotika bei der Fütterung in der Nutztierhaltung
Anlässlich des heurigen Weltgesundheitstages machte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zum wiederholten Male auf den zu häufigen und falschen Gebrauch von Antibiotika in der Medizin und in der Viehzucht aufmerksam und bezeichnet in diesem Zusammenhang die Antibiotikaresistenz als Gefahr der Zukunft.
Österreich galt, was Antibiotikaresistenzen betrifft lange Zeit als „Insel der Seligen“, allerdings bereiten neuerdings besonders resistente Darmbakterien größere Sorgen, da nur noch vier von zehn E.Coli-Stämme sprechen in Europa nur mehr auf Antibiotika an, in Österreich sind es nur jeder zweite.
Im Mai dieses Jahres befasste sich das europäische Parlament in Straßburg mit den Risiken einer höheren Antibiotikaresistenz bei Nutz- und Haustieren, worauf ein Entschließungsantrag gegen den Anstieg von Antibiotikaresistenz bei Tieren mehrheitlich angenommen wurde. Nicht unerwähnt bleiben darf in diesem Zusammenhang, dass sich der EU-Rat seit 2002 in Form eines Aktionsplans mit einer Antibiotikastrategie befasst. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf den positiven Beispielfall Schweden, wo Antibiotika-Anwendung seit 1986 verboten und nur zu therapeutischen Zwecken erlaubt ist.
Im Sommer dieses Jahres erregte die Pressemeldung über die erste strafrechtliche Verurteilung eines Landwirtes seit 2002 größere Aufmerksamkeit. Aufgrund eines schweren Verstoßes gegen das Tierarzneimittelkontrollgesetz und der möglichen Gefährdung der menschlichen Gesundheit wurde ein als Besamungstechniker tätiger Landwirt aus Niederösterreich, der Tiermedikamente - darunter Antibiotika - bezog und diese selbst an landwirtschaftliche Nutztiere illegal verabreichte oder an Landwirte weiter verkaufte.
Die Tierärztekammer kommentierte in diesem Zusammenhang den Vorfall damit, dass bislang nur Verwaltungsstrafen ausgesprochen wurden und setzte auf die abschreckende Wirkung dieses Urteils.
Somit existieren im Bereich der Anwendung von Tierarzneimitteln wirksame Instrumente durch das Tierarzneimittelkontrollgesetz.
Eine weitere Problematik, die bisher zu wenig beachtet wurde ist die Einhaltung der Wartezeit nach der Verabreichung des Medikaments, sodass etwa Geflügelfleisch frei ist von bedenklichen Antibiotikarückständen.
Arzneimittelwirkstoffe, insbesondere Antibiotika, werden in der Nutztierhaltung auch mit der Fütterung in beträchtlichen Mengen eingesetzt: Schätzungen zufolge werden rund 50% der in Europa eingesetzten Antibiotika Tieren verabreicht. Vor allem in der Schweine- und in der Geflügelmast dürften die Tiere mehrmals in ihrem Leben mit Antibiotika behandelt werden - sowohl therapeutisch, als auch nur prophylaktisch. Bei auftretenden Krankheiten müssen aufgrund der hohen Tierdichte in der Regel nicht nur einzelne Tiere, sondern ganze Bestände behandelt werden.
Der Einsatz von Antibiotika zur Prophylaxe fordert die Resistenz gegen antimikrobielle Wirkstoffe - und so ist die zunehmende Antibiotika-Resistenz von Haus- und Nutztieren in den letzten Jahren zu einem enormen Problem geworden. Auch das Europäische Parlament hat die Gefahr durch Resistenzbildungen erkannt und fordert in einem gemeinsamen Entschließungsantrag vom Juni 2011 (B7-0295/2011) schärfere Kontrollen und auf lange Sicht eine Tierhaltung ohne Antibiotika.
Antibiotikaresistenzen sind nicht nur ein Problem der Tiermedizin; die in der Tierzucht verabreichten Medikamente und deren Abbauprodukte gelangen über Gülle, Jauche oder Festmist in die Umwelt und in das Grundwasser und können über die Lebensmittelkette auch beim Menschen als Verursacher für resistente Bakterien fungieren.
Zur Erfassung der Zusammenhänge von Antibiotika und der Entwicklung von Resistenzen gibt es bereits umfangreiche Arbeiten im Bundesministerium für Gesundheit zur Erfassung des Arzneimitteleinsatzes und zur Abschätzung des Gesamtverbrauchs von Antibiotika in der Nutztierhaltung (siehe „Resistenzbericht Österreich AURES 2009“; www.bmg.gv.at).
Im Bereich der Verfütterung gibt es im Futtermittelrecht zugelassene Fütterungsarzneimittel, die häufig eingesetzt werden. Ein Beispiel ist die EU-weite Zulassung des Futtermittelzusatzstoffes Nicarbazin mit Verordnung (EU) Nr. 875/2010 der Kommission vom 5. Oktober 2010. Mit der Zulassung dieses Arzneimittels als „Futtermittelzusatzstoff" wird unter sonstige Bestimmungen, Punkt 5, ein Resistenzüberwachungsprogramm vorgeschrieben: „Ein Programm zur Überwachung nach Inverkehrbringen auf Resistenz gegen Bakterien und Eimeria spp ist vom Zulassungsinhaber vorzusehen und durchzuführen.“ In der Studie der Europäischen Lebensmittelbehörde, EFSA, „Scientific Opinion on the safety and efficacy of Koffogran (nicarbazin) as a feed additive for chickens for fattening“, veröffentlicht im EFSA Journal 2010; 8(3):1551; wird festgestellt, dass das Risiko für Oberflächenwässer jedoch nicht bewertet werden konnte.
Ein Beitrag für Resistenzbildungen könnten auch illegal in Futtermittel eingesetzte Arzneimittel sein. Der Kontrolle von Futtermittel auf Arzneimittelrückstände ist daher entsprechende Bedeutung beizumessen.
Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft nachstehende
Anfrage:
1. Wie viele Untersuchungen auf Arzneimittelrückstände wurden in Futtermitteln, die keine Arzneimittel deklariert haben, im Jahr 2010 durchgeführt?
Auf welche Stoffe wurde analysiert (Aufschlüsselung nach Stoffen: Anzahl der Untersuchungen und Anzahl der Proben über der Bestimmungsgrenze)?
2. Wie viele Untersuchungen auf Zusatzstoffe der Kategorie „Kokzidiostatika und andere Arzneimittel“ wurden in Futtermitteln, die keine derartigen Zusatzstoffe deklariert haben, im Jahr 2010 durchgeführt?
Auf welche Stoffe wurde analysiert (Aufschlüsselung nach Stoffen: Anzahl der untersuchten Proben und Anzahl der Proben über der Bestimmungsgrenze)?
3. Welche Resistenzen wurden in Bakterien, wie E. Coli, die in Futtermitteln gefunden wurden, festgestellt?
In wie vielen Proben waren resistenten Bakterien festzustellen?
4. Welche Auswirkungen hat die Anwendung des Futtermittelzusatzstoffes „Nicarbazin“ auf Oberflächenwässer, deren Mikroorganismen und Fische (unter Berücksichtigung der Abbauprodukte von Nicarbazin)?
5. Welche Ergebnisse hat das Programm zur Überwachung auf Resistenzen auf Nicarbazin des Zulassungsinhabers?
Wann ist mit einer Veröffentlichung dieser Ergebnisse zu rechnen?
6. Welche Meinung hat Österreich im Ständigen Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit betreffend Zulassung von Nicarbazin eingenommen?