9665/J XXIV. GP

Eingelangt am 31.10.2011
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde an den/die Bundesministerin für Justiz

betreffend Einstellung der Ermittlungen gegen die SOKO Bekleidung

BEGRÜNDUNG

 

Am 9.5.2011 gelangte bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft (KStA) eine Sachverhaltsdarstellung des AbgzNR Mag. Albert Steinhauser ein, die das möglicherweise kriminelle Vorgehen von Mitgliedern der SOKO „Bekleidung“ vor und während des Wiener Neustädter „Tierschutzprozesses“ betraf. Die darauf eingeleiteten Ermittlungen der KStA wurden am 1. August eingestellt, die Opfer wurden über die Hintergründe der Einstellung am 19. August in einer Einstellungsbegründung informiert.

Die rasche Einstellung hat einen fahlen Beigeschmack. Die vorliegende Aktenlage lässt nämlich den Schluss zu, dass der Tierschutzprozess von der SOKO „Bekleidung“ geradezu herbeiermittelt wurde, indem man Ermittlungsergebnisse höchst einseitig interpretierte und selbst entschied, welche Aktenteile an die zuständige Staatsanwaltschaft übermittelt werden.

Es scheint gerade so als würde die ex-ante Annahme einer kriminellen Organisation nicht nur umfassendste strafprozessuale Ermittlungsmethoden ermöglichen, sondern im Nachhinein auch die Polizei vor jeglicher Verantwortung schützen. Die Einschätzung der KStA lautet, dass solange die Annahme der Polizei, dass trotzt Vorliegens von zahlreicher entlastender Ermittlungsergebnissen, noch immer von einer kriminellen Organisation auszugehen sei, nicht komplett den allgemeinen Menschenverstand widerspricht, kann man ihr auch nicht unterstellen, befugnismissbräuchlich gehandelt zu haben.  Fazit: Solange man die Polizei für unwissend genug hält, kann sie auch nicht wider besseres Wissen handeln!


So bleibt es ohne Konsequenz, wenn entlastende Beweismittel nicht an die Justiz weitergegeben werden, denn die Annahme, dass die Tierschützer eine Doppelstrategie (legal/illegal) verfolgten, klingt noch irgendwie vertretbar, und selbst wenn Sachverhalte nur „ungenau“ an das Gericht übermittelt werden, ist das halt der Tatsache geschuldet, dass eine genaue Zuordnung bei einem so amorphen Gebilde wie einer kriminellen Organisation eben nicht immer so einfach ist. In der Einstellungsbegründung heißt es dazu auf Seite 12, „dass für die Beurteilung des Tatgeschehens nach § 278a StGB mit Blick auf die Vielzahl der einzelnen, teils wenig bestimmten Tatbestandsmerkmale die klassische Prüfung von konkreten Be- und Entlastungsbeweisen schwierig, wenn nicht unmöglich ist.“

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Auf Seite 11 der Einstellungsbegründung kommt die Sachbearbeiterin zum Schluss, dass es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung fehle, ob eine Verpflichtung zur Einbeziehung sämtlicher in einem wie immer gearteten Zusammenhang zum Strafverfahren stehenden Erkenntnisse/Unterlagen/Ermittlungsergebnisse in dieses besteht, selbst wenn es ihnen an einem konkreten Beweiswert mangle. Wie ist diese Schlussfolgerung mit der Entscheidung OGH 17.02.2005, 15 Os 129/04 vereinbar, in dessen Rechtsatz es unter anderem heißt „Ein durch Nichtvorlage von Beweismitteln seine einschlägige Befugnis wissentlich missbrauchender Gendarmeriebeamter, der mit dem Vorsatz handelt, die Republik Österreich und den Angezeigten an ihren Rechten auf vollständige Aufklärung des Sachverhalts und Vorlage des gesamten Beweismaterials zwecks Überprüfung durch das zuständige Gericht zu schädigen, verantwortet Amtsmissbrauch. Der Rechtsschädigungsvorsatz muss sich nicht auch auf einen unrichtigen Verfahrensausgang erstrecken.“?

2)    Sehen Sie einen Bedarf nach einer ausdrücklichen Regelung, die normiert, inwieweit eine Verpflichtung zur Einbeziehung sämtlicher in einem wie immer gearteten Zusammenhang zu einem Strafverfahren stehenden Erkenntnisse/Unterlagen/Ermittlungsergebnisse besteht?

3)    Wenn ja, wann wird ein entsprechender Entwurf fertig sein?

4)    Wenn nein, warum nicht?

5)    Obliegt es insbesondere den justiziellen oder den polizeilichen Strafverfolgungsbehörden zu entscheiden, ob Ermittlungsergebnissen ein konkreter be- oder entlastender Beweiswert zukommt?


6)    Die VE war unmittelbare Zeugin von mindestens 9 angeklagten Tathandlungen. Die VE ist insofern ein wesentliches Beweismittel, als sie ihre Beobachtungen machen konnte, ohne die Ideologie der Tierschützer zu teilen. Wie kann sichergestellt werden, dass zukünftig in ähnlichen Fällen die Ergebnisse der VE auch tatsächlich Gegenstand der Hauptverhandlung werden?

7)    Wie kann zukünftig sichergestellt werden, dass kriminalpolizeiliche Tätigkeiten auch ausschließlich nach den Regeln der StPO erfolgen?

8)    Werden Sie zukünftig sicherstellen, dass Beschuldigte eines Strafverfahrens nach Beendigung einer VE, im Zusammenhang der Ihnen zur Last gelegten Taten, jedenfalls über die Durchführung der VE verständigt werden?

9)    Auf Seite 3 der Einstellungsbegründung kommt die Sachbearbeiterin zum Schluss, dass die VE offenbar keine entlastenden Wahrnehmungen gemacht habe. Wie kann diese Schlussfolgerung gestützt werden, wenn
Jürgen F. deshalb angeklagt wurde, weil er die kriminelle Organisation folgendermaßen unterstützt haben solle:
„zwischen 10.8.2007 und 13.8.2007 in Appelscha/NL durch Kontaktaufnahme und Erfahrungsaustausch mit ausländischen Tierrechtsaktivisten sowie Teilnahme an Schulungen zwecks Verwertung des dort erworbenen Wissens und dem Einsatz von geknüpften Kontakten für Organisationszwecke“ ON 1483 Punkt VI) B) 2) c) ff)
laut dem Bericht der VE aber Jürgen F. am inkriminierten Treffen gar nicht teilgenommen (VE-Bericht S 31) habe, was sich im Übrigen mit seiner von Anfang an geäußerten Verantwortung deckt?

10) Teilen Sie die Rechtsauffassung wonach sich das Recht auf Akteneinsicht nicht auf jegliches Ermittlungsergebnis, sondern nur auf relevante Ermittlungsergebnisse bezieht?

11) Auf Seite 3 der Einstellungsbegründung kommt die Sachbearbeiterin zum Schluss, dass der Anzeiger keine Beweise für die Gesprächsinhalte zwischen ObstLt Böck und HR-Richterin Astrid Toifl-Goster nennt, sondern ua bloß auf einen von der Richterin verfassten AV über das geführte Telefonat verweist. Wieso handelt es sich bei dem von der HR-Richterin erstellten AV um keinen Beweis?

12) Teilen Sie die auf Seite 4 der Einstellungsbegründung geäußerte Ansicht der Sachbearbeiterin, dass es sich bei der Behauptung, es seien bei „fast allen“ der 10 festgenommenen Tierschützern Tarnanzüge, Sturmmützen „und“ Einwegspritzen sichergestellt worden (richtigerweise: 1 Person mit Tarnanzug und Sturmmützen, 5 in der Tierpflege tätige Personen mit Einwegspritzen) um eine bloß ungenaue jedoch nicht wahrheitswidrige Behauptung handelt?


13) Wieso scheint in Hinblick auf den Verdacht einer kriminellen Organisation, der Schluss auf eine Zusammengehörigkeit der in Frage 12 beschriebenen örtlich getrennten Funde keinesfalls unvertretbar, wenn sich die Aussage von ObstLt Böck auf die einzelnen Fundorte bei den einzelnen Tierschützer bezog?