9752/J XXIV. GP

Eingelangt am 14.11.2011
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ANFRAGE

 

 

 

der Abgeordneten Korun, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für Inneres

 

betreffend Abschiebung trotz Verfahrensfehlern?

 

J. Lamin kam 2007 als damals 15-jähriger Asylwerber nach Österreich und sein Antrag auf Asyl noch im selben Jahr abgelehnt. Das Verfahren endete letztlich September 2010 mit der Ablehnung seiner Verwaltungsgerichtshofbeschwerde. Da Lamin zu diesem Zeitpunkt bereits 3 Jahre in Tirol lebte und sich gut integriert hatte brachte er einen Antrag auf eine Niederlassungsbewilligung ein. Dieser wurde von der BH Innsbruck abgelehnt. Dies mit der Begründung, seit der Ablehnung des Asylantrags im Juni 2007  sei "keine maßgebliche Veränderung des Sachverhalts" zu bemerken, dies obwohl er einen breiten Freundeskreis aufgebaut hatte, fließend Deutsch sprach, einen Job als Zeitungsverkäufer und eine Arbeitszusage eines Kunstateliers hatte. Nach seiner Inschubhaftnahme, die zu einer Demonstration von ca. 200 BürgerInnen in Hall/Tirol führte und der Aufhebung der Schubhaft durch den UVS meldete  sich Lamin pflichtbewusst regelmäßig zur Kontrolle bei der Polizei. Am 27. Mai 2011 wurde er bei einem Kontrollbesuch ohne Vorankündigung festgenommen und kurz darauf abgeschoben.

Trotz breiter zivilgesellschaftlicher Proteste gegen seine Abschiebung (die  evangelische Kirche und die Tiroler Grünen machten sich für seinen Verbleib im Land stark, ca. 2.000 Menschen unterschrieben im Internet die Petition für Gewährung eines Bleiberechts für Lamin. Trotz Verfahrensfehlern im Bleiberechtsverfahren hielt das Innenministerium an der Abschiebung fest. Eine Verwaltungsgerichtshof- Beschwerde ist  dazu nun anhängig.



Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 


ANFRAGE:

 

 

  1. Weshalb wurde der abweisende Bescheid des Innenministeriums Lamin erst 10 Tage nach der Ausstellung zugestellt, dies trotz täglichen Nachfragens der RechtsberaterInnen? Entspricht das dem standardmäßigen Vorgehen des Innenministeriums bei der Entscheidung über Berufungen? Falls nein, weshalb wurde in diesem Fall so vorgegangen?

 

 

  1. Weshalb wurde Lamin laut seiner Aussage am 27.5.2011 die telefonische Kontaktaufnahme zu seinem Rechtsberater von diesen BeamtInnen verweigert?

 

  1. Ist ein solches Telefonierverbot nicht gemäß §19 Anhalteordnung rechtswidrig?

 

  1. Weshalb wurde Lamin am 27.5.2011 von den BeamtInnen das Recht, Besuch zu empfangen verweigert? Widerspricht das nicht dem Recht gemäß §21 Abs. 3 Anhalteordnung, wonach „Besuche von Rechtsvertretern, Vertretern inländischer Behörden, diplomatischer oder konsularischer Vertretungen des Heimatstaates sowie von Organen, die durch für Österreich verbindliche internationale Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte eingerichtet sind, oder deren Bedeutung für die Regelung wichtiger persönlicher Angelegenheiten glaubhaft gemacht werden jederzeit im erforderlichen Ausmaß empfangen werden  [dürfen]?“

 

  1. Am 24.5.2011 gab der Sicherheitsreferent der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck-Land in den Medien bekannt, es hätte 30 Anzeigen wegen der Demonstration bzw. Protestaktionen am 9. Mai 2011 in Hall gegeben. Wie viele Personen wurden aufgrund der Demonstration letztendlich angezeigt und aufgrund welchen strafrechtlichen bzw. verwaltungsstrafrechtlichen Verdachts?

 

  1. Wie viele der Angezeigten waren MenschenrechtsaktivistInnen, wie viele teilnehmende PolitikerInnen?

 

  1. Wie viele der Anzeigen

a)    bezüglich der Demonstration im Mai 2011

b)    bezüglich der Begleitungstätigkeit von Personen zu den Kontrollterminen

wurden eingestellt, in wie vielen Fällen wurde Anklage erhoben?

 

  1. Wie viele der Einstellungen bzw. wie viele der Anklageerhebungen  betrafen PolitikerInnen, wie viele AktivistInnen?

 

  1. Wurden Personen, welche die Begleitung zu den täglichen Kontrollterminen Lamin zur Polizeiinspektion in Hall übernahmen, angezeigt und falls ja aufgrund welchen strafrechtlichen oder verwaltungsstrafrechtlichen Verdachts? Falls ja, wie viele der Anzeigen führten zu einer Anklageerhebung, wie viele wurden eingestellt?

 

  1. Weshalb entschied das Innenministerium über die Anfechtung des ablehnenden Bleiberechtsantrags meritorisch, also inhaltlich, anstatt der BH Innsbruck zusätzliche Ermittlungen aufzutragen, damit diese sich mit dem Vorbringen inhaltlich begründet auseinandersetzt?

 

  1. Wurden letztendlich zu der Entscheidungsfindung des Innenministeriums zusätzliche bzw. die fehlenden Fakten bezüglich der Integration ermittelt und in die Entscheidungsbegründung aufgenommen? Falls ja, welche Fakten waren das und inwiefern betrafen diese den bisher fehlenden Zeitraum 2007- 2011?

 

  1.  Inwiefern führten die zusätzlich erhobenen Fakten zum Zeitraum 2007-2010 zu der Bewertung, dass keine maßgebliche Integration vorliege?

 

  1. Weshalb wurde die fortgeschrittene Integration Lamins in Jahren 2007-2011 zuerst von der BH Innsbruck, und dann von Ihnen als nicht maßgeblich für ein Bleiberecht eingestuft? Welche konkreten Tatsachen lagen vor, die für die Ablehnung des Bleiberechts sprachen?

 

  1. Da 4 Jahre Aufenthalt in Österreich, Deutschkenntnisse samt A2-Zeugnis, Einkommen als Zeitungsverkäufer, eine künftige Jobzusage und Aufbau eines Bekannten- und Freundeskreis Ihrer Meinung nach keine hinreichende Integration begründen, was genau hätte Lamin noch zusätzlich vorweisen müssen um Ihrer Rechtsansicht nach als „integriert„ zu gelten?

 

  1. Fließt in das von Ihnen so oft zitierte „öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen“ auch das öffentliche Interesse an dem Verbleib junger, integrierter, arbeitsfähiger Personen im Land, um damit zur Volkswirtschaft beizurtragen, mit ein? Falls ja, inwiefern fließt dieser Faktor mit ein, falls nein, weshalb nicht?

 

  1. Inwiefern floss in Ihre Bewertung von Lamins Integration mit ein, dass rund 2000 Personen eine Petition für den Verbleib von Lamin unterschrieben hatten und in Hall zahlreiche Personen gegen seine Abschiebung protestierten? Wurde dieser Protest als ein Zeichen seiner persönlichen Integration gewertet? Falls nein, weshalb nicht?