9787/J XXIV. GP

Eingelangt am 15.11.2011
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Anfrage

 

 

der Abgeordneten Mag. Stadler, Ing. Westenthaler

Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Schwachstellen im österreichischen Justizsystem

 

Herr Univ. Prof. Dr. Funk stellte am 17. Februar 2011 in einer Pressekonferenz fest, dass es "unübersehbare, zahlreiche und gravierende" Schwachstellen im österreichischen Justizsystem gäbe. Es gäbe Regelungen, die zu einem "archaischen Strafrecht, das eines modernen Rechtsstaates nicht würdig ist", führen. Es komme, so Univ. Prof. Dr. Funk, zu einer "Umkehrung der Verfahrenslogik". „War es bisher so, dass man ermittelt und schaut, was man hat und dann anklagt, so ist es jetzt zu beobachten, dass man erst anklagt und dann schaut, was man findet. Das ist für eine rechtsstaatliche Strafrechtspflege verheerend, das geht an die Grundlagen, das geht an die Wurzeln", so Univ. Prof. Dr. Funk.

Verfolgt man die öffentlich breitgetretenen Verfahren des laufenden Jahres, dann sieht man die Vorwürfe des Verfassungsrechtlers Univ. Prof. Dr. Funk voll bestätigt.

Menschen, vor allem aus dem politischen Nahebereich, werden durch die Medien gezerrt, indem von der Staatsanwaltschaft Verfahren eingeleitet und durchgeführt werden, ohne vorher die Verdachtsgründe bzw. das vorhandene Beweismaterial grundlegend genau überprüft zu haben. Auch werden Verfahren jahrelang am "köcheln" gehalten, obwohl sich die Vorwürfe "in Luft auflösen" und die Einstellung des Verfahrens für die Staatsanwaltschaft blamabel werden könnte.

Offensichtlich wird dabei nicht geachtet, was ein solches nicht sorgfältig aufbereitetes Verfahren für das persönliche und familiäre Leben eines in der Öffentlichkeit stehenden Menschen bedeutet.

 

Die angeführten Abgeordneten richten daher die nachfolgende

 

 

Anfrage:

 

 

1.    Ist Ihnen die Kritik des Univ. Prof. Dr. Funk am Justizsystem bekannt?

 

2.    Wie begegnen Sie den dargestellten Kritikpunkten - insbesondere in Hinblick  auf die Staatsanwaltschaft Wien?


 

3.    Haben Sie diesbezüglichen (Evaluierungs-)Maßnahmen getroffen und, wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht?

 

4.    Wie werden Sie auf die Staatsanwälte einwirken, damit nicht, so wie Herr Univ. Prof. Dr. Funk kritisiert, weiter praktiziert wird, dass zuerst angeklagt und dann geschaut wird, was man findet?

 

5.    Verfolgen Sie den Ablauf von Strafverfahren, an denen großes mediales und öffentliches Interesse besteht bzw. prominente (Polit-)Persönlichkeiten beteiligt sind, insbesondere in Hinblick auf die oft zweifelhafte Vorgangsweise seitens der Staatsanwaltschaften?

 

6.    Kontrollieren Sie insbesondere in Fällen von medialem bzw. öffentlichem Interesse die Verfahrensstände sowie die Dauer der Verfahren?

 

7.    Was werden Sie tun, um Staatsanwälte zu veranlassen, angezeigte Sachverhalte, die sich "in Luft auflösen", durch Zurücklegung der Anzeige oder durch Einstellung der Verfahren schnellstmöglich zu erledigen bzw. zu verhindern, dass derartige Verfahren unverhältnismäßig lange unerledigt bleiben?

 

8.    Können Sie nachvollziehen, welche negativen Folgen für Menschen mit schwebenden Verfahren verbunden sind?

 

9.    Was werden Sie tun, um insbesondere die Staatsanwälte der Staatsanwaltschaft Wien zu veranlassen, die bei ihnen eingelangte Anzeigen gründlicher und seriöser auf ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen, damit nicht „aussichtlose“ Verfahren eingeleitet werden?