9847/J XXIV. GP
Eingelangt am 16.11.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Erwin Spindelberger Genossinnen und Genossen
an die Bundesministerin für Justiz Maga.Drin. Beatrix Karl
betreffend JuristInnen in der Unternehmensberatung.
In den letzten Jahren haben sich Bedürfnisse der Gesellschaft betreffend Beratungsdienstleistungen, sowie der Anforderungen der Wirtschaft an die sogenannten industrienahen Dienstleistungen, zu welchen unter anderem Steuerberatungs-, Unternehmensberatungs- oder aber auch Rechtsdienstleistungen zählen, massivst verändert.
Unter diesem Blickwinkel wurde die österreichische Rechtsordnung massiv ausgebaut und vielfach erweitert. Damit ist, objektiv gesehen, eine umfassende Kenntnis der Normen und ein Überblick über sie kaum mehr möglich. Dabei wird oft vergessen, dass die Bürgerinnen und Bürger bestmöglichste Hilfe benötigen. Dies hat dazu geführt, dass sich in den vergangenen Jahren unzählige Beratungsinstitutionen, vornehmlich auf Vereinsform entwickelt haben.
Der Zugang zu unserem Rechtssystem und der Rechtsschutz ist aber während der letzten Jahre nicht nur schwieriger, sondern vor allem auch immer teurer geworden und erscheint in weiten Bereichen kaum mehr gewährleistet. Dies hat sogar die Europäische Kommission auf den Plan gerufen hat, die derzeit in Österreich noch vorherrschende Wettbewerbssituation bei den freien Berufen deregulieren zu wollen.
Während fast alle Länder der Europäischen Union wie etwa die Bundesrepublik Deutschland, Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Schweden oder die Niederlande bereits über ein modernes Rechtsdienstleistungsgesetz verfügen, muss Österreichs derzeitige gesetzliche Regelung betreffend nichtanwaltliche Rechtsberatung sowohl aus wettbewerbspolitischer als auch aus berufsrechtlicher Sicht als die restriktivste Europas bezeichnet werden.
So müssen zum Beispiel in der Bundesrepublik Deutschland seit Inkrafttreten des neuen Rechtsdienstleistungsgesetzes rechtssuchende Unternehmen oder Private nicht wegen jeden Rechtsproblems einen Anwalt konsultieren, sondern können sich diesen Rechtsrat auch von Nichtanwälten einholen, sofern diese Auskunft mit der beruflichen Tätigkeit des Beratenden zusammenhängt.
So können sinnvollerweise Unternehmensberater rechtliche Tipps für Sanierungs- und Insolvenzfälle erteilen oder über Fördermittel beraten, Architekten dürfen Fragen zu Baurecht oder Sachmängelhaftung beantworten, Banken zur rechtlichen Gestaltung von Unternehmensnachfolgen oder Firmenübertragungen Auskunft erteilen. Rechtsdienstleistungen sind in der BRD jedenfalls immer dann zulässig, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören.
In Österreich sieht die Welt hingegen immer noch anders aus. Während nämlich für Steuerberater und Wirtschaftstreuhänder im Rahmen ihrer Ausbildung keine zwingende formaljuristische Ausbildung vorgeschrieben ist um eine Beratung in Rechtsangelegenheiten durchführen zu können, haben Unternehmensberater trotz einer etwaigen Zusatzqualifikation in Form eines abgeschlossenen Studiums der Rechtswissenschaften immer noch keine keinerlei Beratungsbefugnisse.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Worin liegt die Begründung, dass es in Österreich bis zum heutigen Tage noch zu keinem Rechtsberatungs- bzw. Rechtsdienstleistungsgesetz gekommen ist.
2. Was spricht gegen eine außergerichtliche Annexberatung von Unternehmensberatern bei mit ihrem Aufgabenbereich verbundenen Rechtsfragen.
3. Ist, nachdem die scharfe berufsrechtliche Trennung zwischen Rechtsanwalt, Steuer- und Unternehmensberater, Versicherungsmakler etc. und das Verbot der Errichtung von gemeinsamen Gesellschaften von Angehörigen der freien Berufe mit Gewerbetreibenden eine bekannte Achillesferse des österreichischen Wirtschaftsrechts darstellt, daran gedacht interdisziplinäre Gesellschaften zu legitimieren?
4. Wenn nein, warum?
5. Ist daran gedacht, ein Rechtsdienstleistungsgesetz zu verabschieden, welches Unternehmensberatern künftig ermöglicht mit abgeschlossenem Studium der Rechtswissenschaften Rechtsdienstleistungen als Nebenleistungen zu erbringen?