9895/J XXIV. GP

Eingelangt am 18.11.2011
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Neubauer, Dr. Belakowitsch-Jenewein

und weiterer Abgeordneter

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Aussagen und Tätigkeiten von Oberstaatsanwalt Dr. Pleischl

 

 

In der Ausgabe vom15.11.2011 berichtet die Tageszeitung "Der Standard" darüber, dass die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Innsbruck gegen fünf Staatsanwälte wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs mittlerweile abgeschlossen sind und der Ball nunmehr beim Justizministerium liege.

 

Oberstaatsanwalt Pleischl, einer der Verdächtigen, wird darin in Zusammenhang mit den Aussagen der einzigen Zeugin im Entführungsfall Natascha Kampusch mit den Worten zitiert:  "Das ist ja vollkommen egal, was sie (die Zeugin Ischtar A. Anm.) sagt, sie hat subjektiv geglaubt, sie hat zwei Täter gesehen. Na und?"

 

Der Radikale Konstruktivismus als Position der Erkenntnistheorie stellt prinzipiell fest, dass eine Wahrnehmung kein Abbild einer bewusstseinsunabhängigen Realität liefert, sondern dass Realität für jedes Individuum immer eine Konstruktion aus Sinnesreizen und Gedächtnisleistung darstellt. Deshalb ist Objektivität im Sinne einer Übereinstimmung von Bild und Realität unmöglich; jede Wahrnehmung ist dementsprechend vollständig subjektiv.

 

Diese Zeugen-Wertung eines Oberstaatsanwaltes ist jedoch insofern durchaus interessant, da diese Zeugin seit dem Jahr 1998 der einzige Anhaltspunkt der Ermittler war und auch immer davon gesprochen hat, dass sie zwei Täter gesehen hat.

 

Dr. Werner Pleischl ist bereits in der Vergangenheit durch kreative Rechtsauffassung in Erscheinung getreten. So hat er etwa mittels Weisung am 30. März 2005, GZ 2 OStA 347/05s, genehmigt mit Erlass des BMJ vom 18. März 2005, GZ BMJ-4002412/0004-IV 2/2004, drei von sechs Beschuldigten in der Causa "Libro" aus einem Anklageentwurf ausgeschieden. Hiebei handelte es sich um die Beschuldigten Friedrich LIND, August Andre DE ROODE und Dr. Falko MÜLLER-TYL. Die restlichen drei Beschuldigten wurden unter Anklage gestellt und im sogenannten ersten Libro-Prozess verurteilt. Dr. Pleischl hat sich jüngst als Leiter der Generalprokuratur beworben.

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Frau Bundesminister für Justiz folgende

 


ANFRAGE

 

1.    Sind Ihnen die Äußerungen von Oberstaatsanwalt Dr. Werner Pleischl aus dem "Standard" vom 15.11.2011 bekannt?

2.    Ist Ihnen der Sachverhalt der Verdächtigungsstreichungen im Zuge des "Libro-Prozesses" bekannt?

3.    Wurde jemals überprüft, ob es persönliche Verbindungen zwischen Oberstaatsanwalt Dr. Pleischl und den "gestrichenen" Verdächtigen, Friedrich LIND, August Andre DE ROODE und Dr. Falko MÜLLER-TYL, gibt?

4.    Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

5.    Wenn nein, warum nicht?

6.    Wie werten Sie persönlich die Aussage des Oberstaatsanwaltes Pleischl vom 15.11.2011 im Standard zur einzigen Zeugin des Entführungsfalls Kampusch?

7.    Halten Sie diese emotionale Stellungnahme für problematisch?

8.    Wenn ja, warum?

9.    Wenn nein, warum nicht?

10. Sind Ihnen aus der Rechtsgeschichte "objektive Zeugenaussagen" bekannt?

11. Ist die Wertung von Dr. Pleischl bezüglich der "subjektiven Wahrnehmung" der Zeugin, die ja in diesem Zusammenhang durchaus abwertend gemeint war, im Zuge der Wahrheitsfindung in der Causa Kampusch ebenfalls miteingeflossen?

12. Auf Grund welcher Grundlage wird von Oberstaatsanwalt Dr. Pleischl die "subjektive Wahrnehmung" der Zeugin Ischtar A. minder gewertet?

13. Sind Ihnen Umstände bekannt, wonach Oberstaatsanwalt Dr. Pleischl in der Causa Kampusch als befangen zu bezeichnen wäre?

14. Wenn nein, wurde dahingehend schon jemals die Rolle von Oberstaatsanwalt Dr. Pleischl genauer untersucht?

15. Wenn nein, warum nicht?

16. Halten Sie den derzeitigen Oberstaatsanwalt Dr. Pleischl für eine gute Wahl bei der Neubesetzung der Generalprokuratur?

17. Wenn ja, warum?

18. Wenn nein, wäre es nicht angezeigt, den derzeitigen Oberstaatsanwalt Dr. Pleischl bis zur Klärung aller Malversationen zu suspendieren?