996/J XXIV. GP

Eingelangt am 19.02.2009
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Dr. Winter

und weiterer Abgeordneter

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend: Schlampige Besuchsrechtsverfahren am Bezirksgericht Leopoldstadt

 

 

Der Antragssteller eines Besuchsrechtsverfahrens am Bezirksgericht Leopoldstadt mit der Geschäftszahl 53 P 123/08 d klagt über die schlampige Abwickelung seines Verfahrens. Unter anderem soll das Bezirksgericht seit Antragstellung fast ein Jahr gebraucht haben, um den Beschluss nach gängiger Rechtssprechung in Obsorge- und Besuchsrechtsverfahren zuzustellen. Weiters bekrittelt wird, dass die Judikatur in solchen Verfahren nicht dem aktuellen Stand der Forschung- und Wissenschaft entspricht, weshalb zu hinterfragen ist, ob diese Beschlüsse ausreichende Bedachtnahme auf das Kindeswohl nehmen.

 

 

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigenden Abgeordneten an die Frau Bundesministerin für Justiz nachstehende

 

 

ANFRAGE

 

 

  1. Wie viele Obsorgeverfahren waren in den Jahren 2007 sowie 2008 am Bezirksgericht Leopoldstadt anhängig?
  2. Wie viele Obsorgeverfahren am Bezirksgericht Leopoldstadt dauerten in den Jahren 2007 sowie 2008 von Antragsstellung bis zur Beschlussfassung (einzeln aufgelistet)
    1. weniger als 3 Monate
    2. zwischen 3 und 6 Monate
    3. zwischen 6 und 9 Monate
    4. zwischen 9 und 12 Monate
    5. zwischen 12 und 18 Monate
    6. länger als 18 Monate

  1. Wie viele Besuchsrechtsverfahren waren in den Jahren 2007 sowie 2008 am Bezirksgericht Leopoldstadt anhängig?
  2. Wie viele Besuchsrechtsverfahren am Bezirksgericht Leopoldstadt dauerten in den Jahren 2007 sowie 2008 von Antragsstellung bis zur Beschlussfassung (einzeln aufgelistet)
    1. weniger als 3 Monate
    2. zwischen 3 und 6 Monate
    3. zwischen 6 und 9 Monate
    4. zwischen 9 und 12 Monate
    5. zwischen 12 und 18 Monate
    6. länger als 18 Monate
  3. Was sagen Sie zu dem oben geschilderten Sachverhalt mit der Geschäftszahl 53 P 123/08 d?
  4. Wie ist es zu erklären, dass nach Angaben des Antragstellers der Beschluss des angestrebten Besuchsrechtsverfahrens mit Antragstellung vom 04. März 2008 erst am 13. Jänner 2009 zugegangen ist?
  5. Entspricht die unter Punkt 6. genannte Aussage des Antragstellers tatsächlich der Ihnen zugänglichen Sachlage?
  6. Wenn ja, wie ist eine derart lange, in erheblichen Teilen nicht auf die Komplexität der Sache, sondern auf offenkundige Leerläufe zurückzuführende Verfahrensdauer, mit dem Grundsatz des Kindeswohls nach rascher Abhandlung der Obsorge- und Besuchsrechtsverfahren zu vereinbaren?
  7. Weiters soll eine knapp zweiseitige Aussage der Kindesmutter vom 18. März 2008 erst nach vier Wochen protokolliert bzw. zugestellt worden sein. Entspricht dies tatsächlich der Ihnen zugänglichen Sachlage?
  8. Wenn ja, wie ist dies zu erklären?
  9. Entspricht es der Ihnen zugänglichen Sachlage, dass ein vom Antragsteller des Besuchsrechtsverfahrens gestellter Antrag auf Festsetzung eines vorläufigen Besuchsrechts vom März 2008 bis zum Tag der Anfragebeantwortung nicht behandelt wurde?
  10. Wenn ja, wie ist dies zu erklären?
  11. Sind die Familienrichter am Bezirksgericht Leopoldstadt überlastet?
  12. Wie viele Gutachter, die im Rahmen eines Obsorge- und Besuchrechtsverfahren herangezogen werden können, werden derzeit für solche Angelegenheiten am Bezirksgericht Leopoldstadt herangezogen?
  13. Weiters wurde im Beschluss des Besuchsrechtsverfahrens mit der Geschäftszahl 53 P 123/08 d angeführt, dass das Besuchsrecht 14-tägig gewährt werden (Diettrich/Tades, ABGB, Bd I., 36. Auflage, E 106) soll. In einer vom Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz veröffentlichten und dem Antragsteller des Besuchsrechtsverfahrens übermittelten Publikation „Folgen von Vaterentbehrung – Eine Literaturstudie“ von Rotraut Erhard und Herbert Janig wird erwähnt, dass „die Förderlichkeit der in Österreich gerichtlich geregelten Besuchsrechtsausübung bei Scheidungskindern in einem üblicherweise 14tägigen Rhythmus durch die Forschung nicht belegt ist. Zumindest wöchentliche Kontakte können nach neuesten Forschungen bei Scheidungskindern eine ähnliche Vaterbeziehung etablieren wie in Kernfamilien. Der Verlust des Vaters dürfte nach neuester Forschung für Kinder eine größere Belastung darstellen als der elterliche Nachscheidungs-Konflikt.“


Wie ist es möglich, dass das Bezirksgericht Leopoldstadt seine Beschlüsse wissentlich mit einer Rechtssprechung begründet, die nicht dem aktuellen Stand der Forschung und Wissenschaft entspricht und daher laut Publikation eher negative Auswirkungen auf das Kindeswohl hat?

  1. Wie ist es zu begründen, dass sich das Bezirksgericht Leopoldstadt auf die gängige Rechtssprechung beruft und es trotzdem zu einer Verfahrensdauer in dieser Causa von fast einem Jahr kommt?
  2. Ist es in Ihrer Position als Justizministerin vertretbar, dass sich die österreichische Judikatur auf „gängige Rechtssprechungen“ beruft, die nachweislich nicht mehr dem aktuellen Stand der Forschung und Wissenschaft entsprechen?
  3. Welche konkreten Maßnahmen werden Sie ergreifen, um das Obsorge- bzw. Besuchsrechtsverfahren in Österreich so zu reformieren, dass es dem aktuellen Stand der Forschung und Wissenschaft entspricht?
  4. Ist es in Ihrer Position als Justizministerin vertretbar, dass Obsorge- und Besuchsrechtsverfahren, in einer für das weitere Leben des betroffenen Kindes derart wichtigen Angelegenheit, in vielen Fällen jahrelang nicht erledigt werden oder durch schlampige bzw. zeitlich verzögerte Gutachtenserstellung aufgeschoben werden?
  5. Ist dies mit dem Kindeswohl vereinbar?
  6. Welche konkreten Maßnahmen werden Sie unternehmen, damit Obsorge- und Besuchsrechtsverfahren in Österreich rascher abgewickelt werden?
  7. Welche konkreten Maßnahmen werden Sie unternehmen, dass die richterliche Arbeit im Zuge von Obsorge- und Besuchsrechtsverfahren akzeptablen Qualitätsstandards genügt?