9982/J XXIV. GP

Eingelangt am 29.11.2011
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Anfrage

 

der Abgeordneten Gerhard Huber, Mag. Ewald Stadler,

Kolleginnen und Kollegen

 

an Herrn Landwirtschaftsminister Dipl. Ing. Nikolaus Berlakovich

 

betreffend die Enteignung der Tiroler Grundbesitzer als Mitglieder von Agrargemeinschaften („Urbarialgemeinden“)

 

Die Tiroler Landesregierung hat entschieden, geschätzt 18.000 Tirolerinnen und Tiroler, welche Eigentümer von Stammliegenschaften sind und deshalb an sog. Agrargemeinschaften („Urbarialgemeinden“ im Burgenland) Anteilsrechte besitzen, rechtsgrundlos zu enteignen.

(Die Schätzung der Opferzahlen in Tirol von 18.000 ist aus dem „Forderungsprogramm des Agrargemeinschaftsverbandes Westösterreich“ vom November 2011 an die Österreichische Bundesregierung sowie die Landesregierungen in Tirol und Vorarlberg entnommen.)

 

Als Basis dieser rechtsgrundlosen Enteignungsmaßnahmen wurde beim Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs Slg 18.446/2008 vom 11. Juni 2008 angeknüpft und dessen Rechtssätze in eine Novelle zum Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetz LGBl 2010/7 verpackt. Dieses Erkenntnis gründet jedoch auf einem rein fiktiven Sachverhalt. Ein damals unmittelbar vor den Pensionierung stehender Leiter der Tiroler Agrarbehörde hatte in einem Bescheid gegen Agrargemeinschaft Mieders/Tirol „festgestellt“, dass bei der körperschaftlichen Einrichtung der Agrargemeinschaft (vgl. „Konstituierung der Urbarialgemeinde“) die Agrarbehörde „nacktes Recht“ („nudum jus“) zuerkannt hätte. Das Eigentum (die „Substanz“) an den agrargemeinschaftlichen („urbarialgemeinschaftlichen“) Liegenschaften sei der heutigen politischen Ortsgemeinde Mieders zugesprochen worden, weil diese angeblich immer Eigentümerin der Gemeinschaftsliegenschaften gewesen sei. (Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde vom 09.11.2006 AgrB-R741/362-2006).

 

Anknüpfungspunkt für diese falschen Feststellungen im Agrarbehördenbescheid vom 09.11.2006 AgrB-R741/362-2006 des Amtes der Tiroler Landesregierung sind falsche Grundbuchseintragungen aus Anlass der Tiroler Grundbuchanlegung, weil das Eigentum der Agrargemeinde („Urbarialgemeinde“) laufend mit demjenigen der politischen Ortsgemeinden verwechselt wurde.

Diese Fehler in den historischen Grundbüchern in Tirol sind seit Jahrzehnten bekannt. So hat die Tiroler Landesregierung in ihrer Stellungnahme im Gesetzesprüfungsverfahren VfSlg 9336/1982 (1982 !) die Vorgänge im Zuge der Tiroler Grundbuchanlegung wie folgt geschildert: „Bei der Grundbuchsanlegung wurde einmal die Gemeinde, dann wieder eine Nachbarschaft, eine Fraktion, eine Interessentenschaft, die Katastralgemeinde oder die Berechtigten als Miteigentümer eingetragen. Es lag allein im Gutdünken des zuständigen Grundbuchsbeamten, welchen Ausdruck er verwendete.“[1]

 

Diese Fehler in den historischen Grundbüchern Tirols werden heute jedoch kräftig ignoriert. Obwohl jedermann in Tirol weiß, dass die historischen Grundbuchseintragungen auf „Gemeinde“ in Wahrheit auf „Agrargemeinde“ („Urbarialgemeinde“) lauten hätten müssen, weil die politischen Ortsgemeinden nie Eigentümer der Gemeinschaftsliegenschaften waren, wurden die falschen Sachverhaltsfeststellungen gemäß Bescheid der Tiroler Agrarbehörde vom 09.11.2006 AgrB-R741/362-2006 ungeprüft und unbestritten dem Verfassungsgerichtshof zur Beurteilung vorgelegt. Ausgehend von den ungeprüften und unbestrittenen, falschen Sachverhaltsfeststellungen der Agrarbehörde erster Instanz, wonach

a) die heutige Ortsgemeinde und nicht die Agrargemeinde („Urbarialgemeinde“) ehemalige Eigentümerin gewesen sei,

b) bei der Umgründung der Agrargemeinschaft zu deren Gunsten kein Eigentum, sondern „nacktes Recht“ („nudum jus“) festgestellt worden sei,

c) bei der Umgründung der Agrargemeinschaft der Ortsgemeinde das „Substanzrecht“ an den Gemeinschaftsliegenschaften im Sinn von Obereigentum (= Verfügungseigentum) zugesprochen worden sei,

erkannte der Verfassungsgerichtshof mit Erk VfSlg 18.446/2008, dass eine derartige Umgründung rechtswidrig gewesen wäre („offenkundig verfassungswidrig“). Eigentum der Ortsgemeinde sei auf eine Agrargemeinschaft („Urbarialgemeinde“) übertragen worden. Zum Schutz des ehemaligen Eigentums der Ortsgemeinde wäre der „Regulierungsplan“ so zu ändern, dass der „Substanzwert“ aus dem Liegenschaftseigentum ausdrücklich der politischen Ortsgemeinde zugesprochen wird.

 

Ungeachtet der Tatsache, dass der Landesagrarsenat Tirol, mit Erk LAS-889/28-06 vom 16.10.2008 (Folgeentscheidung nach VfSlg 18.446/2008) klargestellt hatte, dass der vom VfGH im Erkenntnis VfSlg 18.446/2008 beurteilte Sachverhalt unter gröblicher Missachtung elementarer Verfahrensgrundsätze zustande gekommen war, weshalb der Bescheid vom 9.11.2006 aufgehoben wurde, hat der Tiroler Landesgesetzgeber die Rechtssätze aus dem Erkenntnis VfSlg 18.446/2008 in einem Landesgesetz umgesetzt. Es wurde eine neue Abteilung beim Amt der Tiroler Landesregierung eingerichtet, welche nach dem Grundsatz vorging, dass der Ortsgemeinde der „Substanzwert“ zustünde, wenn im Zuge der Grundbuchanlegung eine „Gemeinde“ oder „gemeinderechtliche Einrichtung“ („Fraktion“, „Ortschaft“, „Katastralgemeinde“ usw.) einverleibt war.

Im Herbst 2009 wurde der Landesagrarsenat Tirol neu besetzt. Den Agrargemeinschaften, welche in einem Verfahren auf „Feststellung“ geltend machten, dass die heutigen Ortsgemeinden nie einen Eigentumstitel besessen hätten, wurden historische „Eigentumshandlungen“ der Ortsgemeinden (anstatt eines Eigentumstitels) entgegen gehalten. Zudem wurde vom neu besetzten Landesagrarsenat Tirol behauptet, dass im Zuge der Servitutenablösungsmaßnahmen gemäß Tiroler Forstregulierung 1847 (!) die heutigen Ortsgemeinden Eigentum an den Tiroler Wäldern erworben hätten.

 

In einer geänderten Besetzung nach VfSlg 18.446/2008 hat der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 10.12.2010 B 639/10 den Versuch unternommen, die Enteignung der Anteilsberechtigten zu stoppen, ohne formal die Rechtssätze gemäß VfSlg 18.446/2008 aufzugeben. Klargestellt wurde, dass die historischen Grundbucheintragungen unrichtig gewesen sein könnten[2] und dass im historischen Agrarrecht der Begriff „Gemeindegut“ Eigentum einer Agrargemeinschaft bezeichnet habe[3]. Nach dem Gedankenduktus  dieses Erkenntnisses wäre es am Verwaltungsgerichtshof gelegen, im fortgesetzten Verfahren den Enteignungen entgegen zu treten, indem die historischen Eigentumsverhältnisse im Einzelfall geprüft werden.

 

Ende des Jahres 2010 sind drei Verfassungsrichter altersbedingt ausgeschieden; im Frühjahr 2011 krankheitsbedingt zusätzlich Verfassungsrichter Willibald Liehr. In 14 Erkenntnissen vom 30.6.2011 hat der Verwaltungsgerichtshof – mit oder ohne Zusammenhang mit dem Besetzungswechsel im Verfassungsgerichtshof – einigermaßen überraschend entschieden: Während im Erkenntnis VfSlg 18.446/2008 noch klargestellt wurde, dass ehemaliges Eigentum der Ortsgemeinde aufgrund des historischen Grundbuchstandes mangels Bestreitung desselben im Verfahren zu unterstellen war[4], hat der Verwaltungsgerichtshof in diesen Erkenntnissen vom 30.6.2011 die Beweisführung betreffend die historischen Eigentumsverhältnisse abgeschnitten. Wenn die Agrarbehörde in Anwendung eines Tatbestandes entsprechend § 15 Abs 2 lit d FlVerfGG 1951 (idF vor VfSlg 9336/1982) entschieden hätte, sei unwiderleglich ehemaliges Eigentum der Ortsgemeinde kraft Agrarbehördenentscheidung anzunehmen[5]. Ausdrücklich wurde der Beweis des Gegenteils für irrelevant erklärt: Den Agrargemeinschaften wurde beschieden, dass die Eigentumsverhältnisse im Zeitpunkt der Regulierung und vor derselben, ohne Relevanz seien[6], weil die Agrarbehörde offensichtlich durch eine bestimmte Entscheidungstechnik gleichzeitig ehemaliges Eigentum der Ortsgemeinde und künftiges Eigentum der Agrargemeinschaft[7] bindend festgestellt habe. Dadurch sei „atypisches Eigentum“ (mit Substanzwertanspruch der Ortsgemeinde) entstanden[8]. Irrelevant sei, ob die Agrarbehörde richtig entschieden

habe[9]; irrelevant sei auch, wie die Agrarbehörde und wie die Bescheidadressaten die historische Entscheidung verstanden hätten[10].

Dem ausdrücklichen Vorhalt der Agrargemeinschaften, dass die historische Tiroler Agrarbehörde mit dem Begriff „Gemeindegut“ Eigentum einer Agrargemeinschaft bezeichnet hätte, hielt der Verwaltungsgerichtshof entgegen, dass der Spruch der historischen Bescheide objektiv auszulegen sei und dass es deshalb gleichgültig sei, wie die historische Behörde und die seinerzeitigen Bescheidadressaten den historischen Bescheid verstanden hätten[11].

Den Hinweis des Verfassungsgerichtshofs im Erkenntnis B 639/2010  vom 10.12.2010, dass im fortgesetzten Verfahren zu beachten wäre, dass im Vollzugsbereich des TFLG 1935 unter dem Begriff „Gemeindegut“ Eigentum einer Agrargemeinschaft verstanden wurde[12], ignorierte der Verwaltungsgerichtshof und behauptete schlicht das Gegenteil[13]. Dies unter Berufung auf das Erkenntnis VfSlg 9336/1982. Nach diesen Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 30.6.2011 gründet das Substanzrecht der Ortsgemeinde nicht mehr auf historischem Eigentum der Ortsgemeinde, sondern auf Entscheidungen der Agrarbehörde, mögen diese richtig oder falsch gewesen sein.


Im Ergebnis werden solcherart heute tausende Tirolerinnen und Tiroler, morgen tausende Vorarlbergerinnen und Vorarlberger und übermorgen alle Stammliegenschafts­besitzer von Salzburg bis in das Burgenland – samt den Mitgliedern der Burgenländischen Urbarialgemeinden enteignet. Grundlage dieser Enteignungen ist in erster Linie die bereits auf VfSlg 9336/1982 zurückgehende, schlicht falsche Rechtsauffassung, dass das politische Gemeinderecht jede Erscheinungsform von „Gemeindegut“ zum Eigentum der Ortsgemeinde gestempelt hätte[14]. Falsch ist diese Unterstellung schon deshalb, weil diese in offenem Widerspruch mit Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG steht; falsch ist diese Unterstellung deshalb, weil sie die systematische Anpassung der Gemeindeordnungen der Länder ab Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Grundsätze der Flurverfassung[15]  ab dem Jahr 1932 vernachlässigt[16].

 

Grundlage dieser Enteignungen ist die Untätigkeit des Bundesgesetzgebers, der es seit dem Jahr 1982 nicht der Mühe wert befunden hat, sich mit dem Erkenntnis VfSlg 9336/1982 auseinander zu setzen und der es hingenommen hat, dass nach der Aufhebung des Zuständigkeitstatbestandes gemäß § 15 Abs 2 lit d FlVerfGG 1951 wegen mangelhafter Differenzierung in den Rechtsfolgen, die Flurverfassung als Torso zurück blieb.

Grundlage dieser Enteignungen sind die fahrlässigen Unterlassungen insbesondere im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft seit dem Jahr 1982. der Verfassungsgerichtshof hatte eine klarstellende Differenzierung gefordert; weil offensichtlich alles „sehr kompliziert“ erscheint, hat man im Bundesministerium in Untätigkeit verharrt.

Grundlage dieser Enteignungen sind die fahrlässig unterlassenen Klarstellungen, dass die Agrarbehörden mit Feststellungsbescheid über die wahren Eigentumsverhältnisse an allen Liegenschaften in agrargemeinschaftlicher Nutzung entschieden haben und dass es mit der Rechtskraftwirkung dieser Entscheidungen (§ 14 Agrarverfahrensgesetz) völlig unvereinbar ist, dass diese nachträglich als „Eigentumsübertragungen“ hingestellt werden.

Grundlage dieser Enteignungen ist ein offenkundiger Strukturmangel im „Privatrecht der ländlichen Bodenordnung“, insoweit die Gemeinschaftsliegenschaften betroffen sind: Die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts und die Agrarbehörden, welche das Bodenreformrecht vollziehen, unterstellen, dass im Bodenreformrecht, obwohl es sich um Sonderprivatrecht handelt, die fundamentalen Rechtsprinzipien der Rechtsvernichtung durch Verfristung beziehungsweise des Rechtserwerbes durch gutgläubige Rechtsausübung (Verjährung und Ersitzung) keine Geltung beanspruchen würden. Beispielsweise wurde im Fall der Mutterer Alm (Tirol) durch den Verwaltungsgerichtshof ein Substanzwertanspruch der Ortsgemeinde Mutters unterstellt, obwohl die Agrarbehörde bereits im Jahr 1925 entschieden hatte, dass der Ortsgemeinde weder ein Anteilsrecht an der Agrargemeinschaft, noch das Eigentumsrecht zusteht. 85jähriger gutgläubiger Rechts- und Sachbesitz aufgrund eines seit 85 Jahren rechtskräftigen Bescheides mit Urteilswirkung gemäß § 14 Agrarverfahrensgesetz soll heute erhobenen Ansprüchen der Ortsgemeinde auf den Substanzwert nicht entgegen stehen (VwGH vom 15.09.2011 Zl 2010/07/0140 und Zl. 2011/07/0041).

 

Als Ergebnis dieser bald 30jährigen Versäumnisse insbesondere im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft droht ein Österreich weiter „juristischer Flächenbrand“, der schon jetzt das gesamte agrargemeinschaftliche Eigentum österreichweit (!) in Rechtsunsicherheit hüllt und Agrargemeinschaften und Ortsgemeinden auf Jahrzehnte in Rechtsstreitigkeiten versinken lassen wird.

Bereits heute stehen rund dreihundert Tiroler Agrargemeinschaften mit den jeweiligen Ortsgemeinden im Streit über das neue „Sachenrecht Substanzwert“.

Bereits heute stehen rund 1000 Tiroler Stammliegenschaftsbesitzer gemeinsam mit ihrer Agrargemeinschaft im Streit gegen die jeweiligen Ortsgemeinden – Tendenz steigend.

 

Weil selbstverständlich auch das gesamte geteilte agrarische Eigentum aus Gemeindegut entstanden ist, wird das neue „Sachenrecht Substanzwert“ in Bälde auch das geteilte agrarisch genutzte Eigentum erfassen.

Dies ist nur konsequent. Wenn Art 7 Staatsgrundgesetz für das ungeteilte Gemeinschaftseigentum keine Geltung mehr besitzt, warum soll nicht auch das aus historischen Teilungen des Gemeindegutes hervorgegangene Einzeleigentum mit dem Substanzrecht der Ortsgemeinde belastet sein? In der Tiroler Ortsgemeinde Münster wurden erst in den letzten 20 Jahren rund 200 ha „Gemeindegut“ mit Agrarbehördenbescheid auf rund 100 Stammliegenschaftsbesitzer von Münster aufgeteilt. Wenn die agrarbehördliche Entscheidung über die Eigentumsverhältnisse die „Eigenschaft Gemeindegut“ nicht beseitigen kann, findet sich das „Sachenrecht Substanzanspruch“ der Ortsgemeinde selbstverständlich auch in solcherart Geteiltem. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Ortsgemeinde Münster den Versuch unternehmen wird, diese Teilungen „rückabzuwickeln“. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Ortsgemeinde Münster in einem Mega-Rechtsstreit gegen ca. 100 Gemeindebürger um ca. 200 ha aufgeteiltes „Gemeindegut“ versinken wird.

 

Als Ergebnis bald 30jährigen Versäumnisse insbesondere im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft droht offensichtlich dem „Privatrecht der ländlichen Bodenordnung“ der „Super-Gau“: Das Grundbuch wird zur Makulatur; die Ortsgemeinden  liegen mit Agrargemeinschaften und Gemeindebürgern im Streit; die streitverfangenen Liegenschaften sind für sinnvolle Wirtschaftsaktivitäten auf Jahre und Jahrzehnte blockiert. Es droht der völlige wirtschaftliche Stillstand.

 

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft folgende

 

Anfrage:

 

1.      Ist Ihnen der vorstehend geschilderte Sachverhalt bekannt?

2.      Welche Überlegungen des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft rechtfertigen es, dass das Erkenntnis VfSlg 9336/1982 seit rund 30 Jahren ignoriert wird?

3.      Welche Überlegungen des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft rechtfertigen es, dass seit rund 30 Jahren die erforderlichen Differenzierungen im Bodenreformrecht betreffend Gemeindegut nicht gesetzlich umgesetzt werden?

4.      Beabsichtigt der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft gesetzliche Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass der „Restitutionsanspruch der Ortsgemeinden“ (Pernthaler, Öhlinger) beziehungsweise das neue „Sachenrecht Substanzwert“ nicht auch das geteilte Einzeleigentum erfasst? Wenn nein, warum nicht?

5.      Welches Risiko besteht für die „Eigentümer“ von geteiltem Gemeindegut, welches diese in den letzten vierzig Jahren aufgrund Teilungsbescheid der Agrarbehörde erworben haben? Welches Risiko besteht für die „Eigentümer“ von geteiltem Gemeindegut, welches länger als 40 Jahre im Einzelbesitz steht?

6.      Ist es sachgerecht, wenn im Sonderprivatrecht der ländlichen Bodenordnung dann, wenn es sich um geteiltes Eigentum handelt, sehr wohl Ersitzung und Verjährung greifen, dass solches jedoch angeblich nicht gelten soll, wenn es sich um ungeteiltes Gemeinschaftseigentum handelt?

7.      Beabsichtigt der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft eine Gesetzesinitiative um den Instrumenten der Verjährung und Ersitzung auch im Sonderprivatrecht der Gemeinschaftsliegenschaften zum Durchbruch zu verhelfen? Wenn Nein, warum nicht?

8.      Erachtet es der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft rund 160 Jahre nach Umsetzung der Grundentlastung in Österreich und somit rund 160 Jahre nach der Überwindung des feudalen Obereigentums in Österreich als zeitgemäß und richtig, dass die historischen Gemeinschaftsliegenschaften, heute im Organisationsmodell der körperschaftliche eingerichteten Agrargemeinschaft, einem neuen „Verfügungseigentum“ des Staates, dem „Substanzwertanspruch“ der Ortsgemeinde (dem Restitutionsanspruch der Ortsgemeinde) unterworfen werden? Wenn ja, warum?


9.      Erachtet es der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft rund 140 Jahre nach Inkrafttreten des Art 7 Staatsgrundgesetz, wonach die Neubegründung von geteiltem Eigentum untersagt wurde, für angemessen und zweckmäßig, wenn die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts wegen Untätigkeit des Ministers für Land- und Forstwirtschaft im Zusammenhang mit der nötigen Reparatur des FlVerfGG 1951 nach VfSlg 9336/1982 unter dem Titel eines neuen Regalitätsrechtes „Gemeindegut“ geteiltes Eigentum entgegen Art 7 StGG 1967 neu erschaffen? Wenn ja, warum?

10. Erachtet es der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft für sachgerecht und angemessen, dass die Tiroler Agrarbehörde im Bescheid vom 09.11.2006 AgrB-R741/362-2006 des Amtes der Tiroler Landesregierung (Sachverhaltsgrundlage zu VfSlg 18.446/2008) gerade fünf Monate nachdem der Zivilgesetzgeber mit Deregulierungsgesetz 2006 sämtliche Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches zum geteilten Eigentum aufgehoben hat, weil diese im 21. Jhdt gegenstandslos wären, das „nackte Recht“ (= „nudum jus“) der Gemeindegutsagrargemeinschaften erfunden hat, welches angeblich durch agrarbehördliche Feststellungsentscheidungen über die Eigentumsverhältnisse an Gemeinschaftsliegenschaften entstanden sein soll?

11. Wann wurde dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft bekannt, dass die Tiroler Agrarbehörde im Bescheid vom 09.11.2006 AgrB-R741/362-2006 „erkannt“ hatte, dass Agrargemeinschaften existieren sollen, welchen im Zuge einer agrarischen Operation „nacktes Recht = nudum jus“ zugesprochen worden sein soll? Wie hat der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft darauf reagiert? Wenn keine Reaktion erfolgte, warum nicht?

12. Wann wurde dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft bekannt, dass dem Bescheid der Tiroler Agrarbehörde vom 09.11.2006 AgrB-R741/362-2006 kein Ermittlungsverfahren vorausging und dass kein Parteiengehör gewährt wurde? Wie hat der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft reagiert? Wenn Nein, warum nicht?

13. Wann wurde dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft bekannt, dass ein der Sachverhalt, festgestellt durch die Tiroler Agrarbehörde im Bescheid vom 09.11.2006 AgrB-R741/362-2006, wonach „nacktes Recht = nudum jus“, dh „substanzloses Eigentum“ einer Agrargemeinschaft und „eigentumslose Substanz“ der Ortsgemeinden existieren soll, beim Verfassungsgerichtshof zur Beurteilung ansteht? Wie hat der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft reagiert? Wenn nicht, warum?

14. Wurde der Landeshauptmann in Tirol seitens des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft im Zuge der Vorprüfung der Novelle zum Tiroler Flurverfassungsgesetz im Herbst 2009 darauf hingewiesen, dass das Abwehrecht des Art 7 StGG 1867 gerade und insbesondere deshalb geschaffen wurde, um das landwirtschaftliche Eigentum für immer davor zu schützen, dass die feudale Eigentumsordnung, mit dem Recht des Obereigentums („Verfügungseigentums“) auf Seiten des Staates in Österreich jemals wieder eingeführt wird? Wenn Nein, warum nicht?


15. Erachtet der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft den Substanzwertanspruch der Ortsgemeinden gemäß VfSlg 18.446/2008 sowie Erkenntnis VfGH B1645/10 vom 28.02.2011 mit der Institutionsgarantie des Eigentums (Art 5 StGG 1867) und mit dem Verbot unablösbarer Lasten nach Art des geteilten Eigentums (Art 7 StGG 1867) für vereinbar? Wenn ja, warum?

16. Bezweckt die Konstruktion eines agrargemeinschaftlichen Mitgliedschaftsrechtes, welches Rechtsanspruch auf 100% des Substanzwertes gewährt, eine Umgehung der Institutionsgarantie des Eigentums (Art 5 StGG 1867) oder des Verbotes unablösbarer Lasten nach Art des geteilten Eigentums (Art 7 StGG 1867) oder läuft die Konstruktion eines agrargemeinschaftlichen Mitgliedschaftsrechtes, welches Rechtsanspruch auf 100% des Substanzwertes gewährt, zumindest in ihren rechtlichen Grundlagen auf eine Umgehung der Art 5 und 7 StGG 1867 hinaus? Wenn Nein, warum nicht?

17. Worin besteht der Unterschied in den praktischen Auswirkungen zwischen dem feudalen Obereigentum der Grundherren, welchem mit Art 7 StGG 1867 für alle Zeiten vorgebeugt werden sollte, und dem Substanzrecht der Ortsgemeinden gemäß VfSlg 18.446/2008 sowie Erkenntis VfGH B1645/10 vom 28.02.2011?

18. Beschränkt sich dieser Unterschied zwischen dem feudalen Obereigentum der Grundherren, welchem mit Art 7 StGG 1867 für alle Zeiten vorgebeugt werden sollte, und dem Substanzrecht der Ortsgemeinden gemäß VfSlg 18.446/2008 sowie Erkenntis VfGH B1645/10 vom 28.02.2011 nach Auffassung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf den Umstand, dass die feudalen Oberherren sich typischer Weise mit 10% alle Erträgnisse zufrieden gaben, während das Substanzrecht gemäß VfSlg 18.446/2008 sowie Erkenntnis VfGH B1645/10 vom 28.02.2011 jedweden Rationalisierungsgewinn umfassen soll, 100% der Produktivitätssteigerung seit der jeweiligen Regulierung und zusätzlich alle Einnahmen aus nicht im Regulierungsbescheid explizit geregelten Wirtschaftsaktivitäten?[17] Wenn Nein, warum nicht?

19. Ist die Konstruktion der Gemeindegutsagrargemeinschaft gemäß VfSlg 18.446/2008 sowie Erkenntnis VfGH B1645/10 vom 28.02.2011, so zu verstehen, dass der Staat in der Erscheinung der politischen Ortsgemeinde alle Erträgnisse des Gemeinschaftsgebietes absaugt, welche über die im historischen Regulierungsplan explizit als land- und forstwirtschaftliche Nutzungen der Mitglieder regulierten Erträgnisse aus dem Eigentum hinaus gehen? Wenn ja, warum? Wenn Nein, warum?

20. Entspricht die Konstruktion der Gemeindegutsagrargemeinschaft gemäß VfSlg 18.446/2008 sowie Erkenntnis VfGH B1645/10 vom 28.02.2011, wonach die in der Agrargemeinschaft (in der Urbarialgemeinde) organisierten Anteilsberechtigten die Arbeit leisten, wohingegen der Staat in der Erscheinung der politischen Ortsgemeinde alle Erträgnisse absaugt, den rechtspolitischen Zielen des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft hinsichtlich der Fortentwicklung des Bodenreformrechts? Wenn ja, warum? Wenn Nein, warum?

21. Findet die Konstruktion eines Anteilsrechts der politischen Ortsgemeinden gemäß VfSlg 18.446/2008 sowie Erkenntnis VfGH B1645/10 vom 28.02.2011, kraft dessen die Ortsgemeinde alle „Substanzerträgnisse“ aus dem Gemeinschaftsgebiet abgesaugt, in §§ 22 und 23 Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 Deckung? Wenn ja, warum? Wenn Nein warum?

22. Ist die vorstehend definierte Konstruktion der Gemeindegutsagrargemeinschaft gemäß VfSlg 18.446/2008 sowie Erkenntnis VfGH B1645/10 vom 28.02.2011 eine Form der Regulierung von Gemeinschaftsliegenschaften, welche dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft vor dem 11.6.2008 (Erkenntnis VfSlg 18.446/2008) bekannt war? Wenn ja, warum? Wenn Nein warum?

23. Glaubt der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, dass ein Regulierungsmodell, wonach ein Teil der Mitglieder die Arbeit leistet und die Verantwortung trägt, während der andere Teil alle Früchte dieser Arbeit absaugt, nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg sichern kann? Wenn ja, warum? Wenn Nein warum?

24. Besteht die Absicht, dieses offenkundig von den Verfassungsrichtern unmittelbar aus der Bundesverfassung „geschöpfte“ Regulierungsmodell der „atypischen Gemeindegutsagrargemeinschaft“ für Gemeinschaftsliegenschaften, im Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 gesetzlich zu regeln? Wenn ja, warum? Wenn Nein warum?

25. Kann die „typische Gemeindegutsagrargemeinschaft“, wo man die Ortsgemeinde als Eigentümerin im Grundbuch findet, ein Mustermodell für die künftige Gestaltung des Wirtschaftskörpers „atypische Gemeindegutsagrargemeinschaft“ darstellen? Wenn ja, warum? Wenn Nein warum?

26. Welche „typischen Gemeindegutsagrargemeinschaften“, wo man die Ortsgemeinde als Eigentümerin im Grundbuch findet, sind dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft bekannt? Wie haben sich diese Wirtschaftskörper in der Praxis bewährt? Welche Jahresergebnisse wurden in den letzten drei abgeschlossenen Wirtschaftsjahren erzielt?

27. Ist dem Herrn Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft bekannt, welche Performance die „typische Gemeindegutsagrargemeinschaft“ Sölden, wo man die Ortsgemeinde Sölden im Grundbuch als Eigentümerin findet und Herrn Bürgermeister Mag. Ernst Schöpf als Agrargemeinschaftsobmann, bei der Bewirtschaftung des Gemeindegutes von Sölden leistet?

28. Ist dem Herrn Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft bekannt, dass im Zuge der Gemeindewirtschaft in Sölden zum Stichtag 31.12.2010 an Bankschulden der Agrargemeinschaft Euro eine Million sechshundertsiebenundachtzigtausend zweihundertachtundsiebzig, 70 (EUR 1,687.278,70) aufgeschlagen wurden?

29. Ist dem Herrn Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft bekannt, dass bei der „typischen Gemeindegutsagrargemeinschaft“ Sölden sowohl im Kalenderjahr 2010, als auch im Kalenderjahr 2009 kein einziger EURO in „Waldpflege und Aufforstung“ investiert wurde und dass trotzdem in beiden Kalenderjahren erhebliche Verluste erwirtschaftet wurden?

30. Bestehen Pläne des Herrn Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, im Zuge einer Novelle zum Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 einer solchen Wirtschaftsgebarung von politischen Ortsgemeinden mit dem Gemeinschaftsgut vorzubeugen?

31. Bekanntlich hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg 9336/1982 Gemeindegut ausnahmslos als Eigentum der Ortsgemeinden definiert, eine Rechtsauffassung, welche der Verfassungsgerichtshof aus den Gemeindeordnungen der Länder abgeleitet wissen wollte. Wurde mit dieser Rechtsauffassung Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG Rechnung getragen? Wenn ja, warum? Wenn Nein, warum nicht?

32. Ist die Auffassung, dass das politische Gemeinderecht auch das „Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung“ als Eigentum der Ortsgemeinde definiere, mit dem positiven Gemeinderecht, insbesondere mit der Tiroler Gemeindeordnung 1935 LG vom 10. Juli 1935 LGBl 1935/36. §§ 79, 114 Abs 3, 117, 120 Abs 2, 140, 164 letzter Satz, Art III LGBl 1935/36 und den Nachfolgebestimmungen im Tiroler Gemeinderecht dazu oder mit der Vorarlberger Gemeindeordnung 1935 LGBl 1935/25 § 102 Abs 3 vereinbar? Wenn ja, warum? Wenn Nein, warum nicht?

33. Wurden die genannten Bestimmungen, nach deren Inhalt ausschließlich das Flurverfassungsrecht zur Regelung der wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse am „Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung“ zuständig ist, über ausdrückliche Intervention des Ministeriums für Land- und Forstwirtschaft im Wege des Bundeskanzleramtes beim Landeshauptmann in Tirol in das Tiroler Gemeindegesetz eingefügt?

34. Hat das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft Einwendungen gegen den Gesetzesbeschluss des Tiroler Landtages vom 26. April 1935 betreffend eine neue Gemeindeordnung für Tirol erhoben, weil derselbe in seinen das Gemeindegut betreffenden Vorschriften Bestimmungen enthielt, die mit dem Flurverfassungs-Grundsatzgesetz (Bundesgesetz vom 2. August 1932, B.256) nicht in Einklang standen?

35. Wurden diese Einwendungen damit begründet, dass gemäß § 15 Abs 2 Punkt d, Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1932 die einer gemeinschaftlichen Benützung nach den Bestimmungen der Gemeindeordnungen unterliegenden Teile des Gemeindegutes Ortschafts-, Fraktionsgutes) als agrargemeinschaftliche Grundstücke anzusehen seine, welche den Bestimmungen der Bundes- und Landesflurverfassungsgesetzes über die Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken, die von den Bestimmungen der Gemeindeordnungen über das Gemeindegut vielfach abweichen, unterliegen?

36. Wurden diese Einwendungen weiters damit begründet, dass die Entscheidung, ob eine Liegenschaft eine agrargemeinschaftliche Liegenschaft ist (§ 17 Bundes-Grundsatz-Gesetz), wie auch ob agrargemeinschaftliches Gemeindegut oder Gemeindevermögen vorliegt (§ 35 Bundes-Grundsatz-Gesetz), dann über den Bestand und Umfang von Anteilsrechten (§ 35 Bundes-Grundsatz-Gesetz), schließlich die Genehmigung der Veräußerung, Belastung und Teilung von agrargemeinschaftlichen Grundstücken (§ 18 Bundes-Grundsatz-Gesetz) jederzeit den Agrarbehörden zustünden? Weiters damit, dass den Agrarbehörden ausschließlich die Teilung und Regulierung agrargemeinschaftlicher Grundstücke zustehe, zu welch letzteren auch das Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung zähle?

37. Wurde Zwecks Abgrenzung der Kompetenzen seitens des Bundeskanzleramtes der Vorschlag gemacht, den gemäß den Flurverfassungsgesetzen als Gegenstand einer Agrargemeinschaft geltenden Teil des Gemeindegutes nicht mehr in den Gemeindeordnungen, sondern ausschließlich in den Landesflurverfassungsgesetzen zu behandeln, da ja dieser Teil des Gemeindegutes für den Gemeindehaushalt ohnehin nahezu gar keine Rolle spiele?

38. Wurde seitens des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft diesem Vorschlag entgegen gehalten, dass die Agrarbehörden bei ihrer damaligen Organisation nicht in der Lage wären, die ihnen in diesem Falle notwendig zufallenden zahlreichen Aufgaben zu erfüllen? Hat das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft weiters großen Wert darauf gelegt, die bisherigen materiellrechtlichen Bestimmungen über das Recht und das Maß der Teilnahme an den Nutzungen dieses agrargemeinschaftlichen Teiles des Gemeindegutes auch weiterhin in der Gemeindeordnung zu belassen, und zwar einerseits wegen des Hinweises auf die Gemeindeordnungen in § 15, Abs 2, Punkt des, Flurverfassungs-Gesetz, vor allem aber um eine längere vacatio legis zu vermeiden, da nicht abzusehen war, wann die Landesflurverfassungsgesetze in Kraft treten würden?

39. Hat sich der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft in der Folge mit dem Minister für Finanzen und dem Bundeskanzleramt dahingehend geeinigt, dass der nach dem Flurverfassungs-Grundsatzgesetz als Agrargemeinschaft geltende Teil des Gemeindegutes von der Gemeindefinanzverwaltung auszunehmen ist; am einfachsten wohl dadurch, dass man bei der Definition des Gemeindeeigentums (beziehungsweise des Gemeindevermögens und Gemeindegutes) diese gemäß § 15 Abs 2 Pkt des Flurverfassungs-Grundsatzgesetz (B 256/1932) agrargemeinschaftliche Liegenschaften ausdrücklich ausnimmt?

40. Hat sich der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft weiters mit dem Minister für Finanzen und dem Bundeskanzleramt dahingehend geeinigt, dass die materiellrechtlichen Bestimmungen über das Recht und Maß der Teilnahme an den Nutzungen dieser nunmehr gemäß § 15 Abs 2 Pkt des Flurverfassungs-Grundsatz-Gesetz als agrargemeinschaftliche Grundstücke geltenden ehemaligen Teile des Gemeindegutes als eigener Abschnitt (Hauptstück) in der Gemeindeordnung zu belassen wären, es aber zu beachten wäre, dass künftig hinsichtlich dieser Agrargemeinschaft die Gemeinde nicht mehr die Stellung einer Behörde, sondern lediglich eines Beteiligten habe?

41. Hat sich der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft weiters mit dem Minister für Finanzen und dem Bundeskanzleramt dahingehend geeinigt, dass in dem Abschnitt der Gemeindeordnungen über Recht und Maß der Teilnahme an den Nutzungen der gemäß § 15 Abs 2 Pkt d Flurverfassungs-Grundsatz-Gesetz agrargemeinschaftlichen Liegenschaften am Schluss folgender Paragraph anzufügen wäre: „Die Bestimmungen dieses Gesetzes über das Gemeindeeigentum (oder „über das Gemeindevermögen und Gemeindegut“) finden auf die gemäß § 15 Abs 2 Pkt des Flurverfassungs-Grundsatz-Gesetz BGBl Nr 256/1932, als agrargemeinschaftliche Grundstücke geltenden einstigen Teile des Gemeindegutes nur insoweit Anwendung, als sie mit dem Flurverfassungs-Grundsatz-Gesetz BGBl Nr 256/1932 und dem Flurverfassungs-Landes-Gesetz nicht im Widerspruch stehen.“?

42. Hat das Bundeskanzleramt zu Zl 156.486-6 (ex 1935). Gemeindegut und Flurverfassungs-Grundsatzgesetz B 256/1932, den Landeshauptmann für Tirol in Innsbruck mit Note vom 1. August 1935 in diesem Sinn angewiesen, die Tiroler Gemeindeordnung 1935 zu ändern?

43. Wurde die Tiroler Gemeindeordnung 1935 entsprechend den Vorgaben des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft im Einvernehmen mit dem Bundeskanzleramt und dem Bundesministerium für Finanzen geändert?

44. Ist dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft bekannt, dass sich an dieser Rechtslage in Tirol in der Folge irgendetwas geändert hätte?

45. Hat das Land Tirol in der Folge die Gemeindeordnungen ohne Wissen und Willen des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft derart geändert, dass das Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung entgegen der Rechtslage gemäß Tiroler Gemeindeordnung 1935 und entgegen den Verfassungsvorgaben gemäß Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG wieder als Eigentum der Tiroler Ortsgemeinden definiert wurde? Wenn ja, mit welcher Novelle zur Tiroler Gemeindeordnung ist dies geschehen? Wenn Nein, wie können der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof die Behauptung aufstellen, dass das Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung in den Gemeindeordnungen des Landes Tirol als Eigentum der Ortsgemeinde definiert sei?

 



[1] Stellungnahme der Tiroler Landesregierung im Gesetzesprüfungsverfahren G 35/81, G 36/81 und G 83/81, G 84/81, zitiert nach VfGH Slg 9336/2982 Pkt I Z 4 der Begründung.

[2] VfGH B 639/10 ua vom 10.12.2010, Pkt II.A 2.3.6.1. Abs 1 der Begründung: „Die Agrarbehörden sind bei Verfahren wie diesem mithin gehalten, die Eigentumsverhältnisse im Zeitpunkt der Regulierung zu klären und dabei alle zur Verfügung stehenden Mittel auszuschöpfen. Maßgebliche Bedeutung wird - schon allein im Hinblick auf § 431 ABGB (Intabulationsprinzip) - regelmäßig dem Grundbuchsstand beizumessen sein. Weiters ist allerdings einerseits zu berücksichtigen, dass Grundbuchseintragungen unrichtig sein können, und andererseits, dass die Verbücherung agrarischer Operationen nur deklarativ die Rechtsänderungen nachvollzieht, die durch die Anordnungen der Agrarbehörde eingetreten sind (so auch OGH 11.2.2003, 5 Ob 2/03k; ebenso in Bezug auf Nutzungsrechte an Agrargemeinschaften VwGH 8.7.2004, 2003/07/0087), weswegen der Grundbuchsstand nicht zwingend die wahren Eigentumsverhältnisse wiedergeben muss.“

[3] VfGH 10.12.2010 B 639/10 ua, Pkt II A 2.3.6.3: „[…] der Bescheid könnte durchaus auch dahin ausgelegt werden, dass die bescheiderlassende Behörde auf den in § 36 Abs 2 lit d des Flurverfassungslandesgesetzes vom 6. Juni 1935, LGBl. Nr. 42, angeführten Begriff "Gemeindegut" im Sinne von "Eigentum der Agrargemeinschaft" abstellte (vgl. hiezu Öhlinger, Das Gemeindegut in der Judikatur des VfGH, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler [Hrsg], Die Agrargemeinschaften in Tirol [2010] 223 [250 f.]) […]"

[4] VfSlg 18.446/2008, Pkt II B Z 2 (Seite 19 oben des Originalerkenntnisses): „Die langjährigen Erfahrungen mit den neuen Verhältnissen lassen auch eine realistische Bewertung durchaus zu. Im Zuge dessen wird auch zu prüfen sein, wie sich eine neue Anteilsfeststellung auf vorhandenes Vermögen der Agrargemeinschaft auswirkt.“

[5]             VwGH 2010/07/0092 Pkt 4. am Ende: „Im vorliegenden Fall bringen die rechtskräftigen Feststellungen in den Bescheiden vom 9. September 1965 und vom 9. Februar 1976, denen zufolge die agrargemeinschaftlichen Grundstücke solche nach § 36 Abs. 2 lit. d TFLG 1952 bzw. § 32 Abs. 2 lit. c TFLG 1969 seien, die Verwaltungsbehörden und auch den Verwaltungsgerichtshof bindend zum Ausdruck, dass diese Grundstücke Gemeindegut im Sinne des § 73 Abs. 3 TGO 1949 bzw. § 76 Abs. 3 TGO 1966, also Gemeindegut im Eigentum der Gemeinde, waren.“

[6]             VwGH 2010/07/0075 vom 30.06.2011 5. Abs 3 „Angesichts dessen erübrigt sich ein Eingehen auf sämtliche im vorliegenden Fall aufgeworfene rechtshistorische Fragestellungen. Darauf, ob die entscheidungswesentliche Feststellung im Bescheid vom 17. Juni 1949 zu Recht getroffen wurde, wie sich die Eigentumsverhältnisse im Zeitpunkt der Forsteigentumsregulierung oder im Zeitpunkt der Grundbuchsanlegung gestalteten, und wie gegebenenfalls die Rechtsnachfolge zu beurteilen wäre, kam es daher nicht an.“

[7]             VwGH 2010/07/0075 vom 30.06.2011 Pkt 4. Abs 8 „Im vorliegenden Fall wurde bereits mit Bescheid vom 17. Juni 1949, demzufolge die agrargemeinschaftlichen Grundstücke solche nach § 36 Abs. 2 lit. d TFLG 1935 seien, die Verwaltungsbehörden und auch den Verwaltungsgerichtshof bindend zum Ausdruck gebracht, dass diese Grundstücke Gemeindegut im Eigentum der Gemeinde waren. Gleichzeitig wurde mit diesem Bescheid das Eigentum der Agrargemeinschaft an diesen Grundstücken festgestellt.“

[8]             VwGH 2010/07/0092 Pkt 6.: „Daher ist auch im hier vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die im Regulierungsverfahren getroffene rechtskräftige Feststellung der agrargemeinschaftlichen Grundstücke als Gemeindegut im Sinne der TGO 1949 Rechtswirkungen für die Zukunft entfaltet. Eine der Folgen dieser Feststellung ist angesichts der Zuweisung des Eigentums an die Agrargemeinschaft aber - hier sei wiederum auf das bereits mehrfach zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 18446/2008 verwiesen -, dass der Substanzwert an solchen Grundstücken der Gemeinde zukommt. Solche Agrargemeinschaften sind daher Gemeindegutsagrargemeinschaften nach § 33 Abs. 2 lit. c Z 2 TFLG 1996.“

[9]             VwGH 2010/07/0091 vom 30.6.2011, Pkt 8 der Begründung. „Angesichts dessen erübrigte sich ein Eingehen auf sämtliche im vorliegenden Fall aufgeworfenen rechtshistorischen Fragestellungen. Die Rechtskraft des Regulierungsbescheides vom 18. Oktober 1966 und der dort getroffenen Feststellung, es liege Gemeindegut vor, wirkt für die Zukunft und bindet auch den Verwaltungsgerichtshof. Darauf, ob diese Feststellung zu Recht getroffen wurde, wie sich die Eigentumsverhältnisse im Zeitpunkt der Forsteigentumsregulierung oder im Zeitpunkt der Grundbuchsanlegung gestalteten, und wie gegebenenfalls die Rechtsnachfolge zu beurteilen wäre, kam es daher nicht an.

[10]           VwGH 2010/07/0075 vom 30.06.2011 Pkt 4. Abs 9 „Wie der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis vom heutigen Tag, 2010/07/0091, weiters zum Ausdruck gebracht hat, ist der Spruch eines Bescheides nach seinem äußeren Erscheinungsbild, also objektiv auszulegen; für die Bedeutung einer Aussage im Spruch eines Bescheides ist unerheblich, wie sie die Behörde verstanden wissen wollte oder wie sie der Empfänger verstand.“

[11]           VwGH 2010/07/0075 vom 30.06.2011 Pkt 4. Abs 9 „Wie der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis vom heutigen Tag, 2010/07/0091, weiters zum Ausdruck gebracht hat, ist der Spruch eines Bescheides nach seinem äußeren Erscheinungsbild, also objektiv auszulegen; für die Bedeutung einer Aussage im Spruch eines Bescheides ist unerheblich, wie sie die Behörde verstanden wissen wollte oder wie sie der Empfänger verstand.“

[12] VfGH 10.12.2010 B 639/10 ua, Pkt II A 2.3.6.3: „[…] der Bescheid könnte durchaus auch dahin ausgelegt werden, dass die bescheiderlassende Behörde auf den in § 36 Abs 2 lit d des Flurverfassungslandesgesetzes vom 6. Juni 1935, LGBl. Nr. 42, angeführten Begriff "Gemeindegut" im Sinne von "Eigentum der Agrargemeinschaft" abstellte (vgl. hiezu Öhlinger, Das Gemeindegut in der Judikatur des VfGH, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler [Hrsg], Die Agrargemeinschaften in Tirol [2010] 223 [250 f.]) […]“

[13]           VwGH 2010/07/0075 vom 30.06.2011 Pkt 4. Abs 8 „Im vorliegenden Fall wurde bereits mit Bescheid vom 17. Juni 1949, demzufolge die agrargemeinschaftlichen Grundstücke solche nach § 36 Abs. 2 lit. d TFLG 1935 seien, die Verwaltungsbehörden und auch den Verwaltungsgerichtshof bindend zum Ausdruck gebracht, dass diese Grundstücke Gemeindegut im Eigentum der Gemeinde waren.“

[14]           VwGH 2010/07/0091 vom 30.6.2011, Pkt 6.3.2: „Darauf, dass unter dem Gemeindegut im damals noch in Kraft stehenden § 15 Abs. 2 lit. d FGG und im damals geprüften § 31 Abs. 2 lit d Vorarlberger FLG (im Wesentlichen inhaltsgleich dem § 36 Abs. 2 lit d TFLG 1952) jene Erscheinung zu verstehen ist, die in den früheren Gemeindeordnungen im Rahmen des Reichsgemeindegesetzes 1862 und den nachfolgenden Gemeindegesetzen geregelt war (vgl. VfSlg. 384/1925 und VfSlg. 2308/1952) hat auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg 9.336/1982 ausdrücklich hingewiesen. Dies ergebe sich - so der Verfassungsgerichtshof - nicht nur aus dem durch die Gemeindeordnungen geprägten Ausdruck "Gemeindegut", sondern auch aus dem Hinweis auf die Bestimmungen der Gemeindeordnungen im Grundsatzgesetz. Einen solchen Verweis beinhaltete - wie dargestellt - auch das TFLG 1952. Nach den Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes im zitierten Erkenntnis habe dieser bereits in den Erkenntnissen VfSlg. 4229/1962 und 5666/1968 klargestellt, dass unter Gemeindegut im Sinne des Flurverfassungsrechts jenes zu verstehen sei, dessen Rechtsgrundlage ausschließlich die Gemeindeordnungen gewesen seien. Das Gemeindegut im Sinne der Gemeindeordnungen sei aber nicht nur formell der Gemeinde zugeordnet, sondern auch in materieller Hinsicht Eigentum der Gemeinde und nur insofern beschränkt, als es mit bestimmten öffentlich-rechtlichen Nutzungsrechten einiger oder aller Gemeindemitglieder belastet sei, sodass die Substanz und also auch der Substanzwert und ein allfälliger Überschuss der Nutzungen der Gemeinde als solcher zugeordnet bleiben.“

[15]) Bundesgesetz vom 2.8.1932 betreffend Grundsätze für die Flurverfassung BGBl 1932/256.

[16] Vgl nur: Tiroler Gemeindeordnung 1935 LG vom 10. Juli 1935 LGBl 1935/36. §§ 79, 114 Abs 3, 117, 120 Abs 2, 140, 164 letzter Satz, Art III LGBl 1935/36; Vorarlberger Gemeindeordnung 1935 LGBl 1935/25 § 102 Abs 3.

[17]           Auf dieses Ergebnis würde die Rechtsauffassung gem Erk VfGH B1645/10 vom 28.02.2011, Pkt 2.2.2.3. der Begründung hinauslaufen: „Im Erkenntnis VfSlg. 18.446/2008 wurde ausgesprochen, dass der über die Summe der Nutzungsrechte hinausgehende Substanzwert des Gemeindegutes der Gemeinde zusteht und das Substanzrecht der Gemeinde als Anteil an der Agrargemeinschaft zur Geltung gebracht werden können muss.“