9983/J XXIV. GP

Eingelangt am 29.11.2011
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Anfrage

 

der Abgeordneten Gerhard Huber, Mag. Ewald Stadler,

Kolleginnen und Kollegen

 

an Herrn Bundeskanzler Werner Faymann

 

betreffend die Enteignung der Tiroler Stammliegenschaftsbesitzer

 

Die Tiroler Landesregierung hat entschieden, geschätzt 18.000 Tirolerinnen und Tiroler, welche Eigentümer von Stammliegenschaften sind und deshalb an sogenannten Agrargemeinschaften Anteilsrechte besitzen, rechtsgrundlos zu enteignen (Schätzung der Opferzahlen in Tirol von 18.000 aus dem „Forderungsprogramm des Agrargemeinschaftsverbandes Westösterreich“ vom November 2011 an die Österreichische Bundesregierung sowie die Landesregierungen in Tirol und Vorarlberg).

Als Basis dieser rechtsgrundlosen Enteignungsmaßnahmen wurde beim Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs Slg 18.446/2008 vom 11. Juni 2008 angeknüpft und dessen Rechtssätze in eine Novelle zum Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetz LGBl 2010/7 verpackt. Ungeachtet der Tatsache, dass dieses Erkenntnis bei einem fiktiven Sachverhalt anknüpft (die Agrarbehörde hätte „nacktes Recht“ übertragen, anstatt gemäß § 38 TFLG 1952 den wahren Eigentümer festzustellen), wendet dieses Landesgesetz die Rechtssätze aus VfSlg 18.446/2008 auf geschätzt 300 Tiroler Agrargemeinschaften an und bewirkt so die rechtsgrundlosen Enteignungen von geschätzt 18.000 Tirolerinnen und Tirolern. Diese soll der jeweilige Anteil an der „Substanz“ des agrargemeinschaftlichen Vermögens entzogen werden. Die alles erfolgt strikt entgegen einer eindeutigen Judikatur, wonach Anteilsrechte an Agrargemeinschaften dem Eigentumsschutz gemäß Art 1 1. ZPrMRK unterliegen (VfGH 21.09.2010 B 1470/09; in diesem Sinn bereits Theo Öhlinger, Agrargemeinschaftliche Anteilsrechte und der Eigentumsschutz, in: Die Agrargemeinschaft in Tirol, 281 ff).

Wiederholte Einwände der Österreichischen Bundesregierung gegen dieses Enteignungsgesetz, zuletzt mit Note an den Landeshauptmann vom 9. Februar 2010 GZ BKA-654.127/0001-V/2/2010, wurden in Tirol ignoriert.

Als sicher kann vorausgesetzt werden, dass die Republik Österreich wegen Verletzung der Menschenrechte von geschätzt 18.000 Tirolerinnen und Tirolern vor dem Menschenrechtsgerichtshof in Strassburg verurteilt und zu Entschädigungszahlungen an die betroffenen Tiroler Bürgerinnen und Bürger verurteilt wird.

Ziel der Enteignungsbemühungen der Tiroler Landesregierung und des Tiroler Landesgesetzgebers ist eine Bereicherung der Ortsgemeinden in Tirol. Dies zu Lasten von 18.000 Tirolerinnen und Tirolern, denen in Wahrheit die Anteilsrechte an der „Substanz“ der Agrargemeinschaft zustehen.

 

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundeskanzler der Republik Österreich folgende

 

Anfrage:

 

1.      Ist Ihnen der vorstehend geschilderte Sachverhalt bekannt?

 

2.      Hat die Tiroler Landesregierung in irgendeiner Weise auf die Bedenken der österreichischen Bundesregierung wegen der Enteignung von 18.000 Tirolerinnen und Tiroler reagiert?  Wenn nein, hat die Bundesregierung eine Stellungnahme urgiert oder anderweitig reagiert; wenn nein, warum nicht?

 

3.      Wurde der Landeshauptmann von Tirol bzw. die Tiroler Landesregierung in weiterer Folge darauf hingewiesen, dass durch die Vorgehensweise in Tirol die ganze Republik mit Entschädigungszahlungen an geschätzt 18.000 Tirolerinnen und Tiroler belastet wird; wenn nein, warum nicht?

 

4.      Wird die Bundesregierung sicherstellen, dass die bereicherten Tiroler Ortsgemeinden solche „Enteigungsgewinne“ nicht verwenden dürfen, bis die Frage der Entschädigung der Opfer durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geklärt ist; wenn nein, warum nicht?

 

5.      Wird die österreichische Bundesregierung sicherstellen, dass das Land Tirol vollen Regress leistet, wenn die Republik Österreich den geschätzt 18.000 Enteignungsopfern in Tirol volle Entschädigung zu leisten hat; wenn nein warum nicht?

 

6.      Beabsichtigt die österreichische Bundesregierung die Zahlungen an das Land Tirol aus dem Finanzausgleich soweit zu blockieren und einzufrieren, bis der volle Regress des Bundes gegen das Land Tirol wegen dieser Enteignungsmaßnahmen gesichert ist; wenn nein, warum nicht?

 

7.      Wird die österreichische Bundesregierung in gleicher Weise vorgehen, wenn andere Landesregierungen mit vergleichbaren Enteignungsschritten gegen Agrargemeinschaftsmitglieder beginnen; wenn nein, warum nicht?