Vorblatt

Inhalt und Ziel:

Der vorliegende Gesetzesentwurf dient der Rechtsbereinigung und Reform der für die landwirtschaftlichen Börsen relevanten gesetzlichen Bestimmungen. Für die Tätigkeit der landwirtschaftlichen Produktenbörse in Wien wird eine zeitgemäße Rechtsgrundlage geschaffen.

Alternativen:

Keine; eine Reform ist erforderlich, da die derzeit geltenden Regelungen noch auf Bestimmungen der Monarchie beruhen.

Auswirkungen des Regelungsvorhabens:

– Finanzielle Auswirkungen:

Keine (Eigenfinanzierung durch die Produktenbörse)

– Wirtschaftspolitische Auswirkungen:

– – Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Der vorliegende Entwurf dient der Stärkung des Wirtschaftsstandorts Österreich. Für die relevanten Wirtschaftsbereiche ist die Tätigkeit der Produktenbörse wesentlich, da sich der regionale in- und ausländische Handel an den Preisnotierungen orientiert und die Handelsusancen als Geschäftsbedingungen für die Rechtsgeschäfte herangezogen werden.

– – Auswirkungen auf die Verwaltungskosten für Bürger/innen und für Unternehmen:

Es sind keine Informationsverpflichtungen für Unternehmen oder Bürger/innen vorgesehen.

– Auswirkungen in umweltpolitischer Hinsicht, insbesondere Klimaverträglichkeit:

Keine.

– Auswirkungen in konsumentenschutzpolitischer sowie sozialer Hinsicht:

Keine.

– Geschlechtsspezifische Auswirkungen:

Keine.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Die vorgesehenen Regelungen fallen nicht in den Anwendungsbereich des Rechts der Europäischen Union.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine.


Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Hauptgesichtspunkte des Entwurfes:

Mit dem vorliegenden Entwurf wird eine zeitgemäße Rechtsgrundlage für die Organisation und Tätigkeit der landwirtschaftlichen Produktenbörse in Wien geschaffen. Die derzeit geltenden Regelungen werden in einem Bundesgesetz zusammengeführt; inhaltlich als überholt anzusehende Rechtsvorschriften werden aufgehoben bzw. entsprechend abgeändert. Mit dem vorliegenden Entwurf wird somit eine Rechtsgrundlage geschaffen, welche die derzeit praktizierte Tätigkeit der Produktenbörse widerspiegelt.

Die Börse für landwirtschaftliche Produkte in Wien („Produktenbörse“) wurde 1869 als autonome Institution gegründet und ist heute ein Dienstleistungsunternehmen für die Agrarwirtschaft, in welchem wöchentliche Preisnotierungen vorgenommen, Bestimmungen für den Geschäftsverkehr (Usancen) festgelegt, Sachverständigengutachten erstellt werden und die Börseschiedsgerichtsbarkeit ausgeübt wird.

Die derzeit geltende Rechtsgrundlage beruht auf den Börsegesetzen der Monarchie, die für den Bereich der landwirtschaftlichen Börsen noch immer in Geltung stehen; sie beinhalten im wesentlichen eine ministerielle Genehmigungspflicht für die selbstverwaltende Tätigkeit von landwirtschaftlichen Börsen sowie organisationsrechtliche Bestimmungen, die die Einbindung der Wirtschaftsteilnehmer bzw. Interessenvertretung sowie bestimmte staatliche Aufsichtsfunktionen vorsehen.

In einem ersten Reformschritt wurde die Schiedsgerichtsordnung der Produktenbörse, BGBl. II Nr. 347/2009 neu erlassen; nunmehr folgt die organisationsrechtliche Anpassung an die heutigen Erfordernisse.

Der Entwurf enthält im wesentlichen Folgendes:

– Die Produktenbörse ist ein Selbstverwaltungskörper, der von den Wirtschaftsteilnehmern der Agrarwirtschaft getragen und verwaltet wird.

– Die Produktenbörse übt ihre gesetzlich determinierte Tätigkeit durch von ihr bestellte Organe aus und unterliegt der Aufsicht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend.

Als Inkrafttretenszeitpunkt wird der 1.1.2013 vorgesehen.

Finanzielle Auswirkungen:

Durch den Entwurf entstehen dem Bund keine zusätzlichen Kosten.

Die Produktenbörse finanziert sich durch ihre Geschäftstätigkeit und der ihrer Unternehmen.

Kompetenzgrundlage:

Der vorliegende Entwurf stützt sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 5 („Börsewesen“) und Z 12 („Ernährungswesen“).

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine.

Besonderer Teil

Mit Art. 1 des Produktenbörsegesetzes 2013 werden die neuen organisationsrechtlichen Bestimmungen für die Produktenbörse erlassen und die korrespondierenden überholten Vorschriften (t.w. formal) aufgehoben; mit Art. 2 wird das Börsesensale-Gesetz abgeändert.

Zu Art. 1 (Bundesgesetz über die landwirtschaftliche Produktenbörse):

Zu § 1 (Organisation und Aufgaben):

Die derzeit in Kraft befindliche allgemein für landwirtschaftliche Börsen geltende Rechtsgrundlage (Gesetz vom 4. Jänner 1903, RGBl. Nr. 10/1903 in der Fassung BGBl. Nr. 555/1989) sieht für deren Errichtung eine ministerielle Bewilligung nach Anhörung der Interessenvertretung vor; die Organisation und Tätigkeiten der Börsen hingegen werden durch ein „Statut“ geregelt, welches ebenfalls einer ministeriellen Genehmigung bedarf. Weiters bestehen gesetzliche Erfordernisse an das Statut hinsichtlich der Börseleitung und des Börsebesuchs. Rechtshistorisch betrachtet spiegelt die organisationsrechtliche Entwicklung der landwirtschaftlichen Börsen den Interessenskonflikt zwischen dem Bedürfnis nach Versorgungssicherheit der Bevölkerung mit Brotgetreide und dem Interesse der Handels- und Gewerbefreiheit wider.

Nach dem heutigen Verständnis und im Sinne der Rechtsprechung des VfGH handelt es sich bei der Produktenbörse um eine selbstverwaltungsähnliche Körperschaft öffentlichen Rechts. Im Sinne der ausgeübten Tätigkeiten und der Bedeutung der Versorgungssicherheit der Bevölkerung mit Getreide wird daher die landwirtschaftliche Produktenbörse – als die für Österreich relevante landwirtschaftliche Börse – durch den vorliegenden Gesetzesentwurf als Körperschaft öffentlichen Rechts errichtet. Diese Rechtsform trägt den öffentlichen Aufgaben am besten Rechnung.

Die in Abs. 1 Z 1 bis 5 festgelegten Aufgaben der Produktenbörse orientieren sich an dem derzeit geltenden Statut (Geschäftsordnung) und der ausgeübten Praxis. Neben der wesentlichen Funktion als Marktbeobachter sorgt die Börse durch die Zurverfügungstellung ihrer Räumlichkeiten für einen entsprechenden Handelsplatz („Abhaltung von Börseversammlungen“). Die von der Börse herausgegebenen Handelsusancen („Usancen für den Geschäftsverkehr“) sind Vertragsbestandsteil von zwischen Börsemitgliedern geschlossenen Rechtsgeschäften sowie solchen, die zur Entscheidung von Streitigkeiten das Schiedsgericht der Börse vereinbaren („Ausübung der Schiedsgerichtsbarkeit“). Das Expertenwissen ihrer Mitglieder befähigt die Börse weiters zur Erstattung von Sachverständigengutachten.

Mit Abs. 2 wird eine inhaltliche (d.h. warengeschäftsbezogene) Abgrenzung zu den Warenbörsen nach dem Börsegesetz 1989 vorgenommen. Während (u.a.) Kaffee, Tee und Holz dem Geschäftsbereich der Wiener Warenbörse unterliegen, wird der Handel von Getreide, Feldfrüchten, Obst, Wein und anderen landwirtschaftlichen Waren dem Geschäftsbereich der Produktenbörse zugeordnet. Die genaue Festschreibung des Geschäftsbereichs und ihre Abgrenzung zur Wiener Warenbörse finden sich in den Statuten (Geschäftsordnung) der landwirtschaftlichen Produktenbörse bzw. der Wiener Warenbörse.

Zu § 2 (Organe):

Mit dieser Bestimmung werden die bereits bestehenden Organe der Produktenbörse auch gesetzlich eingerichtet. Die Leitung der Produktenbörse obliegt dem Präsidenten, welcher von der Börsekammer (Versammlung der Börseräte) gewählt wird. Der Präsident vertritt die Börse nach außen und entscheidet die ihm zukommenden Angelegenheiten, gegebenenfalls unter Beiziehung des Präsidiums.

Die Mitglieder der Börsekammer (Börseräte) werden – entsprechend der Geschäftsordnung – teils von den Börsemitgliedern gewählt, teils von der Interessenvertretung und vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft entsandt. Zu ihren wichtigsten Aufgaben zählen die Erlassung der Geschäftsordnung, die Durchführung der Wahlen der Organe sowie die Mitwirkung bei der Finanzgebarung der Produktenbörse (Verwaltung des Börsefonds).

Die Wahl- und Bestellungsvorgänge werden durch die Geschäftsordnung näher geregelt.

Zu § 3 (Schiedsgericht):

Mit § 3 wird an der Produktenbörse ein Schiedsgericht konstituiert, welches entsprechend den Vorgaben der EGZPO über Streitigkeiten aus Börsegeschäften und anderen (außerhalb der Börse geschlossenen) Warengeschäften entscheidet; die Zuständigkeit des Schiedsgerichts, die Zusammensetzung, das Verfahren und sonstige durchführende Bestimmungen sind in der Schiedsgerichtsordnung festgelegt.

Die Schiedsgerichtsordnung ist eine Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Justiz.

Derzeit ist die Schiedsgerichtsordnung der Börse für landwirtschaftliche Produkte in Wien, BGBl. II 347/2009, in Kraft, die weiterhin in Geltung bleibt.

Zu § 4 (Grundsätze des Börsebetriebs):

Im Sinne der Einrichtung als Körperschaft öffentlichen Rechts hat die Produktenbörse im Rahmen der Ausübung ihrer Tätigkeit stets eine Abwägung der Interessen der Gesamtwirtschaft, Branchen oder einzelner Unternehmer vorzunehmen. Eine ähnliche Bestimmung findet sich auch im Börsegesetz 1989.

Zu § 5 (Geschäftsordnung):

Die Geschäftsordnung der Produktenbörse (Statut) regelt den Börsebetrieb und wird von der Börsekammer beschlossen; sie unterliegt der Genehmigung durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft.

Zu § 6 (Börsehandel):

Aufgrund der weitgehenden Änderung des Wirtschaftslebens seit der Gründung der Produktenbörse finden Geschäftsabschlüsse am Börseort nur mehr eingeschränkt statt; der Börseort dient jedoch als wichtiger Drehpunkt für die persönliche Kontaktaufnahme unter den Wirtschaftsbeteiligten. Der Zutritt zu den Räumlichkeiten der Börse und die Teilnahme am Börsehandel werden durch die Geschäftsordnung geregelt („Börsebesucher“).

Uneingeschränkt von Bedeutung sind hingegen die Usancen (Geschäftsbedingungen), die den Warengeschäften zwischen Börsemitgliedern zugrunde liegen.

Zu § 7 (Preisnotierung):

Die Ermittlung der Preise erfolgt derzeit wöchentlich und beruht auf Informationen über die zuletzt getätigten Geschäftsabschlüsse.

Die Preisnotierungen dienen der Markttransparenz und sind für Landwirte, Verkäufer, Einkäufer und Produzenten nach wie vor von Bedeutung. Bei diesen Notierungen handelt es sich um die regionalen Preise für tatsächlich gehandelte Produkte, welche für das Tagesgeschäft deutlich wichtiger sind, als die Kenntnis von Preisen, die an internationalen Handelsplätzen notiert werden.

Zu § 8 (Aufsicht):

Entsprechend der Einrichtung der Börse als selbstverwaltende Körperschaft öffentlichen Rechts kommt den staatlichen Behörden die Aufsicht über die Einhaltung der für die Produktenbörse relevanten Bestimmungen (Rechtsaufsicht) zu. Dazu zählt insbesondere die Aufsicht über die Rechtskonformität der Handlungen der Organe und des Zustandekommens der Preisnotierung.

Nicht umfasst von der Staatsaufsicht ist die Aufsicht über die Handelstätigkeit (Geschäftsabschlüsse zwischen Börsebesuchern an den Börsetagen und Börseversammlungen) selbst; diese kommt den Präsidenten zu. Auch die Geschäftstätigkeit von Unternehmen der Börse unterliegt nicht der Aufsicht des Börsekommissärs.

Zu § 9 (Börsekommissär):

Die Aufsicht gemäß § 8 wird durch den Börsekommissär wahrgenommen.

Zu § 10 (Schlussbestimmung):

Mit Abs. 1 soll klargestellt werden, dass sämtliche Organ- und Funktionsbezeichnungen Frauen und Männer gleichermaßen betreffen.

Abs. 2 enthält eine generelle dynamische Verweisungsbestimmung.

Zu § 11 (Vollzugsklausel):

Mit der Vollziehung des Bundesgesetzes wird der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betraut. Da die dem Vollziehungsbereich des Bundesministers für Justiz unterliegenden Rechtsvorschriften (Strafbestimmungen) im vorgeschlagenen Gesetzentwurf nicht (mehr) enthalten sind, wird die Vollzugsklausel – im Vergleich zum derzeit geltenden § 26 des Gesetzes vom 4. Jänner 1903, RGBl. Nr. 10/1903, – entsprechend angepasst. Die Erlassung der Schiedsgerichtsordnung gemäß Art. XIII EGZPO bedarf des Einvernehmens mit dem Bundesminister für Justiz.

Zu § 12 (Inkrafttreten):

Mit dem Inkrafttreten des vorgeschlagenen Bundesgesetzes über die landwirtschaftliche Produktenbörse mit 1.1.2013 tritt die bis dahin geltende Rechtsgrundlage, das Gesetz vom 4. Jänner 1903, RGBl. Nr. 10/1903 in der Fassung BGBl. Nr. 555/1989, welches nur mehr für den Bereich der landwirtschaftlichen Börsen Geltung hat, außer Kraft. Ebenso aufzuheben sind die Verordnung, BGBl. Nr. 362/1924 sowie § 22 Abs. 4 bis 7 des Bundesgesetzes über die Bundesämter für Landwirtschaft und die landwirtschaftlichen Bundesanstalten, BGBl. I Nr. 83/2004, da die Inhalte nunmehr vollständig durch den vorgeschlagenen Gesetzesentwurf geregelt sind.

 

 

Zu Art. 2 (Änderung des Börsesensale-Gesetzes):

Zu den Z 1 und 2 (§§ 13 und 17):

Die Zuständigkeit des Landeshauptmanns für die Festsetzung von Gebühren lässt sich nur mehr historisch erklären, da das Getreide bis 1812 auf dem öffentlichen Marktplatz verkauft werden musste und der Getreidehandel unter der Aufsicht der Marktbehörden stand. Auch die Vorläufer-Organisation der 1869 gegründeten Produktenbörse („Wiener Frucht- und Mehlbörse“) war zeitweise dem Magistrat untergeordnet.

Im Hinblick auf die Einrichtung der Produktenbörse als Selbstverwaltungskörper und die Aufsichtsfunktion des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (Art. 1 §§ 1 und  8 des Entwurfs) ist die Zuständigkeit der Börsekammer für die Festsetzung von Maklergebühren systemkonform.

Zu den Z 3 und 4 (§§ 22 und 23):

Die beiden Novellenanordnungen dienen der Umstellung auf den Euro.