129/PET XXIV. GP

Eingebracht am 15.11.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Petition

Erich Tadler

Abgeordneter zum Nationalrat

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

Wien, am 10. November 2011

Betreff:

Teilverkabelung der geplanten 380-kv-Leitung in Salzburg

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Gemäß § 100 Abs. 1 GOG überreiche ich Ihnen die Petition betreffend "Teilverkabelung der geplanten 380-kv-Leitung" mit dem Ersuchen um geschäftsmäßige Behandlung.

Mit freundlichen Grüßen

NR Erich Tadler


PETITION

betreffend

"Teilverkabelung der geplanten 380-kv-Leitung in Salzburg"

Gaisberg und Nockstein prägen seit jeher das Erscheinungsbild der Landeshauptstadt Salzburg und seiner Umlandgemeinden. Das Naherholungsgebiet Gaisberg-Nockstein, welches seit Jahrhunderten von den Salzburgern und zahllosen Touristen genutzt wird, ist durch die geplante Trassenführung der 380-kv-Leitung des Verbundes ebenso in Gefahr wie der Lebensraum zahlreicher Tierarten, von denen einige unter die strengsten Schutzbestimmungen der FFH-Richtlinie und der Vogelschutzrichtlinie der EU fallen..

Der Gaisberg, wobei die Gaisbergspitze zum Stadtgebiet der Landeshauptstadt zählt, ist im Zusammenhang mit der historischen Altstadt von Salzburg ein wichtiger touristischer Anlaufpunkt für die gesamte Region. Die ganzjährige Erreichbarkeit dieses Sport-, Freizeit- und Naturgebiets schlägt sich auch in den Besucherzahlen nieder. Der gesamte Erholungsraum wird von mehr als 1,2 Mio. Besucher frequentiert. Der Schutz dieses Naherholungsgebietes vor Zerstörung und massiver Beeinträchtigung ist der Salzburger Bevölkerung ein ganz besonderes Anliegen.

Die Befürchtungen des Bürgermeisters von Salzburg, Dr. Heinz Schaden, den Status der Stadt Salzburg als Weltkulturerbe verlieren zu können, scheinen in diesem Zusammenhang als durchaus realistisch. Die Stadt Dresden hat durch den Bau einer umstrittenen Brücke über die Elbe ein ähnliches unrühmliches Schicksal erfahren.

Der Plan, die Trasse der 380-kv-Leitung quer über den Gaisberg zu schlagen, würde eine bis zu 70 Meter breite Schneise zwischen den landschaftsprägenden Elementen Nockstein und Gaisberg mit Masthöhen zwischen 50 und 90 Meter nach sich ziehen. Diese Trassenführung würde das gesamte Bergmassiv um den Gaisberg regelrecht in zwei Teile zertrennen. Bei einer Höhe von bis zu 90 Metern würden diese Masten bis weit in das Alpenvorland hin ersichtlich sein. Dies hätte zur Folge, dass das einzigartige Landschafts- und Erscheinungsbild ebenso wie schützenswerte Natur- und Lebensräume als Gesamtes zerstört würden.

Nockstein und Gaisberg stehen aber nur beispielhaft für weitere schützenswerte Gegenden des Tourismuslandes Salzburg, das von der Schönheit seiner Landschaft lebt und nicht von Schwerindustrie.

Die "Sichtbarkeit" der gesamten 380-kv-Leitung ist das Eine, die Gesundheit der Anrainer und der direkt betroffenen Bewohner sind der zweite gravierende Faktor, der gegen die Freileitung spricht.

Da das Gebiet um Gaisberg und Nockstein schon derzeit einer massiven Strahlung durch mehrere Sender und der daraus resultierenden Gesamtbelastung von mehr als 600 kW (mit teilweise gepulster Mikrowellenstrahlung) ausgesetzt ist, rückt der gesundheitliche Aspekt der Anwohner in den Mittelpunkt der Betrachtungen. Durch die elektromagnetischen Felder, welche eine 380-kv-Leitung mit sich bringt, wird die hier wohnende Bevölkerung einer zusätzlichen übermäßigen Bestrahlung ausgesetzt.


Erdverkabelung im Übertragungsnetz

In einer Entscheidung des schweizerischen Höchstgerichtes vom April 2011 über die Forderung von Gemeinden und Anrainern, einer Teilverkabelung aus Landschaftsschutzgründen zuzustimmen, wird betont, dass die Verlegung einer 380-kv- Erdkabels nicht nur Stand der Technik sei, sondern sie könne sogar wirtschaftlicher als eine Freileitung sein. Begründung der Schweizer Höchstrichter: Das Bundesgericht geht davon aus, dass Kabelanlagen aufgrund des technischen Fortschritts im letzten Jahrzehnt leistungsfähiger, zuverlässiger und kostengünstiger geworden sind. In dem fraglichen Gebiet ohne besondere topografischen oder geologischen Schwierigkeiten überwiegen die Vorteile der Verkabelung. Die Höchstrichter führen neben dem Landschaftsschutz die bessere Energieeffizienz der Verkabelung ins Treffen. Die Stromverluste der Freileitung sind erheblich größer als diejenigen einer Kabelanlage, heißt es in der Presseaussendung des Bundesgerichts.

In diesem Zusammenhang wurde schon einmal eine Petition am 04.07.2007 eingebracht (17/PET XXIII.GP) welche am 06.06.2008 dem Nationalrat zur Kenntnis gebracht wurde. Das Institut der direkten Demokratie verlief somit im Sand der unüberwindbaren Mechanismen des Nationalrates - für die Betroffenen hat es nichts gebracht.

Die Bundesregierung wird daher ersucht, das Anliegen einer wohlwollenden Prüfung zu unterziehen und aufgefordert,

         als Eigentümervertreter eine Prüfung des Starkstromwegegesetzes mit dem Ziel einer Anpassung an aktuelle technische Entwicklungen einzuleiten;

         die Möglichkeit zu prüfen, wie in  der  Schweiz  und  in  Niedersachsen  eine Teilverkabelung der 380-kv-Leitung in sensiblen Bereichen des Tourismuslandes Salzburg und anderer Gebiete Österreichs gesetzlich vorzuschreiben;

         die mögliche Beispielswirkung der Entscheidung des schweizerischen Höchstgerichtes für Österreich zu überprüfen - auch unter dem Blickwinkel des Europarechts;

         und die Anliegen der Anrainergemeinden und deren Bürger einer parlamentarischen Behandlung zuzuführen;


Chronologie der 380kV-PIanung in Koppl

Ab 1959 wurde die 220kV-Leitung durch Salzburg gebaut (grün eingezeichnet).

Seit den 1980-er-Jahren ist der Gemeinde bekannt, daß die Leitung ausgebaut wird (Auskunft ehemaliger Gemeindevertreter).

In den 1990-er-Jahren hat der Verbund gegenüber den Gemeinden seine Ausbaupläne auf eine höhere Spannungsebene konkretisiert. Die Folge war, daß die Gemeinden im vorgesehenen Trassenbereich (Edt, Egg, Willischwand ...) Umwidmungen vorgenommen haben und dort neue Wohnsiedlungen und Einzelhäuser entstanden sind. Die Bauwerber mußten ansuchen, daß sie nahe oder unter der Leitung bauen dürfen, und unterschreiben, daß sie nichts gegen die Leitung haben und nichts gegen einen allfälligen Ausbau unternehmen werden. Der Rechnungshof (RH-Bericht GZ 001.505/280-1B1/11) kritisiert in diesem Zusammenhang, daß manche Gemeinden versucht hätten, mit Mitteln der Raumordnung den Ausbau der 220kV-Trasse zu verhindern.

1997 reichte der Verbund die Trasse (rot punktiert) zur Genehmigung ein, doch kippte der Verwaltungsgerichtshof den Genehmigungsbescheid des Wirtschaftsministeriums, weil die Gemeinde Koppl und andere durch Rechtsanwalt Prof. Aichlreiter eine Beschwerde eingebracht hatten. Der VWGh erkannte in seinem Spruch, daß eine Umweltverträglichkeitsprüfung notwendig gewesen wäre.

1999 informierte die Koppler SPÖ in ihrer „SPÖst" über den geplanten Ausbau der Leitung auf 380kV und stellte vier Varianten vor, die alle im Osten von Koppl lagen. Die Gemeinde habe sich für die am weitesten im Osten liegende Variante ausgesprochen.

In weiterer Folge regte sich heftiger Widerstand gegen die Trassenplanung. Der für den Naturschutz zuständige Landesrat Sepp Eisl empfahl betroffenen Grundbesitzern in einer Aussendung vom 22. Mai 2000, die geplante Trassenverlegung nicht zu akzeptieren: „Mit 2. Mai 2000 hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit einen Bescheid nach dem Starkstromwegegesetz erlassen, der den Bau der 380kV-Leitung von Kaprun bis Braunau im Abschnitt Golling bis Elixhausen betrifft. In der Gemeinde Koppl wird mit diesem Bescheid eine Verlegung der derzeitigen Trasse der 220kV-Leitung vorgeschrieben. Diese Verlegung der Trasse auf Hofer Gemeindegebiet bewirkt, dass Bewohner der Gemeinde Koppl, die sich unter der bestehenden Starkstromleitung angesiedelt haben, nun entlastet werden ... Es kann nicht sein, dass die Einen, die sich wissentlich - und vermutlich deswegen auch viel günstiger - unter einer Starkstromleitung Grund kauften, jetzt eine erhebliche Verkehrswertsteigerung ihrer Liegenschaften auf Kosten der Bauern erfahren".

Der Verbund stellte daraufhin weitere Varianten vor (2007_03, 2008_02).Die Variante 2007_03 führte erstmals im Westen Koppls Richtung Edt und Lacknerwinkel in Plainfeld und Egg in Eugendorf. Auch diese Vorschläge stießen auf Widerstand.

Im Dezember 2008 beschloss der Salzburger Landtag einstimmig das Landeselektrizitätsgesetz mit Mindestabständen 200 Meter zu Einzelobjekten und 400 Meter zu gewidmetem Bauland sowie Verkabelung dort, wo diese Abstände nicht eingehalten werden können. Landesrat Sepp Eisl verkündete: „Mit diesem Gesetz haben wir nun Rechtssicherheit für die Anrainer und auch für die Projektbetreiber”. Bedenken des Verfassungsrechtlers Walter Berka wurden negiert, ebenso Einwände der Wirtschaftskammer.


Landesrat Sepp Eisl am 21. Oktober 2008 bei einer Podiumsdiskussion von Industriellenvereinigung und Land Salzburg im Kaisersaal der Residenz auf die Frage, ob das LEG die 380kV-Leitung verhindere: "Nur wenn man technische Weiterentwicklung als Verhinderer von Fortschritt sieht. Die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit und ein rascher Bau werden durch die Regelung im LEG unterstützt. Bisher hatte der Verbund auf Grund des geltenden Aktienrechtes keine Möglichkeit, eine Variante zu bauen, die etwas teurer als eine reine Freileitung ist. Nun bekommt er diese Möglichkeit."

Landeshauptmann-Stellvertreter Dr. Wilfried Haslauer ebendort: "Der Verbund ist ein Unternehmen mit einem jährlichen Cash Flow von 985 Millionen Euro. Ich erwarte mir daher Mut und Finanzkraft, technische Entwicklung zu ermöglichen und umzusetzen. Der Verbund selber benötigt einen raschen Lückenschluss, um den Spitzenstrom des derzeit in Bau befindlichen Kraftwerks Limberg II zu transportieren. Also wird er auch dafür bezahlen müssen".

Als unabhängigen Experten rief das Land 2008 angesichts anhaltender Proteste den EU- Leitungskoordinator Georg Wilhelm Adamowitsch zu Hilfe, der im Juli 2009 seinen Trassenvorschlag unterbreitete (rosa Linie). Die Adamowitsch-Trasse führte weit im Osten über Hof und Faistenau. Dem Wunsch nach einer Teilverkabelung erteilte er in seinem Bericht eine klare Absage.

Im August 2009 wurde diese Variante bei einer Tagung in St. Johann im Pongau den Bürgermeistern vorgestellt.

Wirtschafts- und Energieminister Reinhold Mitterlehner begrüßte den Bericht des EU- Koordinators Georg Adamowitsch zur Salzburgleitung: "Adamowitsch hat mit seinem Bericht die Grundlage für die Errichtung der 380-kV-Leitung im Bundesland Salzburg gelegt, indem er die bisherigen Probleme ausräumt und einen neuen Ansatz ermöglicht", stellte Mitterlehner in einer Aussendung fest. "Die im Abschlussbericht enthaltene neue Trasse ist der Schlüssel zur Überwindung der Pattstellung", so Mitterlehner weiter. Die Vorschläge des Koordinators zur Akzeptanzfindung müssen jetzt von Landesregierung und APG geprüft werden."

Die Aussage Mitterlehners sollte Wunschdenken bleiben. Im Untergrund hatte sich bereits eine Allianz gegen die Adamowitsch-Trasse gebildet, bestehend u.a. aus dem Hofer Bürgermeister Werner Berktold (früher örtliche Raumordnung beim Land), Zweiter Landtagspräsident a.D. Wolfgang Saliger, sowie Koppler Gemeindefunktionären und Honoratioren in Plainfeld und Eugendorf als potentielle Anrainer der Adamowitsch-Variante in Siedlungen, die nahe der bestehenden 220kV-Leitung entstanden sind.

Vom Land wurde schließlich ein Lenkungsausschuss eingerichtet, der am 25. November 2009 erstmals tagte und dem 2 Expertengruppen zuarbeiten sollten. Der schließlich zusammengelegten „Expertengruppe“ (Techniker und Juristen, keine Mediziner, keine Landschaftsökologen und Raumplaner) gehörte auch der frühere Zweite Landtagspräsident Wolfgang Saliger als von der Landesregierung ernannter „Bürgervertreter” an. Saliger wohnt in Plainfeld per Adresse Lacknerwinkel und wäre von der Adamowitsch-Variante stärker betroffen als von der bestehenden 220kV-Leitung, ebenso der Bürgermeister von Hof, Werner Berktold, in der Gängstraße am Gitzen.


Dennoch hieß es im Verbund-APG-Netzkurier vom Jänner 2010 noch immer zur Adamowitsch-Variante: „Die Salzburger Landesregierung forderte in einer Aussendung, daß auf Basis des neuen Trassenvorschlags nun weiterverhandelt werden müsse“.

Eigenartigerweise hatte aber schon am ersten Adventwochenende 2009 (28./29.11.) Koppls Bürgermeister Rupert Reischl Grundbesitzern in Guggenthal erklärt: „Bei euch kommt die Leitung”. Weitere Anrainer hörten davon inoffiziell in der letzten Dezemberwoche 2009.

Von einer Informationsveranstaltung der APG vor dem Gemeindezentrum Koppl am 26. Jänner 2010 erfuhren die Bewohner von Guggenthal und der Gruberfeldsiedlung nur durch Zufall. Per Post wäre die Ankündigung der Gemeinde erst am Tag nach der Veranstaltung zugestellt worden. Bei dieser Informationsveranstaltung tauchte zum ersten Mal die „Variante West“ in der Öffentlichkeit auf.

Der Verbund-APG-Netzkurier „Sonderausgabe für die Gemeinde Koppl” mit der Ankündigung der Veranstaltung und dem Hinweis auf die Möglichkeit, Fragen zum Projekt zu stellen, traf in Guggenthal ebenfalls erst nach der Veranstaltung ein. In Koppl war er schon eine Woche vor dem Termin zugestellt worden. Sollte den Guggenthalern und Heubergern diese Information vorenthalten werden? Wer hatte daran Interesse?

Daraufhin schlossen sich Bürger aus Guggenthal und der Gruberfeldsiedlung am 11. März 2010 zu einer Bürgerinitiative zusammen und sammelten binnen kürzester Zeit ein Vielfaches der dafür notwendigen Unterschriften.

Auch in der Stadt Salzburg bildete sich eine Bürgerinitiative gegen die Verschandelung des Naherholungsgebietes Gaisberg-Nockstein mit über 5000 Unterschriften.

Am 26. März 2010 erweiterte die Gemeindevertretung Koppl einstimmig ihren ablehnenden Beschluss für die Trassenplanung aus dem Jahr 2007 auf Druck der Bürgerinitiative auch auf die Variante West.

Am 22. Juni 2010 stellte der Lenkungsausschuss den Vorschlag der Expertengruppe vor - mit einem „erweiterten Planungsgebiet“ rund um den Nockstein und der Empfehlung für eine Variante Nockstein-Ost. Der Expertenbericht strotzt für Guggenthal nur so von Fehlern. In der 200-Meter-Zone sind drei Objekte nicht berücksichtigt, in der 400-Meter-Zone zehn Objekte. Grotesk ist die Bewertung der „Sichtbarkeit”. Es wird der Blick vom Gaisberg und vom Rundwanderweg erwähnt, so als ob es nicht ungleich schlimmer wäre, was die rund 1000 Bewohner der Gruberfeldsiedlung und am Heuberg tagtäglich in einer Panoramaansicht vor Augen haben. Überraschenderweise teilten diese Ansicht auch die Zuständigen der APG bei einem Treffen auf der Gersberg-Alm am 14. Dezember 2010, worauf die BI mit Fotos dokumentierte, wie die Leitung tatsächlich in der Hauptblickrichtung von den Häusern in der Gruberfeldsiedlung aussehen würde.

Ebenfalls im Dezember 2010 erhielten die Grundbesitzer in Guggenthal die Information, daß das Bundesministerium per Bescheid an die Gemeinde Koppl grünes Licht gegeben hat für die Geländeerkundungen durch die APG auch ohne Zustimmung der Grundbesitzer. Diese Bewilligung gilt nicht nur für die Variante Nockstein-Ost, sondern auch für die Variante West.