149/PET XXIV. GP

Eingebracht am 20.12.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Petition

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

 

Salzburg/Wien, am 16. Dezember 2011

Petition zum Ersatz von Verteidigungskosten bei Freisprüchen

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Gemäß § 100 Abs. 1 GOG-NR überreichen wir Ihnen die Petition zum „Ersatz von
Verteidigungskosten bei Freisprüchen“ mit dem Ersuchen um geschäftsordnungsmäßige
Behandlung.

Mit freundlichen Grüßen
Mag. Johann Maier


                                                                        Einreicher:

AbgzNR Mag. Johann Maier                                                       Dr. Martin Balluch

Markus-Sittikus-Straße 10                                                          Waidhausenstraße 13/1

5020 Salzburg                                                                                 1140 Wien

Parlamentarische Petition

Ersatz von Verteidigungskosten bei Freisprüchen

Nach der geltenden Strafprozessordnung (StPO) hat ein zu Unrecht Beschuldigter trotz eines
gerichtlichen Freispruches die Kosten seines Rechtsanwaltes zum weitaus gro
ßen Teil selbst
zu tragen, während im Zivilprozess die Partei, die den Prozess zur Gänze gewinnt,
selbstverständlich den Ersatz der gesamten ihr im Verfahren entstandenen Kosten
zugesprochen erhält.

Der Ersatz von mangelnden Verteidigungskosten wurde von der Volksanwaltschaft (VA) in
den letzten Jahren mehrfach für wichtig genug erachtet, um diese Ungerechtigkeit in ihren
Berichten dem Nationalrat gegenüber in Erinnerung zu rufen („Unzureichender Ersatz von
Verteidigerkosten“). Auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur wird bei einem Freispruch
vom Gesetzgeber ein voller Kostenersatz eingefordert.

Die nach § 393 a StPO vorgesehenen Höchstbeiträge für den Ersatz von Verteidigungskosten
stehen in keinem Verhältnis zum aufgelaufenen Vertretungsaufwand und decken die
tatsächlichen Kosten einer Verteidigung bei weitem nicht ab. Diese Situation wird von
Freigesprochenen als absolut ungerecht sowie von der Anwaltschaft und von Seiten der
Volksanwaltschaft als massiv unbefriedigend und rechtsstaatlich bedenklich empfunden.

Derzeit bekommt ein zu Unrecht Beschuldigter im Falle eines Freispruches pauschal maximal
5.000 Euro nach einem Geschworenenverfahren, maximal 2.500 Euro nach einem
Schöffenverfahren, maximal 1.250 nach einem Einzelrichterverfahren, und maximal 500 Euro
Verteidigerkosten nach einem Freispruch vor dem Bezirksgericht zurück.

Und selbst diese Beträge werden in „voller Höhe“ nur ausbezahlt, wenn das Verfahren über
zwei Instanzen gegangen ist. Bei einem Freispruch in erster Instanz sind es noch weniger.


Nach langjährigen Verfahren mit Freispruch, Einstellung oder Rücktritt von der
Anklage sind Beschuldigte bzw. Angeklagten aufgrund dieser massiven Kostenbelastung
oft finanziell ruiniert.

Besonders aktuell ist die Diskussion zum Ersatz der Verteidigerkosten und einer
Entschädigung nach dem StEG seit dem Freispruch der dreizehn Tierschützer durch das LG
Wiener Neustadt. Nach Abschluss dieses Verfahrens in Wiener Neustadt belaufen sich die
Verteidigungskosten pro Beschuldigtem/Beschuldigter bzw. Angeklagtem/Angeklagter auf
ca. 400.000 Euro (Ablichtungskosten; Kosten Privatgutachten; Verteidigerkosten;
Verfahrenskosten etc.).

Es sind aber nicht nur die Kostenersatzregelung für eine erfolgreiche Strafverteidigung,
sondern auch die geltenden Entschädigungsregelungen des StEG unzureichend.

Teil dieses generellen Problems ist auch der Kostenersatz für Ablichtungen und Abschriften:
Pro Blatt je 1 Euro und 10 Cent bzw. 60 Cent für jede Selbstkopie. So musste beispielsweise
ein Rechtsanwalt für seinen Mandanten
- einem Beschuldigten im Hypo-Alpe Adriaprozess -
über 75.000 Euro bezahlen, um die Unterlagen aus dem Strafakt abgelichtet zu bekommen.
Diese Kopiergebühren wurden nun auf 60 Cent bzw. 30 Cent gesenkt.

Hohe Gebühren können grundsätzlich auch den Rechtszugang verhindern, da sich Betroffene
eine professionelle Strafverteidigung nicht mehr leisten können und wollen. Dieses Thema
war im Rahmen der Frühjahrstagung auch Gegenstand der Diskussionen der Österreichischen
Juristenkommission. Änderungen der Gebührenbestimmung nach Tarifpost 15 Anmerkung 6
GGG wurden nachdrücklich eingefordert. Dies ist nun auch Gegenstand eines Verfahrens vor
de Verfassungsgerichtshof, darin wird die Verfassungsmäßigkeit der Anmerkung 6 zu
Tarifpost 15 GGG bestritten.


Petition

Der Einreicher und der unterfertigende Abgeordnete ersuchen die Bundesministerin für Justiz,

dem Nationalrat einen Vorschlag für eine Generalreform des Ersatzes von
Verteidigungskosten bei Freispruch, Einstellung des Strafverfahrens oder Rücktritt von der
Anklage vorzulegen, der einen vollständigen Kostenersatz vorsieht sowie eine Neuregelung
für den Ersatz von Kopierkosten.

Mag. Johann Maier                                                     Dr. Martin Balluch