Stellungnahme des ÖAMTC

zum Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird

(Nachhang zur 31. KFG-Novelle; KFG-Änderung zur Umsetzung der RL 2011/82/EU)

(GZ. BMVIT-170.031/0005-IV/ST4/2012)

 

A) Allgemeines

 

Der ÖAMTC dankt für die Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die bisherige Erfahrung des ÖAMTC zeigt, dass es im Bereich der grenzüberschreitenden Verfolgung von Verkehrsdelikten noch zahlreiche Unsicherheiten, offene Fragen und Rechtsschutzdefizite für die österreichischen Autofahrerinnen und Autofahrer gibt. Insofern möchten wir die Gelegenheit nutzen, um im Rahmen dieses Gesetzesentwurfes Korrekturen anzuregen, die die ohnehin komplexe Abwicklung von Verkehrsdelikten mit Auslandsbezug  einfacher und vor allem bürgerfreundlicher gestalten würden. Bezüglich der Details dürfen wir auf die nachfolgenden Punkte verweisen.

 

B) Besonderer Teil

 

Zu § 47a Abs 3 Z 2:

Die Konkretisierung im vorliegenden Entwurf, wonach nicht bloß das Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes sondern auch Verstöße gegen die Pflicht zur Verwendung einer Kinderrückhalteeinrichtung nach der Richtlinie 91/671/EWG in den Deliktskatalog fallen, wird aus rechtlicher Sicht und aufgrund verkehrspolitischer Überlegungen ausdrücklich begrüßt.

 

Zu § 84 Abs 3:

Das nach der RL vorgeschriebene Informationsschreiben soll die Funktion einer Anonymverfügung gem § 49a VStG haben. Dies ist aus der Sicht des ÖAMTC begrüßenswert, da andernfalls das Informationsschreiben rechtlich nicht zugeordnet werden könnte und rechtliche Folgen (bei Nichtbeachtung oder auch bei Bezahlung des Betrages) nicht eintreten könnten.

 

Hierzu ist aber anzumerken, dass die österreichischen AutofahrerInnen umgekehrt mit Informationsschreiben aus EU-Ländern konfrontiert sein werden, deren rechtliche Qualität fraglich sein wird. Es sollte daher rechtzeitig hingewiesen bzw dafür Vorsorge getroffen werden, dass die einzurichtende nationale Kontaktstelle diesbezügliche Informationen für die österr. AutofahrerInnen parat hält. Konkret ist es für die Beratung der ÖAMTC-Mitglieder essentiell zu wissen, welche rechtliche Qualität das jeweilige Informationsschreiben aus den Mitgliedstaaten hat, welche rechtlichen Folgen den Betroffenen im Falle der Nichtbezahlung/Bezahlung treffen, welche Rechtsmittel­möglichkeiten dem Betroffenen zur Verfügung stehen und an welche Stelle diese zu richten sind.

 

Zu § 84 Abs 5:

Dieser Passus gewährleistet nicht unbedingt, dass die angeschriebene Person das Schreiben/die Sprache auch versteht. Man denke an einen (im Ausland zugelassenen) Mietwagen, wo der Zulassungsbesitzer natürlich wiederum eine andere Nationalität als der Lenker haben kann. Hier empfiehlt die RL selbst (in Erwägungsgrund 14): „Die Mitgliedstaaten sollten in Betracht ziehen, in Bezug auf das vom Deliktsmitgliedstaat versandte Informationsschreiben eine gleichwertige Übersetzung beizubringen, wie dies in der Richtlinie 2010/64/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010 über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren vorgesehen ist.“ (EU-Abl 2010 L 280).

 

Der ÖAMTC schlägt daher folgenden Zusatz vor:

"Stellt sich heraus, dass die betroffene Person nicht ident mit dem Zulassungsbesitzer ist und in einem anderen als dem Zulassungsstaat wohnhaft ist, so dass anzunehmen ist, dass die betroffene Person der Sprache nicht kundig ist, soll die betroffene Person inner­halb angemessener Frist eine Übersetzung in eine Amtssprache seines Wohnsitzlandes erhalten."

 

Zu § 84 Abs 8:

1. Der Zusatz „…wenn das Fahrzeug in einen Unfall verwickelt war…“ ist nicht aufgrund von Erfordernissen in der RL aufgenommen worden. Die Erläuterungen schweigen zum Sinn und Zweck der zusätzlichen Formulierung.

Der Begriff "verwickelt" ist dem Straßenverkehrsrecht insofern fremd, als die StVO von "Personen, deren Verhalten mit dem Verkehrsunfall in einem ursächlichen Zusammenhang steht" spricht und diese in § 4 genau definiert. Zeugen sind definitionsgemäß nicht als derartige Beteiligte anzusehen. Es sollte daher klar sein, dass "verwickelt" mit dem Begriff des „Beteiligten“ iSd § 4 Abs 1 StVO ident sein soll.

 

2. Nach wie vor enthält die Bestimmung keine Gegenseitigkeitsklausel. Der ÖAMTC weist seit Jahren auf folgende Problematik hin: Österreichische Behörden sind aufgrund  § 84 Abs 8 (früher § 86 Abs 3) verpflichtet, Daten heimischer Zulassungsbesitzer weiterzugeben, demgegenüber geben ausländische Behörden ihrerseits oftmals keinerlei Daten weiter. Dies verhindert eine Strafverfolgung, Strafgeldeinnahmen entgehen dem Staat und zudem wird dieses Ungleichgewicht in der grenzüberschreitenden Strafverfolgung von heimischen AutofahrerInnen als unfair empfunden. Aus diesem Grund fordert der ÖAMTC einmal mehr folgende Klausel einzufügen:

"Diese Verpflichtung gilt nur, wenn sichergestellt ist, dass der jeweils ersuchte Vertragsstaat seinerseits den Verpflichtungen zur Auskunft nachkommt."

 

 

 

Mag. Verena Pronebner

ÖAMTC-Rechtsdienste

Oktober 2012