
Eisenstadt, am 5.6.2009
E-Mail: post.vd@bgld.gv.at
Tel.: 02682/600 DW 2221
Mag.a Sandra Steiner
Zahl: LAD-VD-B335-10063-9-2009
Betr: Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Elektrizitätswirtschafts-
und –organisationsgesetz, das Gaswirtschaftsgesetz und das Energie-Regulierungsbehördengesetz geändert werden (Wettbewerbsbeschleunigungsgesetz für den Energiebereich); Stellungnahme
Bezug: BMWFJ-551.100/0024-IV/1/2009
Zu dem mit obbez. Schreiben übermittelten Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Elektrizitätswirtschafts- und –organisationsgesetz, das Gaswirtschaftsgesetz und das Energie-Regulierungsbehördengesetz geändert werden (Wettbewerbsbeschleunigungsgesetz für den Energiebereich), erlaubt sich das Amt der Burgenländischen Landesregierung Folgendes mitzuteilen:
Qualitätskriterien verbunden mit Entschädigungsregelungen und Veröffentlichung (§ 18 Abs. 3 Z 11 und § 29 ElWOG):
Die Entschädigungs- und Erstattungsreglung bei Nichteinhaltung von Qualitätskriterien geht über die Anforderungen des 3. Binnenmarktpakets hinaus und stellt einen Eingriff in die Länderkompetenzen dar (den Ländern wird durch die Streichung des Begriffes „etwaige“ die Gestaltungsmöglichkeit genommen). Damit wird die verschuldensunabhängige Haftungsregelung eingeführt. Solche Regelungen gibt es in Österreich äußerst selten und dort auch nur im Zusammenhang mit „besonderen Gefährdungen“, z. B. K&K Reichshaftpflichtgesetz 1871. Der Regulator im Telekombereich verlangt keine verschuldensunabhängigen Pönalen; Schadensersatzrecht und Gewährleistungsbestimmungen kommen im Telekombereich zur Anwendung. In der vorliegenden Version des GWG wird die Formulierung mit „etwaig“ beibehalten. Eine Änderung ist hier sinnvoller Weise auch nicht vorgesehen.
Im Falle des § 18 Abs. 3 Z 11 handelt es sich um eine Frage des Schadenersatzrechtes, die inhaltlich Zivilrecht darstellt, und weder im ElWOG bzw. im Bgld ElWG noch in den Allgemeinen Bedingungen geregelt, sondern den Schadenersatzregelungen des Zivilrechtes vorbehalten werden sollte.
Wenn derartige Schadenersatzregelungen dennoch im Energierecht Platz finden sollen, sollte man sie den insoweit eine vertragliche Vereinbarung darstellenden Allgemeinen Bedingungen vorbehalten und nicht unbedingt zwingende Vorgaben machen, da die Frage, wie weit ein Unternehmen bei derartigen vertragliche Zusicherungen geht, dem Markt vorbehalten werden sollte (ansonsten wird ho. die Gefahr gesehen, dass es zwar zu einem einheitlichen Niveau - aber im Sinne einer Nivellierung nach unten auf das gesetzlich vorgesehene Mindestniveau kommt).
Als äußerst problematisch wird der Ansatz für eine "verschuldensunabhängige Haftung" gesehen, die für das österreichische Schadenersatzrecht eher untypisch ist. Es darf in diesem Zusammenhang auch nicht übersehen werden, dass die Rechnung für etwaige Vorsorgemaßnahmen und Rückstellungen letztlich die Stromverbraucherinnen und Stromverbraucher zu tragen haben werden und es somit letztlich zu einer Sozialisierung von verschuldensunabhängigen Haftungen (z.B. im Falle von Großschäden bei Elementarereignissen) auf alle Endverbraucherinnen und Endverbraucher und Konsumentinnen und Konsumenten kommen könnte.
Getrennte Rechnungslegung (§ 45c ElWOG):
Das ha. Amt bekennt sich zu transparenten, leicht verständlichen und vergleichbaren Rechnungen. Die steuerrechtlich vorgesehenen und bewährten Modelle (Vorleistungsmodell, Tankstellenmodell und Verwahrungsmodell) für die Einhebung der Netzentgelte durch den Lieferanten sind durch den neuen Vorschlag nicht mehr möglich. Die Umsetzung von getrennten Rechnungen ist nur durch zwei getrennte Zahlungsvorgänge möglich. Der vorgeschlagene, einheitliche Zahlungsvorgang bei getrennter Rechnungslegung ist daher aus umsatzsteuerlichen und aus abrechungstechnischen Gründen nicht möglich. Folgende Nachteile sind bei Einführung von getrennter Rechnungslegung verbunden: erhöhte Kosten für die Netzbetreiber, auf bewährte Modelle muss verzichtet werden, Vergleichbarkeit und Transparenz werden für die Kundin und den Kunden nicht verbessert, zwei Zahlungsvorgänge sind für die Konsumentin und den Konsumenten mit Mühe und Zusatzkosten verbunden. Eine gesamte Rechungslegung wird unserer Einschätzung nach von den Kundinnen und Kunden daher eher abgelehnt als gewünscht.
Verordnungsermächtigung betreffend Ausgestaltung von Rechnung (§ 45c Abs. 2 ElWOG):
Die Einräumung einer Verordnungskompetenz für die Ausgestaltung von Rechnungen und weiteren Informationspflichten werden abgelehnt. Es gibt bereits gesetz-liche Vorgaben über die Inhalte von Stromrechnungen. Eine zusätzliche Verordnungsermächtigung greift in den letzt verbliebenen Gestaltungsspielraum ein. Eine jede vorgegebene Änderung zieht enorme Anpassungskosten nach sich (z. B. „Change Requests“). Die Kosten müssen sich somit in den Netztarifen wieder finden. Dies führt folglich wieder zu erhöhten Kosten für die Konsumentinnen und Konsumenten.
Informationspflicht des Netzbetreibers (§ 45d ElWOG):
Jede Kundin oder jeder Kunde erhält derzeit schon bei Vertragsabschluss ein Informationsblatt über den liberalisierten Markt, welches mit der ECG entwickelt wurde. Dieses ist seit 2006 in Verwendung und über die Homepage der Netzbetreiber abrufbar. Eine Übermittlung des Informationsblattes mit der Rechnung ist bei Rechnungslegung durch den Lieferanten nicht möglich. Ist dies trotzdem gewünscht, bedeutet das eine jährliche Massenaussendung zusätzlich zur Rechnung, die mit enormen Kosten verbunden ist. Wenn es um eine effiziente und kostengünstigere Informationsübermittlung an die Konsumentinnen und Konsumenten gehen soll, sollten bestehende Kommunikationskanäle, wie zB Kundenzeitungen, genützt werden dürfen.
„Zählpunktdatenbank“ (§ 45d Abs. 3 ElWOG):
Zur Bestimmung in Abs. 3, wonach der Netzbetreiber den Lieferanten und Bilanzgruppenverantwortlichen laufend die für die Verrechnung notwendigen Daten „im Wege der Verrechnungsstelle“ zur Verfügung stellen muss, ist festzuhalten, dass bereits derzeit jedem Strom- und Gashändler, die für die Verrechnung seiner Kundinnen und Kunden notwendigen Daten zur Verfügung gestellt werden. Völlig unklar ist der Zweck und Mehrwert der Übermittlung dieser Daten „im Wege der Verrechnungsstelle“, zumal die Verrechnungsstelle in keiner Beziehung zur Endkundin oder zum Endkunden steht. Die in Abs. 3 vorgesehene Übermittlung von personenbezogenen Daten an die Verrechungsstelle ist in dieser Form auch verfassungsrechtlich bedenklich. Die sachliche Rechtfertigung für eine derartige Regelung ist fraglich. Auf die bereits im Jahr 2006 erhobenen Bedenken anlässlich der damals geplanten Einführung einer sogenannten Zählpunktsdatenbank wird verwiesen: Bereits damals war vorgesehen, dass personenbezogene Daten der Kundinnen und Kunden durch den Netzbetreiber an den Bilanzgruppenkoordinator übermittelt werden sollten. Im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Bestimmungen über den Datenschutz war unklar, welchem einen Eingriff rechtfertigenden Schutzgut die Maßnahmen zuzuordnen sein sollen. Auch der nunmehr vorliegende Entwurf lässt jegliche Maßnahmen zur Gewährleistung der Geheimhaltung vermissen und nimmt den Kundinnen und Kunden in Angelegenheiten, die keinem näher definierten Zweck dienen, jegliches Zustimmungs- oder Widerspruchsrecht.
Lieferantenwechsel binnen drei Wochen (§ 47a ElWOG):
Im vorliegenden Entwurf ist keine Übergangsregelung für eine Verkürzung der Wechselfrist vorgesehen und das Gesetz tritt mit Kundmachung in Kraft. Organisatorisch ist eine Umsetzung ohne Übergangsfrist nicht machbar. Im 3. Binnenmarktpaket ist eine Verkürzung der Wechselfirst vorgesehen, auf die sich die Branche vorbereitet. Eine Umsetzung sollte daher Zug um Zug erfolgen.
Bescheidmäßige Feststellung des öffentlichen Interesses (§ 7 Abs. 3 EIWOG und § 6 Abs. 3 EIWG):
Die in Artikel 1 Z 4 (§ 7 Abs. 3 ElWOG) bzw. in Artikel 2 Z 3 (§ 6 Abs. 3 GWG) vorgesehene bescheidmäßige Feststellung des öffentlichen Interesses wird aus ho. Sicht wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung für nachfolgende Genehmigungsverfahren ausdrücklich begrüßt.
Unmittelbar anwendbares Bundesrecht (§ 71 Abs. 6d):
Die vorliegende Bestimmung wird auf Grund der Fristsetzung "....innerhalb von sechs Monaten.... zu erlassen und in Kraft zu setzen" abgelehnt, da eine Einhaltung dieser Frist äußerst problematisch sein könnte. Darüber hinaus darf angemerkt werden, dass zahlreiche Regelungen auf grundsatzgesetzlicher Ebene mit nachfolgenden Ausführungsgesetzen (insbesondere Z 5 bis 7 und Z 10) aus ho. Sicht nicht unbedingt notwendig erscheinen, da diese Vorgaben bereits jetzt (und mit wesentlich weniger Aufwand!) im Rahmen der Allgemeinen Bedingungen für den Zugang zum Verteilernetz einer Regelung unterzogen werden könnten.
Verordnungsermächtigung der ECK für die Wechselverordnung (§ 47a ElWOG, § 16 Abs. 1 Z 31 E-RBG):
Die Verordnungsermächtigung soll durch eine Verfassungsbestimmung im E-RBG abgesichert werden. Das ist verfassungsrechtlich bedenklich, da der Verfassungsgerichtshof dezidiert gegen Verordnungsermächtigungen von Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag entschieden hat. (6.10.2006 G151/05 u.a., VfSlg 17.961)
Monatliche Erhebung der gewechselten Kunden (§ 27 Abs. 2 E-RBG):
Dies ist bereits durch die Meldepflichten der Netzbetreiber im Rahmen der Marktstatistik aufgrund der Statistikverordnung für Strom und Gas abgedeckt. Dadurch ist kein Regelungsbedarf gegeben.
Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Energie-Control GmbH die Anzahl der gewechselten Kundinnen und Kunden für ihre Aufsichtfunktion benötigen soll. Es darf neuerlich angemerkt werden, dass der Ansatz, das Funktionieren eines Marktes (ausschließlich) an der Anzahl der gewechselten Kundinnen und Kunden zu beurteilen aus ho. Sicht als unverständlich anzusehen ist.
Eine Ausfertigung dieser Stellungnahme ergeht an die e-mail Adresse „begutachtungsverfahren@parlament.gv.at“.
Im Auftrag des Landesamtsdirektors:
Zl.u.Betr.w.v. Eisenstadt, am 5.6.2009
1. Präsidium des Nationalrates, Dr. Karl Renner-Ring 3, 1017 Wien
2. Präsidium des Bundesrates, Dr. Karl Renner-Ring 3, 1017 Wien
3. Allen Ämtern der Landesregierungen (z.H. der Herren Landesamtsdirektoren)
4. Der Verbindungsstelle der Bundesländer beim Amt der NÖ Landesregierung, Schenkenstraße 4, 1014 Wien
zur gefälligen Kenntnis.
Für die Landesregierung:
Im Auftrag des Landesamtsdirektors:
Dr.in Handl-Thaller