Sehr geehrte Damen und Herren,

in dieser Stellungnahme möchte die Studien- und Fakultätsvertretung Psychologie der Universität Wien auf Problematiken im Gesetzesentwurf zum Psychologengesetz hinweisen.

 

Absolvierung der Praxisstunden im Rahmen von Arbeitsverhältnissen

 

Die Situation für Auszubildende für den Klinischen- und Gesundheitspsychologen war bisher mit starken finanziellen Belastungen verbunden, weil die Ausbildungsstellen ihre Ausbildenden nicht bezahlt haben. Dies ist und war für die Auszubildenden eine unzumutbare Situation, die ökonomische (z. B. durch Steuerentgang) und soziale Kosten für die Allgemeinheit mit sich bringt, die hier nicht näher behandelt werden können. Daher ist die Regelung der Bezahlung in § 8 (1) Punkt 1 aa und ba, dass der Erwerb fachlicher Kompetenz im Rahmen von Arbeitsverhältnissen erfolgen soll, sehr begrüßenswert. Dies ist gegenüber dem Psychologengesetz von 1990 eine deutliche Verbesserung.

Um sicherzustellen, dass die Auszubildenden angemessen bezahlt werden, und dass es zu keiner Reduktion der Ausbildungsplätze kommt, sind wahrscheinlich weitere gesetzliche Regelungen notwendig.

 

Ausschluss von PsychologieabsolventInnen von Berufstätigkeit

 

Die im § 7 (1) Punkt 2 vorausgesetzten Lehrinhalte im Ausmaß von 75 ECTS im Bereich der Klinischen- und Gesundheitspsychologie sind von der Mehrheit der AbsolventInnen des Psychologiestudiums an der Universität Wien derzeit nicht erfüllbar. Für den Rest sind diese Voraussetzungen nur schwer möglich zu erfüllen. Davon sind AbsolventInnen des Bachelor- bzw. Masterstudiums genau wie AbsolventInnen des Diplomstudiums betroffen, weil es noch möglich ist, im Diplom bis 30. 6. 2016 zu studieren. Zur näheren Erläuterung dieses Problems ist die Problematik zuerst für DiplomstudiumabsolventInnen und dann AbsolventInnen des Bachelor-[1] bzw. Masterstudiums[2] angeführt. Generell betrifft diese Problematik, die Schwerpunktsetzung im Studium, welche die Berufschancen von HochschulabsolventInnen erhöhen sollte. Der § 7 schränkt in seiner derzeitigen Form die Berufstätigkeit erheblich ein. Im Diplomstudium lauten diese Schwerpunktsetzungen Wahlpflichtfach und im Masterstudium Vertiefungen.

 

 

 

Diplomstudium

 

Es muss bemerkt werden, dass es nicht allen Studierenden möglich ist, im Diplomstudium Lehrveranstaltungen zu absolvieren, welche sie besuchen wollen, da Proseminare platzbeschränkt sind. Diese Platzbeschränkungen bringen auch Einschränkungen bei den Schwerpunkten mit sich, weil Studierende, die nicht ein Semester länger warten können, von besonders begehrten Schwerpunkten ausgeschlossen sind. Ein auf das Psychologengesetz ausgerichtete studieren ist daher nur schwer möglich.

Der § 7 schließt AbsolventInnen des Diplomstudiums[3] Psychologie aus, die nicht im Schwerpunkt Klinische- und Gesundheitspsychologie studiert haben. Genauer handelt es sich dabei um AbsolventInnen, die ihr Wahlpflichtfach aus den Bereichen Spezielle Psychologische Diagnostik, Bildung Evaluation und Training, Wirtschaftspsychologie, Angewandte Sozialpsychologie und Angewandte Kinder- und Jugendpsychologie gewählt oder miteinander kombiniert haben.

Auch für AbsolventInnen, die das Wahlpflichtfach Klinische- und Gesundheitspsychologie studierten, sind Zweifel an der Erfüllung der geforderten Inhalte angebracht. Bestimmte Inhalte sind als gesonderte Lehrveranstaltungen im Lehrangebot nicht enthalten. Beispielsweise gab es weder im Wintersemester 2012/13[4] noch im Sommersemester 2013[5] eine gesonderte Lehrveranstaltung zur Psychopharmakologie.

 

Bachelor-Masterstudium

 

Da sich die Fakultät der Psychologie an der Universität Wien außerstande sieht den Studierenden ihre Schwerpunkte frei wählen zu lassen, werden die beschränkten Plätze durch ein Zuteilungsverfahren vergeben[6]. 55% der Studierenden werden dabei der Vertiefung Gesundheit, Entwicklung & Förderung zugeteilt.

Für Studierende des Psychologiemasters an der Universität Wien, die den Schwerpunkten „Angewandte Psychologie: Arbeit, Bildung & Wirtschaft“ bzw. „Psychologischen Grundlagen: Geist & Gehirn“ zwangszugeteilt werden, können die Voraussetzung im § 7 nicht erfüllen.

Dazu kommt, dass es für Studierende, die dem Schwerpunkt „Gesundheit, Entwicklung und Förderung“ zugeteilt werden, unklar ist, ob dessen Lehrinhalte, die im § 7 angeführten Voraussetzungen erfüllen. In dieser Vertiefung werden auch Inhalte aus der Psychologischen Diagnostik und Entwicklungspsychologie gelehrt, was eine Reduktion von Inhalten aus der Klinischen- und Gesundheitspsychologie mit sich bringt.

Änderungen im Curriculum zulasten der geforderten Inhalte sind durchaus möglich, da etwa Stellen im Bereich der Klinischen Psychologie, im Zuge von Einsparungen, gestrichen werden könnten.

 

Mit Sicherheit schließt diese Zugangsbeschränkung mehr als die Hälfte der AbsolventInnen des Diplomstudiums Psychologie und einen erheblichen Teil der AbsolventInnen des Masterstudiums der Psychologie von einer Ausbildung aus, die in vielen Berufsfeldern der Psychologie als Grundvoraussetzung für eine Anstellung gilt. Der § 7 (1) Punkt 2 ist daher de facto ein Berufsverbot von AbsolventInnen, die im Studium weitere Bereiche der Psychologie näher kennenlernen wollten (z.B. Organisationspsychologie, Bildungspsychologie, Diagnostik etc.). Ein Verbotsgrund ist für AbsolventInnen des Diplomstudiums beispielsweise die Kombination des Wahlpflichtfachs aus dem Bereich Diagnostik und Klinischer- und Gesundheitspsychologie. Der Verbotsgrund für AbsolventInnen des Masterstudiums Psychologie ist eine Zuteilungsprüfung, die wahrscheinlich mit den Anforderungen der Praxis wenig zu tun hat. Ein Ausschluss von der Ausbildung zum Klinischen- und Gesundheitspsychologen aufgrund abweichender Studienschwerpunkte, ist daher bedenklich.

Der gegenwärtige Gesetzesentwurf schränkt die Berufschancen von AbsolventInnen eines Hochschulstudiums deutlich ein. Ein zukünftiger PsychologInnenmangel, auf den die Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Psychologie Frau Prof. Dr. Christiane Spiel[7] bereits hingewiesen hat, wird damit unnötig verstärkt. Außerdem bringen Psychologen, die im Studium einen von der Spezialisierung zum Klinischen- und Gesundheitspsychologen abweichenden Schwerpunkt absolviert haben, einen breiteren Zugang zum Fach mit ein, der für Klienten in jeglichen Bereich ein großer Vorteil ist.

Aus Sicht der Studien- und Fakultätsvertretung sind AbsolventInnen eines zehnsemestrigen Hochschulstudiums durchaus qualifiziert sich in Klinischer- und Gesundheitspsychologie zu spezialisieren. Eine Streichung des Punktes 2 des § 7 ist aus unserer Sicht notwendig, weil dieser Punkt erhebliche soziale und ökonomische Kosten mit sich bringt.

 

Beleg physischer und psychischer Eignung

 

Es ist darauf hinzuweisen, dass die Überprüfung nach psychischer Eignung eine zukünftige Problematik bei der Selektion der Auszubildenden darstellen könnte, da diese auf willkürliche oder persönliche Kriterien der Begutachtung zurückzuführen sein könnte.

 

 

 

Erhöhung der Ausbildungsdauer

 

Problematisch sieht die Studien- und Fakultätsvertretung Psychologie der Universität Wien die Erweiterung des Umfangs an Theorie, Praxis und Supervision, was die Ausbildungsdauer gegenüber der bisherigen Regelung um mindestens die Hälfte verlängern. Dass diese Verlängerung einen erhöhten Lerneffekt mit sich bringt, ist zweifelhaft. Folgende Tabelle zeigt den Umfang dieser Erweiterung.

 

Psychologengesetz 1990                                       Gesetzesentwurf

Praxisstunden für den Klinischen- und Gesundheitspsychologen:

1480 (§ 6)

Praxisstunden für Gesundheitspsychologen:

1553 (§ 15)

Praxisstunden für Klinischen Psychologen:

2098 (§ 24)

Theoriestunden zur Ausbildung zum Klinischen und Gesundheitspsychologen:

160 (§ 5)

Theorieeinheiten zur Ausbildung zum Gesundheitspsychologen:

340 (§ 14)

Theorieeinheiten zur Ausbildung zum Klinischen Psychologen:

340 (§ 14)

 

Supervision zur Ausbildung zum Klinischen- und Gesundheitspsychologen:

120 Stunden (§ 6)

Fallsupervision zur Ausbildung zum Gesundheitspsychologen:

100 Stunden (§ 14)

Fallsupervision zur Ausbildung zum Klinischen Psychologen:

120 Stunden (§ 24)

 

Die Ausbildung zum Klinischen- und Gesundheitspsychologen würde sich im Fall der Umsetzung dieses Entwurfes um mindestens 50% verlängern und einen erhöhten finanziellen Aufwand mit sich bringen. Das Erlernen der Fähigkeiten der selbstständigen Berufsausausübung ist mit dem, im Psychologengesetz von 1990, gefordertem Ausmaß an Praxis- Theorie- und Supervisionsstunden ausreichend. Arbeitgebern wäre es sonst nicht möglich gewesen, AbsoventInnen der Ausbildung zum Klinischen- und Gesundheitspsychologen anzustellen. Für die Auszubildenden hat die Vermehrung der geforderten Praxiszeit keinen weiteren Lerneffekt. Die Erweiterung des Theorieblocks bringt für die Auszubildenden, aufgrund der starken Überschneidung der Inhalte aus den beiden Bereichen ebenfalls keinen weiteren Lerneffekt. Allerdings einen finanziellen Mehraufwand, da die Theoriekurse kostenpflichtig sind.

Kritisch zu betrachten ist zudem, dass es durch die Verlängerung der Ausbildungszeit schon bald zu einer Verringerung der Ausbildungsstellen kommen kann.

 

 

 

 

Höhe der Haftpflichtversicherung

 

Die im § 39 geforderte Höhe der Haftpflichtversicherung ist nicht gänzlich nachvollziehbar, da unklar ist wie PsychologInnnen im Rahmen ihrer Berufstätigkeit einen derart hohen Schaden verursachen können.

 

Verbot gesundheitsbezogen Tätigkeit für Nichtgesundheitspsychologen

 

Das im § 13 (4) und (5) ausgesprochene Verbot gesundheitspsychologischer Tätigkeit für Personen ohne Ausbildung zum Gesundheitspsychologen ist ein Verbot, dass folgende zwei Probleme beinhaltet.

Erstens könnte dies bedeuten, dass entweder Psychologen ohne Ausbildung zum Gesundheitspsychologen nicht mehr psychologische Maßnahmen setzen, die in irgendeiner Weise der Förderung und dem Erhalt von psychischer Gesundheit dient. Ärzte, Krankenschwestern, Krankenpfleger usw. dürfen dies aber weiterhin. Etwa würde dies Arbeitpsychologen verbieten gesundheitsförderliche Maßnahmen in Organisationen zu setzen.

Zweitens könnte dies bedeuten, dass dieses Verbot einen Berufsbereich schützt, der als Fach besonders von Klinischer Psychologie in der Praxis so strikt getrennt nicht existiert. Dies lässt sich gut an der Vertretung des Bereichs Gesundheitspsychologie an der Universität festmachen, derzeit existiert an der Universität Wien kein eigenes Institut für Gesundheitspsychologie. In Zeiten von Sparpaketen ist auch nicht damit zu rechnen, dass separate Professuren für Gesundheitspsychologie neu eingerichtet werden. Beispielsweise können auch diagnostische Prozesse in der Berufsberatung gesundheitsförderlich sein. Gesundheitsförderung hängt mit vielen Teilbereichen der Psychologie zusammen. Daher wurde bisher die Gesundheitspsychologie im Zusammenhang mit der Klinischen Psychologie gelehrt.

 

Abschlussworte

 

Wir als Studien- und Fakultätsvertretung Psychologie an der Universität Wien sind der Meinung, dass bei § 7, Punkt 2 und 3 zu streichen sind, die Ausbildungsdauer nicht in diesem Ausmaß zu verlängern ist, die Praxisausbildungseinrichtungen zu verpflichten sind für die bezahlten Fachausbildungsplätze zu sorgen, die Höhe der Haftpflichtversicherung herabzusetzen ist und kein Berufsverbot für AbsolventInnen des Hochschulstudiums der Psychologie zu bewirken ist.



[1] Curriculum des Bachelorstudium an der Universität Wien, URL: https://typo3.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/ssc_psychologie/downloads/Bachelorstudium/Allgemeine_Informationen/Studienplan_-_Bachelor_Psychologie.pdf

[2] Curriculum des Masterstudiums an der Universität Wien, URL: http://ssc-psychologie.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/ssc_psychologie/downloads/Masterstudium/Mastercurriculum_Psychologie.pdf

[3] Curriculum des Diplomstudiums an der Universität Wien, URL: http://ssc-psychologie.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/ssc_psychologie/downloads/Diplomstudium/Allgemeine_Informationen/Studienplan_Diplom_ab_01_10_2011.pdf

[4] Vorlesungsverzeichnis Universität Wien Wintersemester 2012/2013, URL: http://online.univie.ac.at/vlvz?kapitel=2001&semester=S2013

[5] Vorlesungsverzeichnis Universität Wien Sommersemester 2013, URL: http://online.univie.ac.at/vlvz?kapitel=2001&semester=W2012

[6] Mastercurriculum Psychologie der Universität Wien § 9

[7] Stellungnahme der ÖGP zum Psychologenmangel, URL: http://www.oegp.net/