Sehr
geehrte Damen und Herren!
Unten leite ich Ihnen meinen Brief an Herrn Faymann, Herrn Dr. Spindelegger und
Frau Dr. Glawischnig weiter, dem sich meine erste Stellungnahme zum neuen
LehrerInnendienstrecht entnehmen lässt.
Der Einfachheit halber möchte ich meine wichtigsten Kritikpunkte zum neuen
Dienstrecht hier für Sie noch einmal kurz zusammenfassen. Meiner Ansicht
nach ist folgendes am geplanten Dienstrecht für Lehrerinnen und Lehrer VOLLKOMMEN
INAKZEPTABEL:
1) Die Ausweitung der Arbeitszeit von LehrerInnen auf 22-24 Stunden Unterrichtsverpflichtung,
die weder das komplexe Aufgabenfeld von LehrerInnen noch die für
Unterrichtsstunden notwendige zeitintensive Vor- und Nachbereitung (z.B.
Korrekturarbeit) berücksichtigt.
2) Die Tatsache,
dass das neue LehrerInnendienstrecht keine Differenzierung zwischen LehrerInnen
verschiedener Fächer in Bezug auf die vorgeschriebene
Mindestunterrichtszeit (also 22-24 h) vorsieht, was völlig außer
Acht lässt, das mit verschiedenen Fächern auch ein verschiedenes
Arbeitspensum an Vor- und Nachbereitung verbunden ist (vgl. Korrekturarbeit
eines Deutsch- und Englischlehrers im Oberstufenbereich mit einem Sport- und
Musiklehrer im Unterstufenbereich, sprich "Schularbeitsfächer"
vs. andere).
3) Die Tatsache, dass LehrerInnen auch in Fächern eingesetzt werden
können, für die sie niemals auch nur irgendeine Ausbildung erhalten
haben (und das auch gegen ihren Willen!). Diese Maßnahme soll anscheinend
nur dazu dienen, kostengünstig das lästige Phänomen des
Lehrermangels zu beseitigen. Der Unterricht würde aber auf diese Weise
eine dramatische Qualitätssenkung erfahren - vor allem im
Oberstufenbereich! Ob auf diese Weise SchülerInnen zielführend und
bestmöglich auf die (Neue) Matura vorbereitet werden können, ist
ebenfalls fraglich. Davon abgesehen empfinde ich diesen Punkt als massive
Herabwürdigung der universitären Ausbildung von LehrerInnen, sowie
der eben dort von ihnen erworbenen Fachkompetenz. Denn es wird suggeriert, dass
letztere anscheinend ohnehin nicht von Nöten sei, um die von den
LehrerInnen studierten Fächer zu unterrichten.
4) Die MASSIVE
Kürzung der Lebensverdienstsumme von LehrerInnen, welche die mangelnde
Wertschätzung der Bildungsministerin und der Regierung für die
Berufsgruppe der Lehrer/innen und ihre Arbeit widerspiegelt.
5) Das Fehlen des Anrechts auf eine richtige (!) Induktionsphase als Abschluss
der Lehramtsausbildung (wie z.B. im Moment das Unterrichtspraktikum). Die
geplante neue „Induktionsphase“ ist vom Arbeitsaufwand für
einen Berufsanfänger kaum bis gar nicht zu bewältigen, und hat
mit einer ‚Induktion‘ daher nicht im Geringsten etwas zu tun. So
sollen neue LehrerInnen demnach sofort eine volle Lehrverpflichtung
übernehmen und nebenbei auch noch Kurse an der Universität oder der
PH UND Hospitationen absolvieren. Diese Maßnahme dient vermutlich
ebenfalls dazu, den Lehrermangel diskret zu beseitigen. Hier frage ich mich,
warum es den Verfassern des neuen Dienstrechts nicht unangebracht scheint,
jungen, noch unerfahrenen Lehrkräften (die noch wenig Arbeitsroutine
besitzen und wesentlich mehr Zeit zum Vor- und Nachbereiten brauchen als
erfahrene LehrerInnen!) eine volle Lehrverpflichtung samt zeitintensiver
begleitender Ausbildung zuzumuten? Wie soll auf diese Weise Zeit für ernsthafte
Praxisreflexion bleiben? Was werden diese jungen Lehramtskandidaten aus
ihrer begleitenden Ausbildung mitnehmen können, wenn sie bald am Ende
ihrer Kräfte angelangt sein werden, weil sie bis spät in die Nacht
Stunden vor- und nachbereiten müssen?
Des Weiteren scheint mir diese neue „Induktionsphase“ auch aus organisatorischen/geographischen Gründen sehr schlecht durchführbar (Beispiel: alle Junglehrer, die in dieser Phase in den ländlichen Regionen eingesetzt werden sollen, weit ab von universitären Einrichtungen).
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FAZIT: Das neue LehrerInnendienstrecht setzt in meinen Augen die
universitäre Ausbildung, die Kompetenz und die geleistete Arbeit der
österreichischen LehrerInnen herab und ist als massiv LEHRERFEINDLICH und
auch SCHÜLERFEINDLICH einzustufen (denn letzteren wird auf diese Weise
kein qualitätsvoller Unterricht in Aussicht gestellt). Es als
"attraktiv" zu bezeichnen ist einfach nur blanker Hohn. Frau Minister
Schmied und Frau Minister Heinisch-Hosek halten die österreichischen
LehrerInnen anscheinend für geistig zurückgeblieben, wenn sie
wirklich annehmen, ein derartiger Vorschlag würde mit Jubel angenommen
werden. Wenn den österreichischen PolitikerInnen die Bildung der kommenden
Generationen und die Lehrerinnen und Lehrer dieses Landes auch nur irgendwie am
Herzen liegen, dann wird das neue LehrerInnendienstrecht, so, wie es im
Moment geplant ist, von Österreichs neuer Regierung nach der
Nationalratswahl umgehend abgelehnt werden.
Mit freundlichen Grüßen,
Veronika T.
PS: Gegen ein qualitativ HOCHWERTIGES neues LehrerInnendienstrecht ist natürlich nichts einzuwenden. Es soll niemand sagen, dass ich mich in diesem E-mail gegen Veränderungen stemme. Ich stemme mich lediglich gegen Veränderungen, die ganz klar als nicht nur kontraproduktiv, sondern auch als destruktiv einzustufen sind!
Sehr geehrte Frau Bundessprecherin Dr. Glawischnig, sehr geehrter Herr Bundesparteivorsitzender Faymann, sehr geehrter Herr Bundesparteiobmann Dr. Spindelegger!
Sie können sich glücklich schätzen - denn unter allen
österreichischen Parteien habe ich nur Ihre drei ausgewählt, um in
das Rennen um meine Stimme für die anstehende Nationalratswahl in
Österreich einzusteigen! Ich gratuliere Ihnen herzlich zu dieser
außerordentlichen Leistung!
Es wird Sie vielleicht interessieren, welche Anforderungen auf Sie zukommen, um aus diesem harten Wettbewerb siegreich
hervorzugehen. Leider muss ich gestehen, dass es nicht leicht für Sie
werden wird, die heißbegehrte Trophäe, meine Stimme, zu erringen. Denn wenn Sie sich damit
brüsten, meine Interessen zu vertreten, könnten Sie sich bei gewissen
Wählern unbeliebt machen. Ich gehöre nämlich zu einer Gruppe von
Bürgern, deren Interessen nur die wenigsten
in diesem Land interessieren. Eine Randgruppe, die von vielen mit Misstrauen
und Verachtung beäugt wird, denn ich gelte als arbeitsscheu, als Parasit
im System, der für Missstände in unserem Land verantwortlich zu machen
ist. Sie haben es richtig erraten: ich bin eine angehende Junglehrerin.
Es verletzt mich zutiefst, wie die Leute in diesem Land und auch Sie, ja Sie,
über mich denken. Dabei habe ich doch immer versucht mein Bestes zu
geben. Ich habe vor 5 Jahren mein Studium für Lehramt
Englisch-Französisch an der Universität Wien begonnen. Von Beginn an
war sie da: die Leidenschaft. Die Faszination. Ich begann, mich in meinen
Fächern weiter zu vertiefen, bekam eine Anstellung an der Universität
als Tutorin, Leistungsstipendien, eine Auszeichnung für meine akademische
Leistung im Fach Linguistik. Ich tauchte ein in die Wissenschaft der Sprache,
der Kultur, der Literatur, der Fremdsprachendidaktik. Doch anscheinend ist
das alles nichts wert. ICH bin in Ihren Augen nichts wert. Meine
Ausbildung, die vielen Kompetenzen, die
ich mir angeeignet habe, die mich dazu befähigen, Fremdsprachen
bestmöglich zu unterrichten, sie sind für Sie unsichtbar. Denn was
macht ein Lehrer schon groß? Er stellt sich vor eine Klasse, teilt
Arbeitsblätter aus. Dann zu Mittag raus aus der Schule und rein in die
Freizeit. Wer braucht dazu schon eine spezifische Ausbildung?
Ja, ich weiß genau, dass Sie so über mich denken. Sonst hätten
Sie, Herr Faymann und Herr Dr. Spindelegger, nicht den Gesetzesentwurf
über das neue LehrerInnendienstrecht, der eine wahre Beleidigung für alle jetzigen und künftigen
österreichischen Lehrerinnen und Lehrer darstellt, in Begutachtung geschickt (obwohl alle Lehrergewerkschaften
Österreichs dagegen protestierten!). Und Sie, Frau Glawischnig,
hätten nicht tatenlos zugesehen. Ich weiß genau, was Sie mir mit
diesem Entwurf sagen wollen: dass ich, und alle anderen Lehrerinnen und Lehrer,
nichts wert sind. Denn unsere Arbeit setzt anscheinend keine spezifische
fachliche Kompetenz voraus (warum sonst würde der Gesetzesentwurf
beinhalten, dass jede/r Lehrer/in auch in Fächern, in denen er/sie keine
Ausbildung besitzt, auch gegen seinen Willen eingesetzt werden kann?). Und
genau darum ist unsere Arbeit viel weniger wert, als bisher angenommen (darum
die massive Kürzung der Lebensverdienstsumme). Und überhaupt arbeiten
wir zu wenig - denn das bisschen Korrektur- und Vorbereitungsarbeit zu Hause
ist ja nun wirklich nicht der Rede wert (darum die massive Erhöhung der
Arbeitszeit für alle LehrerInnen, ohne Rücksichtnahme auf die
unterrichteten Fächer).
Und da stelle ich mir die Frage: habe ich das verdient, mich so behandeln zu
lassen? Als in ihrem Fachgebiet ausgezeichnet ausgebildete, motivierte,
junge Arbeitskraft? Für mich lautet die Antwort: nein. Und so wird es auch
vielen, vielen anderen hochmotivierten, gut ausgebildeten angehenden
JunglehrerInnen in diesem Land gehen. Dann eben nicht. Noch steht mir frei, in
eine andere Sparte einzusteigen.
Sie alle behaupten, die Qualität von Österreichs Bildungssystem
erhöhen zu wollen. Doch Worte und Taten sind zwei verschiedene Dinge.
Bedenken Sie Folgendes: welcher junge Mensch,
der noch einen Funken Selbstachtung in sich trägt, wird sich unter
derartigen künftigen Arbeitsbedingungen für diesen Beruf entscheiden?
Mehr Klassen, weniger Zeit für den/die einzelne/n Schüler/in, das
sieht der neue Gesetzesentwurf vor. Ich würde jetzt sehr gerne von
Ihnen wissen, inwiefern die Qualität des Unterrichts in Österreich
gesteigert werden soll, wenn LehrerInnen weniger Zeit zum Vor- und Nachbereiten
haben, und sich im Schnitt um mehr SchülerInnen als zuvor kümmern
müssen. Welche/r Lehrer/in soll da noch Zeit haben, Engagement zu
zeigen, zusätzliche Projekte zu organisieren, sich Gedanken über das
Was und Wie seines Unterrichts zu machen? Für mich ist der Ausgang dieses
Szenarios klar: bevor ich mich nach den ersten 3 Jahren als Lehrer/in mit
Burn-out in die nächste Nervenheilanstalt begebe, steige ich in diesen
Beruf gar nicht erst ein. Geschätzt werde ich dort sowieso nicht, und
selbst verwirklichen könnte ich mich als Lehrerin auch nicht. Denn mit der
erhöhten Unterrichtsverpflichtung fehlt die jetzt schon kaum vorhandene
Zeit, guten Unterricht zu gestalten (ja, gestalten!). So wie ich werden auch
viele andere angehende Junglehrer/innen denken. Und wer, frage ich mich, geht
dann in den Lehrberuf? Vermutlich die Leute, denen es jetzt schon „wurscht“
ist. Dann lädt man halt ein paar Arbeitsblätter vor der
nächsten Englischstunde aus dem Internet herunter, damit sollen sich die
Kinder dann beschäftigen. Ob ihnen das Spaß macht oder sie in dem
Fach weiterbringt interessiert nicht. Ich muss einstweilen Hausübungshefte
korrigieren, denn dazu fehlt mir sonst die Zeit…
Man könnte jetzt meinen, Sie seien einfach der falschen Annahme gewesen,
dass die von Ihnen geplanten Maßnahmen zur Verbesserung des
österreichischen Bildungssystems beitragen würden. In diesem Fall
können wir ja nun alle gemeinsam erleichtert aufatmen, denn Gott sei Dank
hatten Sie nun die Gelegenheit, von mir noch
rechtzeitig aufgeklärt zu werden! Jetzt steht einem neuen, qualitativ
HOCHWERTIGEN LehrerInnendienstrecht nichts mehr im Wege.
Ich habe aber einen anderen, dunklen, sehr sehr traurigen Verdacht. Vielleicht wussten Sie all das, was ich Ihnen gerade
versucht habe mitzuteilen, schon von Beginn an. Der Wahlkampf ist hart, der
Sieg schwer umkämpft. Warum sich also nicht beliebt machen, indem man auf
den gemeinsamen Sündenbock schimpft? Und wenn dabei das
österreichische Bildungssystem einen weiteren Schritt gen Abgrund tut?
Unwichtig. Was zählt schon die Wahrheit, wenn es um den Sieg geht.
Aber: noch haben Sie Zeit, mich vom
Gegenteil zu überzeugen. Wer von Ihnen dreien es wohl schaffen wird?
Mit freundlichen Grüßen,
Veronika Thir