Sehr geehrte Damen und Herren im Parlament!

 

Ich habe mich vor vielen Jahren für meinen Traumberuf entschieden und bin nun schon seit 27 Jahren Lehrer für Deutsch, Französisch und Darstellendes Spiel am Bundesgymnasium in Hollabrunn. Ich gehe nach all den Jahren noch immer gerne in die Schule, weil ich die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen mag. Bei uns gibt es – anders als in der Großstadt - auch noch relativ wenige Problemkinder, das heißt, das Unterrichten selbst macht mir Spaß und ist wenig anstrengend. Was aber anstrengend und zeitaufwändig ist, ist die Verbesserungsarbeit. Ich bin davon überzeugt, dass es wichtig ist, Texte, die die SchülerInnen verfassen, zu korrigieren. Nur aus ihren eigenen Fehlern können sie lernen. Derzeit unterrichte ich 2 Französisch- und 4 Deutschklassen. Haben Sie eine Vorstellung, wie viel Zeit ich da mit den Korrekturen von Hausübungen und Schularbeiten verbringe? Schätzen Sie einmal, wie viel Zeit man für die Korrektur (nein, nicht nur von Rechtschreib- und Grammatikfehlern, sondern von Inhalt, Sprache, Aufbau, Form) + verbale Beurteilung (denn nur so verstehen die Mädchen und Buben, was sie besser machen können/sollten) einer Arbeit braucht! – Ich sage es Ihnen: Für eine Schularbeit eines Schülers/einer Schülerin einer 1. Klasse brauche ich durchschnittlich eine halbe Stunde, für eine Maturaarbeit 2 – 3 Stunden. Im Vorjahr hatte ich 28 schriftliche Deutschmaturaarbeiten…Rechnen Sie sich das einmal aus! Dazu kommen noch die Hausübungen, für die ich mir zwar nicht so viel Zeit nehme (nehmen kann), aber auf ca. die Hälfte der Zeit einer Schularbeit komme ich auch. In Deutsch schaue ich vor jeder Schularbeit pro SchülerIn 3 Texte an (in Französisch sind es mehr). Ich habe insgesamt 121 SchülerInnen, 21 Schularbeiten und wieder Matura in diesem Jahr. Von Oktober – Mai (bei einem späten Maturatermin bis Juni) habe ich kaum einen Samstag oder Sonntag frei. Schularbeiten lege ich gerne an Tage vor einem Feiertag, weil ich da mehr Zeit zum Verbessern habe. Verstehen Sie jetzt, dass ich ein großes Problem mit dem neuen Lehrerdienstrecht habe? Wie soll ein Lehrer mit zwei Schularbeitsfächern ordentlich verbessern können? Finden Sie es wirklich richtig, dass ein Lehrer mit vorwiegend Erzieherstunden, wo es im besten Fall eine Vorbereitung, aber keine Nachbereitung gibt, genauso viel Zeit in der Schule verbringt wie ein Lehrer mit Schularbeitsfächern? Die Ausbildung unserer Kinder und Enkelkinder muss zwangsläufig schlechter werden, wenn LehrerInnen kaum mehr korrigieren können. 

Vielleicht wollen Sie mir jetzt entgegnen, dass ein Lehrer/eine Lehrerin mit Deutsch und Französisch dann ja in der Sekundarstufe 1 nicht unbedingt nur die Schularbeitsfächer unterrichten muss. Ja, er/sie kann dann auch für Physik und Technisches Werken eingeteilt werden. Was denken Sie, warum ich Deutsch und Französisch studiert habe? Glauben Sie, dass ein Lehrer/eine Lehrerin die Jugendlichen für ein Fach begeistern kann, das ihn selber nicht sonderlich interessiert? Auch diese Situation wird dazu führen, dass unser Bildungsniveau immer weiter sinkt.

Es tut mir leid, aber ich kann an dem neuen Lehrerdienstrecht gar nichts Positives finden, und ich habe wirklich Mitleid mit den JunglehrerInnen. Würden meine Söhne den Wunsch aussprechen; Lehrer zu werden, würde ich ihnen derzeit unbedingt abraten, obwohl ich selber meine Berufswahl – trotz des Arbeitsaufwands und des immer schlechter werdenden Images in der Bevölkerung – noch nie bereut habe. Und was mich am meisten ärgert, ist die Tatsache, dass Sie die BürgerInnen glauben lassen, dass ihre Kinder besser betreut werden und mehr lernen, wenn die LehrerInnen mehr Stunden unterrichten. Sehr gerne hätte ich mehr Stunden in meinen eigenen Klassen. Als ich zu unterrichten begonnen habe, hatten wir in der 1. und 2. Klasse noch 5 Deutschstunden pro Woche. Diese eine Wochenstunde wäre jetzt in Zeiten, wo Kinder immer weniger lesen, wo immer mehr Kinder nicht Deutsch als Muttersprache haben, sehr wertvoll. Ich würde auch gerne 2 Wochenstunden mehr (und auch unbezahlt!) in der Schule bleiben, um für meine eigenen SchülerInnen eine Sprechstunde, Nachhilfe etc. anzubieten (wohlgemerkt für MEINE Klassen). Aber zusätzliche Klassen zu unterrichten, kann nur bedeuten, dass man weniger Zeit für den Einzelnen hat. Und das wird ganz sicher in einem Bildungsdesaster enden.

Lassen Sie es bitte nicht zu, dass die Schulbildung in Österreich immer schlechter wird! Tun Sie etwas für die künftigen Generationen. Die Kinder sind unsere Zukunft und unser Land braucht gut ausgebildete Jugendliche und Erwachsene.

Mit freundlichen Grüßen!

Mag. Gabriele Eiserle, BG/BRG Hollabrunn