Liebe gegenwärtige und zukünftige Neugeborenen,

 

ihr sollt wissen, dass euch in öffentlicher Weise eine Ausbildung zugesagt wird, in der die euch Unterrichtenden bis kurz vor ihrer Unterrichtstätigkeit noch nicht wissen, welches Fach das ihre ist. Dafür sind sie angeblich unglaublich pädagogisch auf Draht.

Damit es jeder versteht: es unterrichtet jemand Geige, der selbst nicht Geige spielt. Ein eventuelles Geigengenie würde trotz seiner Genialität und der enorm umfangreichen Unterrichtsarbeit mit einem Lehrlingsgehalt abgespeist.

Ich habe Verständnis dafür, dass man die schwere Arbeit der Volksschullehrer mehr schätzt als bisher. Doch anstatt deren Verdienst anzuheben und ihre Arbeit zu vereinfachen und zu unterstützen, erschwert man jene der Lehrer an den höheren Schulen und drückt deren Einkommen in Zukunft auf ein Minimum. Großartig, klatscht das gegen die Lehrer aufgehetzte Volk Beifall. Unterrichten heißt ja nur „in der Klasse stehen“. Wo das hinführt? Es wird private Schulen geben, die die Lehrer besser bezahlen als es die staatlichen tun. Diese Schulen können sich dann nur die Reichen leisten. Es scheint so, als wäre dies das Ziel, das man allerdings geflissentlich verheimlichen will. Alles Gute kommt ja aus den USA. Werden wir also auch so! Nur sollen das eure Politiker nicht sozialistische – verzeiht: sozialdemokratische – Politik nennen. Auch nicht Volkspartei sollen sie sich nennen, sondern Partei der Großunternehmer! Grün heißt nur mehr angepasst, freiheitlich bedeutet rassistisch. Die engagierte Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer wird unter einen faulenden politischen Teppich gekehrt.

Ich kam als Quereinsteiger ins Gymnasium, weil ich die Arbeit mit jungen Menschen suchte. Ich konnte diesen in meiner Lehrtätigkeit viel vom Leben außerhalb der Schule näherbringen. Meine Schülerinnen und Schüler haben, wie sie mir in ihren Feedbacks mitteilten, viel von meinem Unterricht für ihren weiteren Werdegang profitiert. Das bedeutet mir sehr viel. Doch unter den zukünftigen Bedingungen würde ich nie mehr Lehrer werden. Ich werde deshalb auch jeder Schülerin und jedem Schüler raten, unter den drohenden Umständen einen großen Bogen um das Lehramt zu machen. Die „Besten“, die man sich ja als Lehrer wünscht, werden dieser Arbeit ohnehin höchstens den Rücken zukehren.

Verzeiht, ihr Neugeborenen, den derzeitigen Politikern und deren Einflüsterern, die keine Ahnung von einer Unterrichtstätigkeit haben und euch zu Opfern der Privatisierung und Gewinnmaximierung machen wollen, deren Anmaßung! Sie wissen nicht, was sie tun. Oder doch?

Ich glaube an das Gute in jedem einzelnen und vertraue darauf, dass man in Zukunft, d.h. also nach der kommenden Wahl, wieder im Gespräch miteinander nach einem optimalen Bildungssystem sucht und nicht wie in einer herkömmlichen Diktatur ein übles Machwerk ohne Absprache mit den Gewerkschaften als Gesetzesentwurf in die Begutachtung schickt.

 

Dr. (sub auspiciis praesidentis) Otto Licha

 

Anmerkung: Ich bin ausdrücklich mit einer Veröffentlichung auf der Homepage des Nationalrates einverstanden!