Marlies Janous-Scherl
und
Walther Janous
Fürstenweg 86
6020 Innsbruck
An die Parlamentsdirektion
begutachtungsverfahren@parlament.gv.at
Innsbruck, 22. September 2013
Betreff: Stellungnahme zur Dienstrechts-Novelle 2013 – Pädagogischer Dienst
Sehr geehrte Damen und Herren!
In offener Frist übermitteln wir unsere Stellungnahme zum gegenständlichen Entwurf.
Mit nicht geringem Befremden und großer Bestürzung haben wir den Entwurf zur Dienstrechtsnovelle zur Kenntnis genommen. Und diese Bestürzung hat nichts mit Wehleidigkeit zu tun, wovon Frau Bundesministerin Schmied offenbar ausgeht, wie sie uns jüngst über die Medien ausgerichtet hat.
(Vgl. http://vorarlberg.orf.at/news/stories/2604582/ [19. September 2013].)
Unser Befremden und unsere Bestürzung sind vielmehr Widerspiegelung größter Sorge um künftige Generationen von Schülerinnen, Schülern, Lehrerinnen und Lehrern. Das oft geübte Überlebensmotto „nach uns die Sintflut“ wäre unverantwortliches Wegsehen.
v
Wer kann ernsthaft davon ausgehen,
dass die jungen Lehrkräfte am Beginn ihrer Tätigkeit durch eine aus
dem Text der Novelle herauslesbare gravierende Verschlechterung der
Arbeitsbedingungen (mehr Arbeitszeit, weniger Gehalt, der Zwang eine volle
Lehrverpflichtung übernehmen zu müssen, während sie ein
Masterstudium absolvieren sollten usw.) ihren Beruf noch mit Freude und
Idealismus ausüben werden? Zudem werden sie dadurch weniger Zeit
für die Schüler/innen haben, nicht mehr.
Außerdem sollte natürlich nicht übersehen werden, dass in den
Bundesländern fast durchwegs andere verkehrstechnische Gegebenheiten
herrschen als in der Bundeshauptstadt und daher tertiäre
Bildungsstätten nicht ohne Weiteres erreichbar sind!
v Ironisch klingt in diesem Zusammenhang die uns in jüngerer Zeit fast schon gebetsmühlenartig wiederholte Parole, dass in Zukunft nur noch die Besten in den Schuldienst aufgenommen werden sollen ...
v Daraus folgend bleibt unklar, wie unter diesen Bedingungen im Sinne der Zukunftsgestaltung unserer Republik die Unterrichtsqualität gewährleistet, geschweige verbessert werden kann.
v
Wie können Bildungspolitiker/innen
guten Gewissens befürworten, dass Bachelorabsolvent/innen alle
Fächer in jedem Schultyp (auch gegen deren Willen) unterrichten
müssen?
Sind denn die Zukunft unsere Kinder und der „Bildungsstandort“
Österreich so unwichtig, dass sie einem Sparpaket geopfert werden
können? Denn nichts anderes steht hinter diesem Entwurf.
Dass in Österreichs Schulen tausende Personen als Unterstützungspersonal
nötig wären, um Unterrichtsbedingungen wie in den sonst so gelobten
nördlichen Staaten zu schaffen, soll in diesem Zusammenhang nicht
unerwähnt bleiben.
v
Es lässt sich unschwer
abschätzen, dass durch die Umsetzung des vorliegenden Entwurfs gravierende
gesundheitliche Probleme zukünftiger Lehrerinnen und Lehrer vorprogrammiert
sind und die Zahl von Burn-out-Zwischenfällen stark ansteigen wird.
Im Sinne der Sorgfaltspflicht für das Wohl der Bundesbediensteten,
zu der der Gesetzgeber laut Bundesverfassung angehalten ist (Abschätzung
budgetärer Auswirkungen eines Gesetzesentwurfs) erscheinen viele Teile der
vorliegenden Materie mehr als problematisch!
v
Mehr als verwunderlich im
Zusammenhang mit dem Entwurf sind medial verbreitete Äußerungen der
Frau Beamtenministerin Heinisch-Hosek, die laut Bundesministeriengesetz auch
Ministerin für Frauenangelegenheiten ist.
Bezieht sich der Entwurf doch einerseits zu einem überwiegenden Teil
auf ihre Geschlechtsgenossinnen und ist andererseits sicher nicht dazu
geeignet, den Anteil dringend erwünschten männlichen Lehrpersonals zu
erhöhen.
v
Kritisch muss auch vermerkt
werden, dass das „Hinhauen“ auf die Lehrerschaft und die
Geringschätzung ihrer Arbeit in Österreich leider gang und
gäbe sind.
Dass jedoch die politisch Verantwortlichen in die gleiche Kerbe schlagen, statt
diese für die Gesellschaft wichtige Tätigkeit aufzuwerten, ist mehr
als traurig, es ist beschämend.
Warum sonst wurde die Fortsetzung der Arbeitszeitstudie TALIS verhindert,
ja sogar unterbunden?
Als Illustration möglicher zukünftiger aus dem Entwurf
herauslesbarer Arbeitsbelastung eines „Normallehrers“, der weder
als Mentor noch als Klassenvorstand tätig ist und Mathematik an einer
Oberstufenform unterrichtet, möge das folgende Beispiel dienen:
Neben den 24 Stunden Unterricht (und den dann 72 verpflichtenden Stunden
für „Eltern-Schüler-Beratung“ im entsprechenden
Schuljahr) kann er bis zu drei weiteren Wochenstunden Unterrichts verpflichtet
werden.
Das bedeutet, dass er schlimmstenfalls neun Klassen, also irgendwo
zwischen 180 und 225 Schülerinnen und Schüler zu unterrichten und die
entsprechenden Schularbeiten zu bewältigen hat.
Jeder weitere Kommentar dazu erübrigt sich von selbst ...
Als Resumé der vorgenannten Einwendungen, Überlegungen und Anmerkungen bleibt einerseits nur
die Ablehnung des Entwurfs in der vorliegenden Form.
Andrerseits sollte dringend wieder der Weg des (sozial-)partnerschaftlichen Miteinanders beschritten werden!
Zu oft wurden und werden nämlich erfahrene Mitglieder „der Basis“ samt ihren Vertretern bei Fragen und Änderungen schulischer Rahmenbedingungen als Betonierer u. dgl. m. abqualifiziert (und nicht selten mit medialer Unterstützung in dieser Richtung verunglimpft).
Zum Schluss soll als nicht ganz unaktuelles Beispiel dazu die überhastete Einführung der Zentralreifeprüfung – besonders im Fach Mathematik – erwähnt sein.
(Von vielen, die die schulischen Gegebenheiten aus ihrer täglichen Praxis kennen, wurde ihre Durchführung wegen der Verschiedenartigkeit der Schultypen in teilzentraler Form vorgeschlagen, was aber aus welchem Grund auch immer nicht gehört wurde. Jetzt bewegt man sich „mit Hängen und Würgen“ auf den ersten Durchgang im Schuljahr 2014/15 zu ...)
Mit freundlichem Gruß,
Marlies Janous-Scherl und Walther Janous
Die Veröffentlichung auf der Homepage des Parlaments ist erwünscht bzw. erlaubt.