O. Univ.-Prof. Dr. Helmut Fuchs

Universität Wien

Wien, am 22. Juni 2009

Betr.: BMJ-L318.027/0001-II 1/2009; Stellungnahme

 

Ich danke für die Übersendung des Entwurfes eines Bundesgesetzes zur Änderung der Strafbestimmungen gegen Korruption und für die Einladung zur Stellungnahme. Ich beschränke diese wegen der extrem kurzen Frist auf grundsätzliche Ausführungen zu einigen zentralen Punkten.

1.         Die Neufassung des § 304 StGB und entsprechend auch die vorgeschlagene Änderung des § 307 StGB sind insofern abzulehnen, als sie das sog. „Anfüttern“ praktisch gänzlich straffrei stellen.

§ 304 Abs 3 Entw hat neben den Absätzen 1 und 2 dieses Paragrafen praktisch keinen Anwendungsbereich: Wer einen Vorteil „im Hinblick“ auf eine „mit Wahrscheinlichkeit absehbare und im übrigen inhaltlich bestimmte Amtshandlung“ annimmt, der hat ihn so gut wie immer bereits „für die Ausführung oder Unterlassung“ dieser Amtshandlung genommen. Mehr, als dass die Amtshandlung konkret absehbar und inhaltlich bestimmt ist, verlangen auch die Absätze 1 und 2 nicht. Entsprechendes gilt für § 307 Abs 3 hinsichtlich des Gebers.

Die vorgeschlagene Neufassung stellt also praktisch jedes „Anfüttern“ straffrei. Das sei an einem Beispiel erläutert:

Angenommen, ein Rüstungskonzern gewährt Generälen der Beschaffungsabteilung und führenden Beamten des Verteidigungsministeriums einen Vorteil – es kann auch die Einladung für diese Amtsträger samt ihren Partnerinnen für ein verlängertes Wochenende zu den Salzburger Festspielen sein (Karten, Hotel, Verpflegung). Wenn im Zeitpunkt der Vorteilsgewährung (Einladung) gerade kein konkretes Amtsgeschäft vorzunehmen ist, an dem der einladende Konzern interessiert ist, dann sind diese Zuwendungen keine strafbare Korruption mehr. Dies gilt auch dann, wenn die Einladung mit dem offensichtlichen Ziel erfolgt, die Beamten für die künftige Vergabe von Beschaffungsaufträgen zu beeinflussen, und wenn es obendrein sicher ist, dass diese Beamten in näherer oder fernerer Zukunft über solche Beschaffungsaufträge zu entscheiden haben werden: Solange diese Amtshandlungen noch nicht „inhaltlich bestimmt“ sind, gibt es keine Strafbarkeit mehr.

Diese Einschränkung stellt eindeutig strafwürdiges Verhalten straflos: Wer einem Beamten oder einem sonstigen Amtsträger, der in einem für ihn (= den Geber) relevanten Amtsbereich Entscheidungsbefugnis hat, einen Vorteil gewährt, der nach Art und Ausmaß dazu geeignet ist, die Entscheidungen des Beamten unsachlich zu beeinflussen, der sollte auch weiterhin strafbar sein. Und ein Beamter, der entgegen seinem Dienstrecht von jemandem, über dessen Angelegenheiten er absehbarerweise zu entscheiden haben wird, solche Vorteile annimmt, sollte auch weiterhin strafbare Korruption begehen. Die vorgesehene Entkriminalisierung ist durch nichts gerechtfertigt.

(Das Beispiel des Rüstungskonzerns stammt übrigens aus einer Entscheidung des Obergerichts des Kantons Bern, Schweiz, vom 14. 8. 2008, im  Internet http://www.jgk.be.ch/site/og_sk_08_177.pdf . In diesem Fall ging es pro Person samt Begleitung um weniger als 600 Franken, weil die Eingeladenen die Kosten der Reise zum Festspielort und die Übernachtung offenbar selbst bezahlen mussten. Die eingeladenen Generäle und Beamten wurden nur deshalb freigesprochen, weil die Beschaffung von Militärgerät nicht in ihre Kompetenz fiel, sie also keine Entscheidungsbefugnis in dem für die Rüstungsfirma interessanten Bereich hatten, sondern allenfalls bei ihren Kollegen der Beschaffungsabteilung gute Stimmung für die einladende Firma hätten machen können. Hätten ihnen „im Verhältnis zum Vorteilsgewährer Entscheidkompetenzen“ zugestanden, dann wären sie auch ohne konkretes Geschäft wegen Bestechlichkeit verurteilt worden – ein Niveau an Sauberkeit der Amtsführung, auf das auch Österreich nicht verzichten sollte.)

2.         Abzulehnen ist auch die radikale Einschränkung des Amtsträgerbegriffs in § 74 Abs 1 Z 4a lit c des Entwurfs.

Auch dazu ein Beispiel: Ein Elektrokonzern, der Ausstattungen für Kraftwerke, Transformatoren, Stromleitungen usw. liefert, lädt die Vorstandsmitglieder und Chefeinkäufer eines Energieversorgungsunternehmens, das zu 100 Prozent einer Stadt oder einem Land gehört, und ihre Begleitung zum Tennis Head Cup samt Kost und Logis nach Kitzbühel ein. Da die Funktionäre eines solchen öffentlichen Unternehmens in Hinkunft keine Amtsträger mehr sein sollen, werden sie nicht mehr von den öffentlichen Bestechungsdelikten erfasst.

Würde der Entwurf Gesetz, so wäre diese oder eine andere Vorteilsgewährung (bzw. –annahme) selbst dann straflos, wenn zwischen dem öffentlichen Energieversorgungsunternehmen und dem Elektrokonzern gerade über einen Großauftrag verhandelt wird. Nur dann, wenn die Einladung nachweislich zu dem Zweck erfolgt, die Funktionäre des Energieversorgungsunternehmens zu einem pflichtwidrigen Handeln zu veranlassen (also beispielsweise missbräuchlich ein teureres Angebot anzunehmen), nur dann wäre ein Straftatbestand erfüllt (§ 168d oder §§ 12 Fall 2, 153 StGB für den Geber und die entsprechenden Bestimmungen – §§ 168c, 153a und später vielleicht § 153 – für die Nehmer).

Diese Straffreistellung ist abzulehnen. Unternehmen, die der öffentlichen Hand gehören und die deshalb der besonderen Kontrolle durch den Rechungshof (oder eine ähnliche öffentliche Kontrolleinrichtung) unterliegen, wirtschaften letztlich mit öffentlichen Mitteln. Ihre Funktionsträger unterliegen besonderen Pflichten und sind auch bei der Vornahme von privatrechtlichen Geschäften in besonderer Weise zur Sachlichkeit und Objektivität verpflichtet. Wegen ihrer engen Beziehung zum Staat (Bund, Land, Gemeinde, …) sollten sie daher auch strengeren Regeln gegen Korruption unterliegen als die rein private Wirtschaft. Zumindest muss das (schon wegen der internationalen Verpflichtungen Österreichs, insbesondere im Rahmen der OECD) für Unternehmen gelten, die eine öffentliche Aufgabe erfüllen (auch zB Krankenanstalten, die als Landes-GmbH betrieben werden).

Die Anbindung der Amsträgereigenschaft an die Kontrolle des Unternehmens durch den Rechnungshof bietet auch ausreichend Rechtssicherheit, weil man dadurch immer genau weiß, für die Funktionäre welcher Unternehmen die Korruptionsbestimmungen der §§ 304 ff gelten.

3.         Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die in den Beispielen genannten Einladungen mit Repräsentationspflichten gar nichts zu tun haben. Selbstverständlich kann jeder Veranstalter zur Repräsentation Freikarten seiner eigenen Veranstaltungen an Personen des öffentlichen Lebens vergeben; dies gilt für die Salzburger Festspiele ebenso wie für die Veranstalter der Fußball-EM oder des Hahnenkammrennens. Und selbstverständlich darf auch nach geltendem Recht jeder private Sponsor die Salzburger Festspiele unterstützen und dafür bei den Veranstaltungen, auf Plakaten oder in den Programmheften entsprechend werben.

Doch warum sind die Sponsoren eigentlich nicht dazu bereit, die Veranstaltungen direkt zu fördern? Warum kaufen die Sponsoren Eintrittskarten von Festspielen oder Sportveranstaltungen, die sie dann gezielt an Beamte oder öffentliche Geschäftspartner weitergeben, die für sie interessant sind, so dass die Förderung des Veranstalters nur eine indirekte Folge der Einladung ist? Die Antwort liegt wohl auf der Hand.

Darum: Dass ein „Sponsor“ gezielt einen Amtsträger, von dem er jetzt oder in Zukunft etwas braucht, zur Veranstaltung einlädt und ihm damit einen – mehr als geringfügigen – Vorteil gewährt, der dazu geeignet ist, die Amtsführung des Beschenkten in einem für den Geber relevanten Bereich zu beeinflussen, ein solches Verhalten sollte auch weiterhin eine strafbare Korruption sein. Und ein öffentlicher Amtsträger, der solche Vorteile annimmt, sollte sich auch weiterhin wegen Korruption strafbar machen.

4.         Es mag sein, dass die Korruptionsregelung, die vor etwas mehr als einem Jahr ziemlich überstürzt eingeführt wurde, in einigen Fällen mit der Strafbarkeit übers Ziel hinausschießt. So stark einschränken, wie es jetzt offenbar geplant ist, darf man das Strafrecht aber nicht, wenn man die Korruption ernsthaft bekämpfen will. Solche Einschränkungen verstoßen – wie schon erwähnt – auch gegen internationale Verpflichtungen.

5.         In einem geradezu grotesken Gegensatz dazu steht es, wenn der Entwurf auf der anderen Seite die Strafdrohungen für die wenigen verbleibenden strafbaren Fälle drastisch erhöht. Zehn Jahre Freiheitsstrafe für Korruption an sich – also ohne dass dabei ein Amtsmissbrauch oder eine vermögensrechtliche Untreue mit hohem Schaden oder ein anderes schweres Delikt begangen wird – sind weit überhöht.

Drakonische Strafen in jenen Bereichen, die sich kaum ereignen, und für Fälle, die kaum jemals nachweisbar sind – dafür aber Straffreiheit für die alltägliche Korruption: Das ist der falsche Weg zur Bekämpfung eines Missstandes.

6.         Ich halte es daher dringend für erforderlich, dass der vorliegende Entwurf nicht vom Parlament beschlossen, sondern noch gründlich überarbeitet wird.

Wenn man die Strafbarkeit der Korruption so drastisch zurücknähme wie der Entwurf, dann wäre das ein schlimmes Signal für die Anständigkeit im öffentlichen Bereich.

Helmut Fuchs

 

 

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O. Prof. Dr. Helmut Fuchs
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