Bundesministerium für Justiz

Museumstraße 7

1070 Wien

E-Mail: KZL.L@bmj.gv.at

 

 

ZAHL

DATUM

CHIEMSEEHOF

2001-BG-55/48-2009

24.6.2009

* POSTFACH 527, 5010 SALZBURG

 

 

landeslegistik@salzburg.gv.at

 

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2290

 

 

Frau Dr. Leitner

 

Herr Mag. Feichtenschlager

 

BETREFF

Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975  und das Staatsanwaltschaftsgesetz geändert werden; Stellungnahme

Bezug: Zl BMJ-L318.027/0001-II 1/2009

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

I. Zu den im Artikel I des Gesetzes geplanten Änderungen des Strafgesetzbuches gibt das Amt der Salzburger Landesregierung folgende Stellungnahme bekannt:

 

1. Allgemeines:

1.1. Die Erläuterungen zum geplanten Vorhaben räumen ein, dass die mit 1. Jänner 2008 in Kraft getretenen Antikorruptionsbestimmungen für den öffentlichen Sektor eine weit verbreitete Rechtsunsicherheit hervorgerufen haben. Das geplante Vorhaben verfolgt daher die Ziele, diese Bestimmungen zu schärfen und zu präzisieren und den geltenden Bestimmungen anhaftende „Unschärfen, die dazu führen, dass Lebenssachverhalte als strafbar angesehen werden könnten, die [jedoch] von einem allgemein getragenen gesellschaftlichen Konsens nicht als verwerflich angesehen werden“ im Sinn der besonderen Ordnungsfunktion des Strafrechts klarzustellen.

Diese Ziele sollen durch eine Änderung der Definition des Amtsträgers (§ 74 Abs 1 Z 4a StGB) sowie durch eine völlige Neufassung des § 304 StGB erreicht werden.

1.2. Eine zusammenfassende Bewertung des geplanten Vorhabens ergibt, dass die in den Erläuterungen als Ziel des Entwurfs genannte Präzisierung der Strafbestimmungen (erneut) gründlich misslungen ist. Die Erreichung dieser Ziele hätte jedenfalls die Verwendung konkreter, in der Rechtsordnung üblicher und bereits ausjudizierter Begriffe vorausgesetzt. Das kreative Erfinden neuer Tatbestandselemente, die im Ergebnis nur die alten Unsicherheiten durch neue Fragen ersetzen, ist im Zusammenhang mit der Bekämpfung der das Vertrauen der Bevölkerung in die staatlichen Organe und die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Österreich erheblich schädigenden Korruption wenig hilfreich. Positiv anzumerken ist die neuerlich vorgenommene Unterscheidung zwischen echter Bestechung (Mittelzuwendung für die Vornahme rechtswidriger Handlungen) und anderen verpönten Mittelzuwendungen an Amtsträger.

 

2. Zu einzelnen Bestimmungen:

 

Zu § 74:

Gemäß dem geplanten § 74 Abs 1 Z 4a lit a StGB ist ein Amtsträger jeder, der für den Bund, ein Bundesland, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, für einen Sozialversicherungsträger oder deren Hauptverband, für einen anderen Staat oder für eine internationale Organisation Aufgaben der Gesetzgebung, Verwaltung oder Justiz als deren Organ oder Dienstnehmer wahrnimmt, soweit er nicht als Mitglied eines inländischen verfassungsmäßigen Vertretungskörpers tätig ist.

1. Die im Abs 1 Z 4a lit a enthaltene Einschränkung auf die Sozialversicherungsträger oder deren Hauptverband wird in den Erläuterungen damit begründet, dass diese „der staatlichen Verwaltung unmittelbar verwandt“ sind. Wenngleich die Erläuterungen zu den Kriterien, die eine solche Verwandtschaft der Sozialversicherungsträger mit der staatlichen Verwaltung konstituieren, keine Aussagen enthalten, so kann eine solche Verwandtschaft mit der staatlichen Verwaltung auch in Bezug auf andere vergleichbare Organisationen oder sonstige Selbstverwaltungskörper angenommen werden.  

2. Zur Frage der im Abs 1 Z 4a lit a StGB geplanten Ausnahme von Mitgliedern von bestimmten allgemeinen Vertretungskörpern anerkennt selbst der Vortrag der Bundesministerin für Justiz an den Ministerrat (Zl BMJ-Pr2161/0006-Pr 1/2009) durch den Hinweis auf den geltenden § 304a StGB, dass korruptive Verhaltensweisen im Zusammenhang mit der Stellung einer Person als Mitglied eines verfassungsmäßigen Vertretungskörpers grundsätzlich auch ein Thema ist, dessen sich das Strafrecht annehmen sollte. Die geplante Ausnahme der Mitglieder eines inländischen verfassungsmäßigen Vertretungskörpers aus dem Begriff des Amtsträgers und die damit einhergehende mangelnde Strafbarkeit der von den §§ 304, 307 und 308 StGB erfassten Verhaltensweisen in Bezug auf diesen Personenkreis begegnet jedoch schwerwiegenden gleichheitsrechtlichen Bedenken: Zunächst gilt diese Ausnahme nur für Mitglieder von inländischen verfassungsmäßigen Vertretungskörpern. Tatbildmäßiges Verhalten im Sinn der §§ 304, 307 und 308 StGB in Bezug auf Mitglieder eines ausländischen Vertretungskörpers oder Mitglieder des Europäischen Parlaments ist dagegen strafbar! Diese Privilegierung der Mitglieder von inländischen verfassungsmäßigen Vertretungskörpern ist sachlich nicht zu rechtfertigen! Nicht gefolgt werden kann auch der Intention, die offenbar hinter dem im Vortrag an den Ministerrat enthaltenen Hinweis auf den § 304a StGB steht, nämlich die im Abs 1 Z 4a lit a StGB geplante Privilegierung der Mitglieder von inländischen verfassungsmäßigen Vertretungskörpern gerade dadurch zu rechtfertigen, dass der geltende § 304a StGB bereits eine Regelung für diesen Personenkreis enthält, weil diese Bestimmung gerade nicht alle von den §§ 304, 307 und 308 StGB erfassten Verhaltensweisen erfasst.

Als geradezu grotesk erweist sich die im Abs 1 Z 4a lit a enthaltene Ausnahme in Bezug auf die Mitglieder der Gemeindevertretung, wenn diese Aufgaben der Verwaltung für eine Gemeinde wahrnehmen (konkret: wenn diese in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs der Gemeinde gegen Bescheide des Bürgermeisters als Rechtsmittelbehörde entscheiden): Der Bürgermeister als Behörde 1. Instanz unterliegt als Amtsträger den strengen Bestimmungen der §§ 304 und 307 StGB, nicht jedoch die Mitglieder der Gemeindevertretung als Behörde 2. Instanz, die sich straflos bestechen oder anfüttern lassen dürfen.      

3. Im geplanten Abs 1 Z 4a lit c wird die mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2008 vorgenommene Einbeziehung von Personen, die mit Aufgaben in einem öffentlichen (= staatsnahen) Unternehmen betraut sind, in den Begriff des „Amtsträgers“ wieder weitgehend rückgängig gemacht: Mitarbeiter von Unternehmen, die zwar eindeutig öffentliche Aufgaben erfüllen, wie etwa die AustroControl GmbH, und bei denen ihre Beherrschung durch eine Gebietskörperschaft schon allein in ihrer Eigentümerstruktur zum Ausdruck kommt, gelten nicht mehr als Amtsträger. Vielmehr gelten als Amtsträger nur mehr solche Personen, die als Organ oder Dienstnehmer eines Rechtsträgers tätig sind, der (wie bisher) der Kontrolle des Rechnungshofes oder einer ähnlichen Einrichtung unterliegt, wenn diese zusätzlich überwiegend Leistungen für eine Gebietskörperschaft oder eine andere im § 74 Abs 1 Z 4a lit StGB aufgezählte Einrichtung erbringen. Eine überwiegende Leistungserbringung liegt den Erläuterungen folgend nicht schon bei einem Anteil der Geschäftstätigkeit von mehr als 50 % vor, sondern erst dann, wenn „der übrigen Geschäftstätigkeit im Vergleich geringe Bedeutung zukommt“. Diese, eigentlich eher dem Begriffsinhalt „nahezu ausschließlich“ entsprechende Interpretation des Wortes „überwiegend“ ist zumindest originell, findet jedoch nach ha Wissenstand zumindest bis jetzt in der Judikatur keine Deckung.

Unklar ist in diesem Zusammenhang auch, wie weit die Amtsträgereigenschaft reicht: Erstreckt sich etwa die durch Leistungen für den Betrieb einer Gebietskörperschaft begründete Eigenschaft als Amtsträger auch auf diejenigen Tätigkeiten derselben Person, die diese in ihrer Funktion gerade nicht für eine Gebietskörperschaft erbringt?   

4. Abs 1 Z 4a lit a unterscheidet nicht zwischen Aufgaben im Rahmen der Hoheitsverwaltung und Aufgaben im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung. Werden jedoch Aufgaben der Privatwirtschaftsverwaltung auf einen dritten Rechtsträger ausgelagert und handelt es sich dabei um Leistungen, die „nicht überwiegend für den Betrieb“ des auslagernden Rechtsträgers erbracht werden, so werden die für den Rechtsträger handelnden Organe nicht vom strengen § 304 StGB, sondern von den für den privatwirtschaftlichen Sektor geltenden „günstigeren“ Bestimmungen erfasst. Der Anwendungsbereich der §§ 304, 307 und 308 StGB hängt daher letztlich von der jeweiligen Organisation der Wahrnehmung von Aufgaben der Privatwirtschaftsverwaltung ab, die auf Landes- und Gemeindeebene durchaus unterschiedlich ausgebildet sein kann. Der zuständige Materiengesetzgeber hat es letztlich so auch in der Hand, den Anwendungsbereich der §§ 304, 307 und 308 StGB festzulegen, was nicht nur zu Wertungswidersprüchen, sondern aus der Sicht der Korruptionsbekämpfung gerade im Bereich der Daseinsvorsorge (Stichwort: „Kuvertmedizin“) auch zu unerwünschten Ergebnissen führen kann.             

 

Zu § 304:

1. Im Zusammenhang mit dem geplanten Abs 1 ist unklar, ob es für die pflichtwidrige Vornahme einer Amtshandlung auch einen „rechtmäßigen Vorteil“ geben kann.

2. Abs 2 betrifft die rechtskonforme Vornahme von Amtshandlungen und bringt als neues Deliktsmerkmal das Kriterium des „unrechtmäßigen“ Vorteils ins Spiel. Auch dieser Begriff wird laut der im Abs 4 enthaltenen rudimentären Definition und den Erläuterungen offenbar nicht im Sinn der sonst üblichen Verwendung in der Rechtssprache (dh im Sinn einer Gewährung unter Verstoß gegen eine Norm) verstanden, sondern im Sinn einer Gewährung „unter Missbilligung durch die Rechtsordnung“. „Unrechtmäßig“ im Sinn dieser Bestimmung soll eine Mittelzuwendung sein, der die „soziale Adäquanz“ im Sinn des § 304 Abs 4 StGB („im redlichen amtlichen und geschäftlichen Verkehr sozial adäquate Verhaltensweisen“) fehlt. Die bestehende Unklarheit im Zusammenhang mit der Geschenkannahme im Zusammenhang mit der Vornahme inhaltlich korrekter Amtshandlungen soll also nicht reduziert, sondern im Gegenteil durch die Verwendung völlig neuer, ebenso unbestimmter und in der Handhabung nicht vorhersehbarer Begriffe noch erhöht werden. Der redliche Beamte wird in der Frage der Strafbarkeit eines konkreten Verhaltens ebenso im Unklaren gelassen wie zuvor, diese Unklarheit wird nur wortreicher ausgedrückt. 

3. Der geplante Abs 3 versucht eine Neuregelung des „Anfütterns“. Der Tatbestand ist dabei so unklar und verwirrend formuliert, dass sich der Inhalt dieser Bestimmung auch dem Rechtskundigen erst nach einigem Studieren erschließt. Für nicht rechtskundige Anwender muss die Bestimmung zwangsläufig völlig unklar bleiben. Die gehäuft verwendeten unbestimmten und in der Rechtsordnung so auch unüblichen Tatbestandselemente („inhaltlich bestimmte Amtshandlung“, die „mit Wahrscheinlichkeit absehbar“ ist  und an deren Vornahme der Geschenkgeber „interessiert“ ist) lassen die Bestimmung als völlig missglückt erscheinen. Die bisher uferlose und zu recht kritisierte Strafandrohung für Geschenkannahmen „im Hinblick auf die Amtsführung“ wird mit dem Ersetzen durch eine offenbar nicht zur tatsächlichen Anwendung bestimmte Anhäufung von Kriterien (die selbstverständlich alle vom Tatvorsatz erfasst sein müssen) der Lächerlichkeit preisgegeben.

In inhaltlicher Hinsicht ist unklar, ob vor dem Hintergrund der Tatbilder des Abs 1 und 2 überhaupt ein Anwendungsbereich für den geplanten Abs 3 verbleibt: Abs 3 setzt voraus, dass der Vorteil von einer Person gefordert oder angenommen wird, die von einer „mit Wahrscheinlichkeit absehbaren und im Übrigen inhaltlich bestimmten Amtshandlung betroffen oder an deren Vornahme oder Unterlassung interessiert ist“. Der Vorteil wird daher bereits für eine konkret im Raum stehende Amtshandlung versprochen, gefordert oder gegeben. Gerade diese Fallkonstellationen werden aber bereits vom geplanten Abs1 und 2 erfasst.  

 

II. Gegen die geplanten Änderungen der Strafprozessordnung 1975 und des Staatsanwaltschaftsgesetzes bestehen keine grundsätzlichen Bedenken.

 

 

Diese Stellungnahme wird der Verbindungsstelle der Bundesländer, den anderen Ämtern der Landesregierungen, dem Präsidium des Nationalrates und dem Präsidium des Bundesrates ue zur Verfügung gestellt.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

Für die Landesregierung:

Dr. Heinrich Christian Marckhgott

Landesamtsdirektor

 


Ergeht nachrichtlich an:

1. – 8. E-Mail an: Alle Ämter der Landesregierungen

9.       E-Mail an: Verbindungsstelle der Bundesländer vst@vst.gv.at

10.     E-Mail an: Präsidium des Nationalrates begutachtungsverfahren@parlinkom.gv.at

11.     E-Mail an: Präsidium des Bundesrates peter.michels@parlament.gv.at

12.     E-Mail an: Bundeskanzleramt vpost@bka.gv.at

13.     E-Mail an: Institut für Föderalismus institut@foederalismus.at

 

zur gefl Kenntnis.