Ich möchte Ihnen hiermit fristgerecht meine Stellungnahme zum

 

Gesetzesentwurf

mit dem das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Bundeslehrer- Lehrverpflichtungsgesetz, das Landeslehrer- Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer- Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz geändert werden und das Unterrichtspraktikumsgesetz aufgehoben wird,

 

übermitteln.

 

 

Sehr geehrte Nationalratsabgeordnete, geschätzte Damen und Herren!

 

Ich bin aktiver Lehrer an einer AHS und möchte vorausschicken, dass ich nicht von der Gewerkschaft angeheuert wurde, diese Stellungnahme abzugeben. Ich bin auch nicht ein Mensch, der immer sofort Protest einlegt, wenn sich Arbeits- oder Lebensumstände verändern.

 

Aber was nun im Gesetzesentwurf zur Neuordnung des Lehrerdienstrechtes an „Reform und Erneuerung“ angedacht wird, kann ich nicht widerspruchslos hinnehmen, ja ich sehe es als moralische und staatsbürgerliche Verpflichtung an, Sie und alle mit dieser Gesetzesänderung befassten Behörden und Einzelpersonen davor zu warnen, dieses Gesetz in der vorgelegten Form mit einer parlamentarischen Mehrheit zu beschließen.

 

Die einzig positive Auswirkung dieser Reform wäre wohl die Senkung der Staatsausgaben im Bildungssektor. Aber eine Budgetkonsolidierung auf Kosten der Qualität unseres Bildungssystems halte ich persönlich für absolut keine zukunftsorientierte und nachhaltige Politik.

 

Oder glauben Sie wirklich, dass eine massive Erhöhung der Lehrerarbeitszeit bei gleichzeitiger erheblicher Verringerung des durchschnittlichen Lebensverdienstes die Qualität der schulischen Bildung steigern kann?

 

In welchem Wirtschaftsbetrieb würde das Management durch diese Vorgangsweise (mehr Arbeit für weniger Lohn) seine Mitarbeiter zu einer massiven Qualitätssteigerung ihrer Arbeit motivieren können?

 

Ich denke, gerade in unserem Beruf hängt die „Performance“, das Unterrichten im Dialog mit unseren Kundinnen und Kunden, also mit unseren Schülerinnen und Schülern und der nachhaltige Erfolg dieser Tätigkeit ganz wesentlich von der individuellen und auch kollektiven Motivation ab.

 

Eine Veränderung der Lehrerarbeitszeit kann doch bitte nicht auf Basis einer durch bestimmte Medien über Jahre einseitig lancierten Volksmeinung verordnet werden. Vielmehr kann hier nur eine wirklich fundierte wissenschaftliche Arbeitszeituntersuchung Aufklärung bringen.

 

Oder wollen Sie mit der angedachten Erhöhung der Arbeitszeit wirklich allen derzeit tätigen Lehrern rückmelden, dass sie über Jahre und Jahrzehnte eigentlich auf der faulen Haut gelegen sind und nun endlich per Gesetz dafür gesorgt werden muss, dass auch Lehrer das Maß an Arbeit zu leisten haben, das andere Arbeitnehmer verrichten?

 

Vielleicht kommt ja auch noch jemand auf die Idee, dass wir gegenwärtig aktiven Lehrer einen Teil unseres bisherigen Lebensgehaltes wegen zu geringer Arbeitsleistung an den Staat zurückzahlen sollten. Das würde ja den primären Zweck des neuen Dienstrechtes, nämlich die Budgetkonsolidierung voranzutreiben, noch weiter unterstützen und die Lehrer hätten damit die Chance ihr angekratztes Image in der Öffentlichkeit zu verbessern.

 

Bisherige Untersuchungen, die leider vom zuständigen Ministerium ignoriert werden, haben allerdings klar gezeigt, dass die Jahresarbeitszeit von Lehrern nicht unerheblich über der durchschnittlichen Jahresarbeitszeit anderer Dienstnehmer liegt.

 

Glauben Sie wirklich, dass die nachweislich hohe Burnout - Gefährdung von Lehrern Einbildung oder Tachiniererei ist?

 

Glauben Sie wirklich, dass eine Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung, die entsprechend ausgedehnte  Vor- und Nachbereitungszeit und die Erhöhung der Anzahl der Klassen und Schüler pro Lehrer die Gefahr der Überlastung verringert, die individuelle Freude am Beruf erhöht und die positive Motivation für junge Menschen, diesen Beruf als ihren Traumjob zu wählen, stärkt?

 

Glauben Sie wirklich, dass im Hinblick auf die flexiblere Einsatzmöglichkeit jeder Lehrer alle Fächer unterrichten soll, egal wofür er eigentlich ausgebildet ist?

Ich möchte nicht Wissen vermitteln müssen, dass ich selbst nicht habe. Soll das die Qualität des Bildungsgeschehens steigern?

 

Glauben Sie wirklich, dass junge Lehrer einen gelungenen Berufseinstieg haben werden, wenn Sie im ersten Dienstjahr, wo jede einzelne Stunde besonders intensive Vorbereitungsarbeit bedeutet, neben einer vollen Lehrverpflichtung (24 Unterrichtsstunden) in einer konstruktiven und kreativen Atmosphäre ihre Praxisbetreuung und Unterrichtsreflexion abhalten und nebenbei auch noch die notwendigen Weiterbildungsmaßnahmen absolvieren sollen?  

 

Vielleicht sollten für Junglehrer kleine Zimmer in den Schulen eingerichtet werden, damit sie sich den Schulweg sparen können, denn außer zum Schlafen werden sie in diesem Startjahr ihre eigene Wohnung kaum zu sehen bekommen.

 

Ganz wesentlich wird es auch sein zu klären, wer die zunehmend notwendige Sozialarbeit bei den Schülern übernehmen soll.  Wenn dafür nicht ein erhebliches Maß an Unterstützungspersonal zur Verfügung gestellt wird, muss davon ausgegangen werden, dass ein nicht geringer Prozentanteil der Unterrichtstätigkeit der Lehrer den sozialintegrativen Maßnahmen zu widmen sein wird.

 

Bitte beschließen Sie nicht ein Gesetz, dass nur einen kleinen Teilbereich des Systems Bildung betrifft, ohne die eigentliche Bildungsreform auch nur ernsthaft in den Blick genommen zu haben.

Sinnvollerweise sollten doch zunächst die Visionen und die konkreten Ziele einer zukunftsorientierten Bildungs- und Ausbildungsreform diskutiert und in einem möglichst großen Konsens aller gesellschaftlichen Kräfte beschlossen werden (auch die Lehrerschaft sollte in diesem Prozess wohl nicht ausgeschlossen sein), bevor entsprechend diesen neuen Gegebenheiten und Notwendigkeiten auch die Rahmenbedingungen für das dafür benötigte Personal (Lehrer, Sozialarbeiter, Betreuungspersonen, …..) in eine neue gesetzliche Regelung gebracht werden.

 

Sehr geehrte Damen und Herren.

Ich gehöre der Generation 50+ an und könnte mir auch denken, dass mich diese Entwicklungen nur mehr in den letzten Jahren meiner Unterrichtstätigkeit und dann auch nur teilweise betreffen werden. Aber ich habe Kinder und ich möchte, dass sie und später auch einmal meine Enkelkinder in der Besten aller möglichen Schulen von den Besten aller möglichen Lehrer unterrichtet und in das Leben hinein begleitet werden. Vielleicht haben Sie ja auch Menschen, für die Sie sich eine beste nur mögliche Schule wünschen. Opfern wir doch diese Vision nicht auf dem Altar der reinen Wirtschaftlichkeit und der Gleichmacherei und ermöglichen Sie mit Ihrem Votum nicht ein Gesetz, das die Qualität unserer Schulen und die Zukunft unserer Kinder und unseres Staates massiv gefährdet.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

Mag. Michael Lechner

 

 

PS:     Ich erkläre mich hiermit ausdrücklich mit der Veröffentlichung meiner Stellungnahme einverstanden.

 

Mag. Michael Lechner

Erzbischöfliches Gymnasium Hollabrunn

Kirchenplatz 2

2020 Hollabrunn