Gz BKA-F141.020/0028-II/4/2009

Abteilungsmail ii4@bka.gv.at

bearbeiterin Frau Drin. Anna lasser

Pers. E-mail anna.lasser@bka.gv.at

Telefon (+43 1) 53115/7540

Ihr Zeichen

Herrn

Mag. Dietmar Hudsky

Bundesministerium für Inneres

bmi-III-1@bmi.gv.at

 

Antwort bitte unter Anführung der GZ an die Abteilungsmail

 

 

 

 

Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Grundversorgungsgesetz - Bund 2005, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden; Begutachtungsverfahren - Stellungnahme

 

 

Sehr geehrter Herr Mag. Hudsky,

zu dem im Betreff genannten Gesetzesentwurf wird seitens der Frauensektion im Bundeskanzleramt nachstehende Stellungnahme zu ausgewählten Problemstellungen im Bereich des NAG abgegeben.

 

Zu § 2 Abs. 1 Z 9:

Zukünftig sollen EhegattInnen aus Drittstaaten nur dann zum Familiennachzug berechtigt sein, wenn sie bei Antragstellung bereits das 21. (statt derzeit das 18.) Lebensjahr vollendet haben. Begründet wird dies damit, dass diese Maßnahme geeignet sei, präventiv gegen Zwangsverheiratung zu wirken.

 

Gegenständliche Maßnahme wurde seitens des BMI bereits im Zuge der Einführung des Fremdenrechtspakets 2005 erwogen, in der Folge jedoch nicht weiter verfolgt; auch damals wurde geltend gemacht, dass es sich um eine Präventionsmaßnahme gegen Zwangsverheiratung handle.

 

Expertinnen bezweifeln jedoch, dass mit der Normierung des Mindestalters von 21 Jahren für EhegattInnen, die ein Recht auf Familienzusammenführung haben, eine strukturelle Sicherungsmaßnahme gegen Zwangsehen eingeführt wird.

 

Abgesehen vom humanitären Aspekt, dass auch die Familienzusammenführung bei freiwillig geschlossenen Ehen erschwert wird, wird befürchtet, dass damit nicht die (im

Ausland stattfindende) Zwangseheschließung verhindert, sondern nur die Einreise des Ehegatten/der Ehegattin der/des Zusammenführenden hinausgeschoben wird. Die gegen ihren Willen verheiratete Frau wäre dadurch nur noch länger an einen Mann, den sie nicht kennt, gebunden.

 

Präventivmaßnahmen gegen Zwangsverheiratung von Mädchen zu setzen, ist

selbstverständlich von großer frauenpolitischer Bedeutung. Eine umfassende Diskussion unter Einbeziehung von Expertinnen wäre jedoch notwendig, effektive Strategien zur Prävention von Zwangsverheiratung zu entwickeln.

 

Unabdingbar ist in diesem Zusammenhang jedenfalls der wirksame Schutz von Mädchen, die von Zwangsverheiratung bedroht oder bereits betroffen sind. Die Einrichtung einer spezialisierten Interventionsstelle nach bereits vorliegendem Konzept mit einer betreuten Schutzwohnung, analog der Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels, wird als geeignete Schutzmaßnahme angesehen, deren Umsetzung als dringend notwendig erachtet wird.

 

Neben präventiv wirkenden Sicherungsmaßnahmen sind auch die gesetzlichen Regelungen für die Frauen, die zwangsverheiratet wurden bzw. von anderen Formen familiärer Gewalt betroffen sind, und sich in Österreich aufhalten, einer kritischen Bewertung zu unterziehen.

 

§ 27 Abs. 4 NAG sollte die aufenthaltsrechtliche Abhängigkeit gewaltbetroffener Migrantinnen vom zusammenführenden Ankerfremden lösen, um ihnen auch in den ersten fünf Jahren die Beendigung einer Gewaltbeziehung ohne gleichzeitigen Verlust des Aufenthaltsrechts zu ermöglichen.

 

Gegenständliches Gesetzesvorhaben wird zum Anlass genommen, darauf hinzuweisen, dass nach Aussagen der Gewaltschutzzentren/Interventionsstellen § 27 (4) NAG teilweise totes Recht geblieben ist. Die Behörden verfahren in konkreten Fällen sehr unterschiedlich, aber insbesondere in den Bundesländern Salzburg und Kärnten dürfte diese Gesetzesbestimmung nicht bzw. kaum angewendet werden.

 

Vielfach ist es den Frauen, insbesondere wenn sie kleine Kinder haben, nicht möglich, das nach § 11 (5) NAG gefordete Einkommen zu erzielen. Selbst wenn in Anwendung des § 11 Abs. 4 NAG zunächst von diesem Erfordernis abgesehen wird, müssen in der Folge für die Verlängerung des Aufenthaltstitels sämtliche Erteilungsvoraussetzungen nachgewiesen werden.

 

Hierbei erlaubt das Gesetz kein flexibles Eingehen auf die jeweilige Situation: selbst wenn die Frau im Familienkreis Unterkunft findet, muss sie ein verfügbares Einkommen in der Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes nachweisen, obwohl keine Mietkosten anfallen. Und selbst wenn das vorhandene Einkommen nur geringfügig unter dem gesetzlich festgelegten liegt, besteht die Gefahr der Abschiebung.

 

Die Beratungspraxis zeigt, dass viele Frauen aus Angst, nicht rechtzeitig eine Arbeit und ortsübliche Unterkunft zu finden sowie das erforderliche Einkommen (einschließlich den den Wert der freien Station übersteigenden Anteil der Mietkosten und allfällige Kreditraten für z.B. Möbel und/oder Ablöse/Maklergebühren) zu verdienen, ihren gewalttätigen Partner nicht verlassen.

 

Aus frauenpolitischer Sicht ist daher einerseits dringend eine Klarstellung über die Vorgangsweise in Fällen familiärer Gewalt zu treffen, um eine einheitliche Anwendung sicher zu stellen. Andererseits ist es erforderlich, die gesetzlichen Voraussetzungen soweit zu lockern, dass ein flexibles Eingehen auf die jeweilige individuelle Situation ermöglicht wird. Die derzeitige Praxis konterkariert die mit dem Fremdenrechtspaket 2005 verfolgte Absicht, Gewaltopfern die Befreiung aus einer Gewaltbeziehung zu erleichtern – ein Schritt, der jedenfalls immer angstbesetzt ist, egal ob Inländerinnen oder Ausländerinnen betroffen sind.

 

Mit gegenständlichem Gesetzesentwurf wird zusätzlich eine weitere Härte eingeführt. Das Aufenthaltsrecht aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen (§ 27 (4) NAG), insb. bei häuslicher Gewalt, ist unverzüglich geltend zu machen. In § 27 Abs. 5 NAG wird nunmehr präzisiert, dass die Frau diese Umstände längstens binnen einem Monat bekannt zu geben hat.

 

In § 77 NAG ist jedoch nunmehr auch eine Strafsanktion vorgesehen, wenn die Frau dem nicht nachkommt (!). § 77 NAG spricht von einer Meldepflicht gemäß § 27 Abs. 5, und normiert, dass, wer dieser nicht rechtzeitig nachkommt, eine Verwaltungsübertretung begeht und mit Geldstrafe bis zu 218,-- €, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu einer Woche zu bestrafen ist.

 

Es wird davon ausgegangen, dass es sich hierbei um ein Redaktionsversehen handelt, da ho. nicht vorstellbar ist, dass ein Recht, das aus besonders berücksichtigungswerten Gründen eingeräumt wird, sich in eine Pflicht, die gegebenenfalls mit Freiheitsstrafe sanktioniert ist, wandelt.

 

 

 

Für die Bundesministerin:

LASSER

 

 

 

Elektronisch gefertigt