Sehr geehrte Parlamentarier,
fristgerecht übermitteln wir Ihnen unsere Stellungnahme
zum neuen Lehrerdienstrecht. Einer Veröffentlichung auf der Homepage
des österreichischen Parlamentes stimmen wir ausdrücklich zu.
Von allen Parteien wird immer wieder betont, dass eine
bestmögliche Bildung das höchste Gut ist, das jungen Menschen
mit auf den Weg gegeben werden muss. Das neue Dienstrecht trägt
jedoch in keinster Weise dazu bei, dass Kinder und Jugendliche eine
bestmögliche Ausbildung erfahren:
- Wir als
geprüfte Lehrerinnen in Mathematik und Chemie bzw. Geschichte
und Sozialkunde/Politische Bildung und Religion sehen uns außerstande sowohl
in der Oberstufe als auch in der Unterstufe einen qualitativ hochwertigen,
modernen und innovativen Unterricht in einem fachfremden Gegenstand
abzuhalten. Wie die PISA-Studie ja angeblich zeigt, fallen die
österreichischen Schülerinnen/Schüler im internationalen
Ranking immer weiter zurück. Wie soll künftig das
Leistungsniveau angehoben werden, wenn eine Religionslehrerin
möglicherweise einen Chemieversuch machen muss oder eine
Chemielehrerin den Schülerinnen/Schülern in theologischen Fragen
Rede und Antwort stehen muss, wenn ihnen das nötige Fachwissen
fehlt??? Guter Unterricht lebt davon, dass die Lehrpersonen bei der
Vermittlung des Lehrstoffs "über dem Lehrstoff stehen", d.
h. ein entsprechendes Wissen vorhanden ist, das über den Rand des Schulbuches
hinausreicht. Nur so ist der Unterricht interessant, inspirierend und
motivierend - nur so "bleibt bei den Schülerinnen/Schüler
auch etwas hängen". Beschränkt sich das Wissen der
Lehrperson nur auf den Inhalt des Schulbuchs, was hier logischerweise der
Fall sein wird, werden darunter unsere Schülerinnen/Schüler
leiden, was auch neueste Bildungsstudien belegen. Wir lehnen es daher
strikt ab, dass Lehrpersonen künftig in allen Schulen, in allen
Unterrichtsgegenständen und in allen Schulstufen eingesetzt
werden können.
- Qualitativ
hochwertiger Unterricht erfordert eine entsprechende universitäre
Ausbildung.
Nur wer selbst an einer Universität studiert hat, kann
Schülerinnen/Schüler auf ein universitäres Studium
vorbereiten!
- Wir sind an
unserer Schule bereits als Betreuungslehrerinnen tätig und
genießen die inspirierende Zeit mit unseren
Studentinnen/Studenten und
Unterrichtspraktikantinnen/Unterrichtspraktikanten. Dabei wissen wir aber
auch, welchen enormen Zeitaufwand es bedeutet, eine Studentinnen/Studenten
bzw. Praktikantinnen/Praktikanten bestmöglich und sinnvoll zu
betreuen. Auch für die Studentinnen/Studenten bzw.
Praktikantinnen/Praktikanten ist es eine sehr intensive Zeit. Wir haben
bereits die Erfahrung gemacht, wie schwierig es für manche
Studentinnen/Studenten ist, die entsprechenden Praktika termingerecht
zu absolvieren, da sie sich ihr Studium oft selbst finanzieren
müssen. Laut neuem Dienstrecht erfolgt die sog. Induktionsphase an
der Schule bei voller Lehrverpflichtung der Mentorin/des
Mentors sowie bei voller Lehrverpflichtung der Junglehrerin/des
Junglehrers. Wie soll auf diese Art und Weise eine
Qualitätssteigerung erfolgen? Welche Lehrperson wird den enormen
Zeitaufwand in Kauf nehmen und sich zur Mentorin/zum Mentor ausbilden lassen
(ist vergleichbar mit einem 3-semestrigen Vollzeitstudium). Die
Sinnhaftigkeit einer Zwangsverpflichtung von Lehrpersonen zur
Mentorentätigkeit muss von uns nicht kommentiert werden.
Junglehrerinnen/Junglehrern ist es nicht zuzumuten, 24 Stunden zu unterrichten
und daneben zu hospitieren sowie ihren Master zu
machen, der für die AHS-Oberstufe vorgeschrieben ist. Die
nächste Universität von unserem Schulstandort befindet sich in
Innsbruck und liegt ca. 105 km von uns entfernt. Wie kann von einer
Lehrperson unter diesen Voraussetzungen (24 Stunden Unterricht, ca.
210 km Wegstrecke, Vorlesungen usw.) erwartet werden, dass sie
ihren Master termingerecht abschließt? Wir bitten Sie, sehr
geehrte Parlamentarier, uns dies zu erklären bzw.
dieses "kleine" Problem zu lösen.
- Gerade in den
sog. "Nebenfächern", die aber gerade in der Wirtschaft sehr
wichtig sind, müssen die Lehrpersonen bis zu 40 % mehr arbeiten und
büßen dabei im Laufe ihres Berufslebens bis zu 30 % des
derzeitigen Gehaltes ein. Mehr arbeiten für weniger wird von uns
nicht akzeptiert. Dies führt nur dazu, dass sich nicht
die Besten der Besten den Lehrberuf ergreifen, wie immer wieder
gefordert wird. Die Wirtschaft hat für diese
Personen attraktivere Angebote!
- Im
Zusammenhang mit dem neuen Dienstrecht wird in den Medien immer wieder
propagiert, dass wir mehr Zeit für unsere
Schülerinnen/Schüler haben werden. Tatsache ist allerdings, dass
wir für jeden unserer Schülerinnen/Schüler in Zukunft nur
noch 3 min/Woche Zeit haben werden. Wie soll hier
eine zwischenmenschliche Beziehung entstehen? Wie sollen
Schülerinnen/Schüler, die mit Problemen zu uns kommen, hier
entsprechend aufgefangen und betreut werden?
Wir, denen die Zukunft Österreichs anvertraut
wird, lehnen das neue Dienstrecht entschieden ab und verwehren
uns dagegen, dass unser Berufsstand - insbesondere auch von
Politikerinnen/Politikern -schlecht gemacht wird.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Mag. Verena Ebner
Prof. Mag. Stephanie Seywald
BG/BORG St. Johann in Tirol
PS:
Sehr geehrte Parlamentarier,
wir würden gerne wissen, wie viele ihrer Kinder bzw.
Enkelkinder ein Gymnasium besuchen und wie viele eine neue Mittelschule:
Schließlich lauert das Aushungern und somit die Schließung der AHS
wie ein großer dunkler Schatten bedrohlich über den Gymnasien!