Bundesministerium für Justiz

zH Frau Dr. Katharina Gröger

Museumsstraße 7

1070 Wien

 

BMJ-B4.500/0012-I 1/2009

 

 

Einschreiter:                                 Berufsverband österreichischer Psychologinnen und Psychologen

                                                         Möllwaldplatz 4/4/39

                                                         1040 Wien     

                                                        

 

vertreten durch:                          Rechtsanwalt

                                                         Mag. Nikolaus Bauer

Gonzagagasse 11/DG

A-1010 Wien

VM erteilt                                        RA-Code R 141 733

 

 

wegen:                                            

 

 

 

Kinderbeistandgesetz

 

 

 

S T E L L U N G N A H M E

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In umseits rubrizierter Angelegenheit beehrt sich der Berufsverband Österreichischer Psychologinnen und Psychologen durch seinen ausgewiesenen Vertreter nachstehende

 

Stellungnahme

abzugeben:

 

Der Berufsverband Österreichischer Psychologinnen und Psychologen begrüßt die Initiative des Bundesministeriums für Justiz zur Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für das Institut eines Kinderbeistands.

 

Zu § 104a Außerstreitgesetz:

Gemäß § 104a (3) Außerstreitgesetz ist der Kinderbeistand von allen Terminen zu verständigen, darf an mündlichen Verhandlungen teilnehmen und den Minderjährigen zu Beweisaufnahmen außerhalb der mündlichen Verhandlung auf dessen Wunsch begleiten.

 

Der Berufsverband Österreichischer Psychologinnen und Psychologen, Fachsektion Rechtspsychologie, weist darauf hin, dass umfassende Rechte des Kinderbeistands grundsätzlich sinnvoll sind, aus fachlich-psychologischer Sicht allerdings die Anwesenheit des Kinderbeistands im Zuge von Sachverständigen-Terminen nicht zielführend ist.

 

Aus fachlich-psychologischer Sicht ist die Anwesenheit von Dritten bei der Untersuchung des Kindes, seiner Angehörigen oder bei Interaktionsbeobachtungen von Familienangehörigen und dem Kind nicht zielführend. Das Kind sollte wie bisher die Möglichkeit haben, seinen Willen dem gerichtlich bestellten Sachverständigen mitzuteilen, ohne dabei von anderen Personen beobachtet zu werden. Darüber hinaus beeinflusst die Anwesenheit von Dritten bei Interaktionsbeobachtungen von Familienangehörigen und dem Kind das Verhalten der betreffenden Personen und verfälscht dadurch das Verhältnis der Untersuchung.

 

Aus dem diagnostischen Prozess kann sich die Notwendigkeit ergeben, dass Terminvereinbarungen der Sachverständigen anderen Personen im Vorhinein nicht bekannt sein sollten, um direkte Beeinflussungen vor der Untersuchung zu vermeiden. Zudem kann sich im diagnostischen Prozess die Notwendigkeit einer kurzfristigen Terminvereinbarung ergeben. Gerade Personen mit Erfahrung von familiärer Gewalt lehnen in der Regel die Bekanntgabe ihres Termins zur Begutachtung bei Sachverständigen an dritte Personen aus Angst vor weiteren Attacken vehement ab. Durch die Bekanntgabe des Termins würde das Vertrauensverhältnis zwischen zu untersuchender Person und dem jeweiligen Sachverständigen gestört und das Ergebnis verfälscht werden. Eine Begleitung zu Sachverständigenterminen oder Beweisaufnahmen außerhalb von Gerichtsterminen kann aus fachlich-psychologischer Sicht nicht die Beiwohnung bei der Untersuchung, beziehungsweise bei Interaktionsbeobachtungen, umfassen.

 

Es wird deshalb angeregt, die Bestimmung des § 104a (3) Außerstreitgesetz wie folgt zu formulieren:

 

„Der Kinderbeistand hat das Recht auf Akteneinsicht. Er ist von allen gerichtlichen Terminen zu verständigen. Er darf an allen mündlichen Verhandlungen teilnehmen. Alle Anträge der Parteien sind ihm zu übersenden; von weiteren Personensorgeverfahren ist er durch Übersendung des verfahrenseinleitenden Antrags zu informieren.“

 

 

Wien, am 14.09.2009                                                            Berufsverband österreichischer

                                                                                              Psychologinnen und Psychologen