Korrespondenzadresse:  Univ. Prof. Dr. Ernst Berger
p.A. Psychosoziale Dienste Wien / Abteilung f. Jugendpsychiatrie

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STELLUNGNAHME

27.08.09

 

Betr.:

Entwurf einer Unterbringungs- und Heimaufenthaltsnovelle 2010

(Ub-HeimAuf-Nov 2010)

 

Zu "Allgemeiner Teil":

Pkt. 4. Vorerst nicht verwirklichte Überlegungen

a) Modifikation des Gefährdungsbegriffs für Minderjährige

Zur Diskussion gestellt wird ein zusätzlicher neuer Absatz zu § 3 UbG:

„Bei Minderjährigen ist auch eine ernste und erhebliche Gefährdung der weiteren gedeihlichen Entwicklung der Persönlichkeit als ernste und erhebliche Gefährdung der Gesundheit im Sinne des Abs. 1 anzusehen.“

 

Die vorgeschlagene Ergänzung soll unterbleiben.

 

Begründung: Die Formulierung „Gefährdung d. gedeihlichen Persönlichkeitsentwicklung“ ist als Begründung freiheitsbeschränkender Maßnahme zu unbestimmt, da er einerseits auf einer normativen Wertung beruht, andererseits eine langfristige Prognose einschließt, die fachlich nicht einlösbar ist. Damit widerspricht diese Formulierung dem „Geist“ des UbG, die  Restriktionen der Freiheitsrechte des Patienten durch den Arzt restriktiv, transparent und kontrollierbar zu regeln. Ein in diesem Bereich bestehender legistischer Handlungsbedarf kann nur unter Einbeziehung des Jugendhilfegesetzes (dzt. Jugendwohlfahrtsgesetz) realisiert werden, da die Unterstützung der Persönlichkeitsentwicklung primär in den Aufgabenbereich der Pädagogik (Sozialpädagogik) fällt.

 

Zu § 2:

Die Formulierung (Kurzversion) "psychiatrische Abteilung" sollte ergänzt werden durch "bzw. Abteilung f. Kinder- u. Jugendpsychiatrie im Falle der Unterbringung Minderjähriger". Diese Ergänzung soll auch an allen anderen entsprechenden Stellen der Novelle vorgenommen werden.

Begründung: Mit dem Inkrafttreten der ÄAO 2007 wurde das Sonderfach Kinder- u. Jugendpsychiatrie geschaffen und im ÖSG 2009 die Errichtung entsprechender Fachabteilungen festgelegt.

 

Zu § 3/ Abs. 2:

Der Abs. 2 soll ergänzt werden um folgende Formulierung: "Dies ist durch Bezugnahme auf die spezielle Krankheitssituation und auf den aktuellen Stand der Wissenschaft zu begründen. Jedenfalls muss bei Fortsetzung der Unterbringung nach Wegfall der unmittelbaren Gefährdung eine Befristung ausgesprochen und begründet werden."

 

Begründung: In den erläuternden Bemerkungen zu diesem Absatz wird der Begriff „Ausbehandeln“ des Patienten verwendet. Diese Formulierung, die einen definierbaren Endpunkt der Therapie nahelegt, kann möglicherweise aus einem alltagssprachlichen Gebrauch, keinesfalls aber aus einer fachlich korrekten Terminologie abgeleitet werden. Fachlich korrekt kann von einer therapiebedingten Stabilisierung, nicht aber von einem Zustand des "Ausbehandelns" ausgegangen werden. Im Sinne der Aufrechterhaltung der Persönlichkeitsrechte des Patienten / der Patientin ist der Zeitraum, der für die begründete Erwartung eines weiterreichenden Behandlungserfolges vorgesehen werden kann, zu befristen. Dies gilt in besonderem Maße – aber nicht ausschließlich – für die Kinder- und Jugendpsychiatrie.

 

Zu § 10 / Abs. 3:

1) Anstelle der Formulierung des Entwurfs wenn der Patient minderjährig ist, alternativ

auch ein Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie oder ein Facharzt für Kinderund

Jugendheilkunde mit einer ergänzenden speziellen Ausbildung in Kinder- und

Jugendpsychiatrie oder ein Facharzt für Neurologie mit einer ergänzenden

speziellen Ausbildung in Kinder- und Jugendpsychiatrie soll folgende Formulierung treten: "Wenn der Patient / die Patientin minderjährig ist, hat die Untersuchung durch einen Facharzt / eine Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie zu erfolgen."

 

Begründung: Für die Untersuchung Minderjähriger soll ausschließlich (nicht "alternativ auch") ein Facharzt f. Kinder- und Jugendpsychiatrie herangezogen werden. Die weiteren Optionen der Fachärzte mit Additivfach "Kinder- und Jugendneuropsychiatrie" (sic!) ist praktisch bedeutungslos, da durch die Übergangsbestimmungen der ÄAO die Umschreibung des Additivfaches ermöglicht wurde.

 

2) Die Formulierung des Entwurfes auf dieses Recht hat der Abteilungsleiter die aufgenommene Person hinzuweisen. Soll ergänzt werden: die aufgenommene Person und ihren Vertreter nachweislich schriftlich hinzuweisen.

 

Begründung: Nach Wegfall der obligaten Einholung des 2. fachärztlichen Zeugnisses soll die Möglichkeit der optionalen Einholung maximal abgesichert werden.

 

 

§ 13 / Abs. 3

Die Formulierung des Entwurfs soll durch folgende Formulierung ergänzt werden: "Die Vertretung von Minderjährigen wird im Einvernehmen mit jener Personen, der Pflege und Erziehung zukommt, durch Patientenanwälte ausgeübt, die in der Anwendung des Jugendwohlfahrtsgesetzes ausgebildet sind."

 

Begründung: Die Tätigkeit der Patientenanwälte erfolgt bei der Unterbringung von Jugendlichen stets in den Grenzbereichen des Kindschaftsrechtes und des Jugendwohlfahrtsrechtes. Diesem Umstand ist durch die Ausbildung der Patientenanwälte und durch die Kooperation mit der für Pflege und Erziehung zuständigen Person Rechnung zu tragen.

 

§ 30 / Abs. 2a

Dieser Absatz sollte entfallen.

Begründung: Gerade im Falle einer langfristigen Unterbringung soll ein möglichst hohes Ausmaß an Kontrolle eingehalten werden.

 

§ 35 / Abs. 2

Die Formulierung sollte lauten: "... auch dem Sachwalter und der mit Pflege und Erziehung betrauten Person zu erläutern."

 

Begründung: Durch das KRÄG 2001 wurde die begriffliche Trennschärfe im Themenbereich Erziehungsberechtigung verbessert, indem die Teilbereiche der Obsorge klarer definiert wurden. Dem sollte im UbG Rechnung getragen werden.

 

§ 36 / Abs. 2

Auch hier sollte der Begriff "Erziehungsberechtigter" im Sinne der vorstehenden Begründung ersetzt werden.

 

 

 

 

Univ. Doz. Dr. Georg Spiel                                                            Univ. Prof. Dr. Ernst Berger

Präsident                                                                                         Sekretär