Dr. Rudolf Dujmovits

Raxer Straße 54

8380 Jennersdorf

 

 

 

An

Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie

Radetzkystraße 2

1030 Wien

 

st3@bmvit.gv.at

 

An das

Parlament

1010 Wien

 

begutachtungsverfahren@parlinkom.gv.at

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren !

 

 

Betrifft: Ministerialentwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird (76/ME XXIV.GP)

 

Ich nehme zu obigen Ministerialentwurf wie folgt Stellung:

 

Die vorgesehene Novelle zum Bundesstraßengesetz führt zu einer verfassungswidrigen Einschränkung der in zahlreichen nationalen und internationalen Normen festgelegten Grundrechte der Freiheit der Meinungsäußerung und der Freiheit sich zu versammeln. Im Speziellen hegen wir gegen folgende Änderungen hinsichtlich ihrer Grundrechtskonformität Bedenken:

 

§ 17 Abs 2

 

Die Abschaffung der Berufungsmöglichkeit gegen Enteignungsbescheide, in denen ausschließlich eine zeitweilige Einschränkung von dinglichen und obligatorischen Rechten an Liegenschaften angeordnet ist, könnte im Hinblick auf Art 6 EMRK problematisch sein. Zwar ist in solchen Fällen grundsätzlich die nachprüfende Kontrolle durch ein Tribunal ausreichend, was durch die Möglichkeit der Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts gegeben ist.

 

Angesichts der Dauer von derartigen Verfahren könnte allerdings die Effektivität des Rechtsschutzes, die ebenfalls durch Art 6 EMRK geschützt wird, beeinträchtigt sein, da es regelmäßig erst dann zu einer Entscheidung über die Beschwerde gegen einen unter § 17 Abs 2 fallenden Eigentumseingriff kommen wird, wenn dieser bereits wieder vorbei ist. Im Ergebnis könnte das bedeuten, dass (abgesehen von einem etwaigen Schadensersatzanspruch) keinerlei Rechtsschutz gegen eine unter § 17 Abs 2 fallende Enteignung mehr bestünde.

 

§ 28 Abs 1

 

Die geplante Änderung des § 28 Abs 1 sieht vor, dass die Zustimmung zur Benützung der Bundesstraßen für einen anderen als ihren bestimmungsgemäßen Zweck zusätzlich zu den bereits bestehenden Fällen auch dann zu versagen ist, wenn erhebliche Verkehrsbeeinträchtigungen zu befürchten sind. Dass diese Bestimmung einen Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht der Versammlungsfreiheit darstellt, ist evident, ja geradezu intendiert, wie aus den erläuternden Bemerkungen hervorgeht. Laut diesen ist es der Zweck der Bestimmung, „bundesstraßenfremde Veranstaltungen (insbesondere Demonstrationen, Sportveranstaltungen) auf Bundesstraßengrund“ zu verhindern.

 

Die weitere Argumentation in den Erläuternden Bemerkungen, dass diese Neuregelung keine unzulässige Einschränkung der Versammlungsfreiheit bedeute, da die Bundesstraßenverwaltung ohnehin zu einem grundrechtskonformen Vorgehen verpflichtet ist, mutet ein wenig absurd an: denn eine Untersagung einer Versammlung auf einer Straße ist bereits nach geltender Rechtslage in verfassungskonformer Weise geboten, sofern dies nach dem Versammlungsgesetz vorgesehen ist – nämlich dann, wenn die Versammlung den Strafgesetzen zuwiderläuft oder ihre Abhaltung die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet. Weitere Voraussetzung ist jedoch, dass die Untersagung aus einem der im Art 11 Abs 2 EMRK genannten Gründe notwendig ist und eine Interessenabwägung zwischen dem Interesse des Veranstalters an der Abhaltung der Versammlung gegen die im Art 11 Abs 2 EMRK aufgezählten öffentlichen Interessen am Unterbleiben der Versammlung zuungunsten der Veranstalter ausfällt. (vgl. VfGH B 577/89,28.9.1989)

 

Eine Untersagung der Versammlung aus anderen Gründen ist hingegen verfassungswidrig. Wenn die Behörden weiterhin grundrechtskonform vorgehen werden, ist die Änderung des § 28 Abs 1 also sinnlos, weil sie keinerlei Änderung der Rechtslage bewirkt. Wenn sie hingegen doch eine Änderung der Rechtslage bewirken soll, so wäre diese aller Voraussicht nach verfassungswidrig.

 

Auch die in den erläuternden Bemerkungen angeführte Judikatur des VfGH ist kein Argument für die Verfassungskonformität dieser Regelung. In den dort zitierten Fällen hielt der VfGH die Untersagung einer Versammlung auf den betreffenden Autobahnen für zulässig; allerdings betrafen die Fälle zwei der wichtigsten österreichischen Straßenverkehrsverbindungen, und der VfGH hielt die Untersagung nur deshalb für zulässig, weil „die zu befürchtende unvermeidbare, weiträumige, lange währende, extreme Störung des Straßenverkehrs […] derart gravierende Belästigungen und auch sicherheitsgefährdende Beeinträchtigungen zahlreicher unbeteiligter Personen erwarten [ließ], daß auch bei voller Berücksichtigung des - im öffentlichen Interesse gelegenen - Zieles der beabsichtigten Versammlung die gebotene Interessenabwägung zuungunsten der Versammlungsveranstalter ausfallen mußte.“ (vgl.VfGH B 577/89, 28.9.2009)

 

Daraus abzuleiten, dass jede „erhebliche Verkehrsbeeinträchtigung“ ein zulässiger Grund für die Untersagung einer Versammlung sei, ist sicherlich verfehlt. Vielmehr wäre die Bestimmung grundrechtskonform so auszulegen, dass sie keinerlei Änderung der Rechtslage bewirken würde, und insofern vollkommen sinnlos wäre. Dennoch bestünde die Gefahr, dass diese Novellierung in der Praxis vermehrt zu einer Untersagung von Veranstaltungen wegen angeblicher „erheblicher Verkehrsbeeinträchtigungen“ führen könnte, ohne dass die weiteren verfassungsrechtlich gebotenen Voraussetzungen dafür gegeben sind. Aus diesem Grund ist die Änderung des § 28 Abs 1 auf jeden Fall abzulehnen.

 

Darüber hinaus wird eingewendet:

 

Der ÖAMTC hat in diesen Tagen berichtet, dass seit Beginn der Sommerferien 2009 550 Staus mit einer Mindestlänge von 1,5 km auf dem österreichischen Autobahn- und Schnellstraßennetz verzeichnet werden konnten. Auslöser für diese Staus waren zu 54 % Unfälle, 25 % Überlastung, 7% Baustellen und 5% defekte Kraftfahrzeuge.

 

Vor dem Hintergrund, dass diese erhebliche Verkehrsbeeinträchtigungen offenbar durch den Betrieb der Autobahnen und Schnellstraßen selbst hervorgerufen werden, ist es geradezu grotesk, eine Beschneidung der  Ausübung der Grundrechte auf Freiheit der Meinungsäußerung und der Freiheit, sich zu versammeln, ins Auge zu fassen, wenn dadurch „eine erhebliche Verkehrsbeeinträchtigung“ erfolgen könnte.

 

Weiters werden die Ergebnisse und Überlegungen im Verfahren Eugen Schmidberger, Internationale Transporte und Planzüge gegen Republik Österreich vor dem Europäischen Gerichtshof Rs. C-112 mit dem Urteil vom 12.Juni 2003 zu berücksichtigen sein. Eine 30stündige Blockade der Brennerautobahn in Ausübung der Grundrechte der Freiheit der Meinungsäußerung und des Versammlungsrechtes wurde trotz der damit verbundenen Nachteile unbeteiligter Personen als angemessen und in Hinblick auf die Wichtigkeit der verbreiteten Meinung als vertretbar angesehen.

 

 

Jennersdorf, 9. 9. 2009

 

 

Dr. Rudolf Dujmovits