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BMVIT-210.501/0013-IV/         TÜ-as/48095                316        100265       20.11.2009

SCH1/2009

 

 

 

Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Eisenbahngesetz 1957 und das Schieneninfrastrukturgesetz geändert werden

 

 

 

Der Österreichische Gewerkschaftsbund dankt für die Übermittlung des im Betreff genannten Entwurfes und erlaubt sich, dazu wie folgt Stellung zu nehmen:

 

 

Mit der vorliegenden Novelle des Eisenbahngesetzes (EisbG) werden nächste Schritte zur Umsetzung des „3. Eisenbahnpaketes“ der Europäischen Union (EU) gesetzt. Inhaltlich geht es um Anpassungen aufgrund der Richtlinie 2007/58/EG zur Änderung der Richtlinie 91/440/EGW des Rates zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft sowie um die Richtlinie 2001/14/EG über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn und die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur. Darüber hinaus geht es um die Richtlinie 2007/59/EG über die Zertifizierung von Triebfahrzeugführern.

 

Der Österreichische Gewerkschaftsbund begrüßt die Umsetzung der RL 2007/59/EG stellt aber fest, dass die positive Intention der RL nicht in vollem Ausmaß im Entwurf ausgenutzt wurde. Es verbleiben große Lücken im Regelungsgegenstand, wie die Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen (Art. 30) und die Kontrollbestimmungen (Art. 29), die nicht wie in der Richtlinie formuliert, verankert wurden.


Die vorgesehenen Regelungen zur Ausbildung sind mangelhaft und zu wenig konkret. Beispielsweise fehlt nach wie vor eine durch eine Verordnung über Art, Umfang und Dauer der Ausbildungen zum Erhalt der Bescheinigung. Nachdem die Bescheinigungen von den Eisenbahnunternehmen auszustellen sind, ist eine detailliertere Regelung geboten.

 

Eine flächendeckende Kontrolle der Einhaltung von sicherheitsrelevanten Bestimmungen ist derzeit nur im Rahmen einer Dokumentenprüfung  möglich. Um die Sicherheit im Eisenbahnverkehr in einem liberalisierten Markt nachhaltig sicherzustellen, ist daher die Schaffung/der Ausbau einer flächendeckend operierenden Kontrolleinheit dringend geboten. Die Verpflichtung zur Gewährung der Sicherheit am Netz, die schon in der Sicherheitsrichtlinie verpflichtend einzuführen war, wurde erneut nicht berücksichtigt.

 

Auch wenn der Österreichische Gewerkschaftsbund eine konstruktive Stellungnahme abgibt, wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Intention des 3. Eisenbahnpaketes abgelehnt wird. Der Personenverkehr soll nicht den Dynamiken des Marktes unterstellt werden.

 

Die bisherigen Liberalisierungen von öffentlichen Dienstleistungen haben in den meisten Fällen sowohl zu einem Anstieg der Preise für die KundInnen, als auch zu einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und zu Arbeitsplatzverlusten geführt. Vorfälle im Bereich der Sicherheit mit erheblichen Folgeschäden sind absolut unerwünschte weitere Ergebnisse der Liberalisierung. Großbritannien und Neuseeland sind wohl die berühmtesten Beispiele von teuren Marktöffnungen: Wettbewerb wird auf Kosten der ArbeitnehmerInnen und der SteuerzahlerInnen geführt.

 

 

Zu den einzelnen Bestimmungen nimmt der Österreichische Gewerkschafts-bund wie folgt Stellung:

 

Zu § 21b:

Die gewählte Formulierung lässt offen, durch wen und auf welche Art und Weise die Fahrtauglichkeit der Triebfahrzeugführer vor Fahrtantritt überprüft wird. Die Verantwortlichkeit der Überprüfung der Fahrtauglichkeit muss hier - im Sinne der Richtlinie 2007/59/EG – klar dem Unternehmen übertragen werden. Das Unternehmen stellt über einen dokumentierten Prozess sicher (Recruiting, Kontrolle, …), dass die Triebfahrzeugmannschaft ihren Dienst fahrtauglich versieht.

 

Zu § 21c Absatz1:

Die derzeitige Formulierung lässt offen, welche fachlichen Voraussetzungen ein bestellter Gutachter aufweisen muss. Die benötigte Qualifikation zur Beurteilung der Kandidaten muss gesetzlich geregelt sein, um Willkür zu vermeiden. Im veröffentlichten Verzeichnis muss diese fachliche Eignung angeführt werden.

Zu § 57b (1):

Nach EU Richtlinie 2001/14/EG kann die Kabotage untersagt werden, wenn das „wirtschaftliche Gleichgewicht eines Vertrages über öffentliche Dienstleistungen gefährdet würde“.

Der § 57b EisbG übernimmt die Wortwahl „Vertrag“ auch für gemeinwirtschaftliche Leistungen (GWL). Diese Bezeichnung trifft nach Auffassung des Österreichischen Gewerkschaftsbundes auf die derzeitige Regelung der GWL nicht vollständig zu. Dem österreichischen Finanzierungsspezifikum wird also nicht Rechnung getragen, die RL nicht in der Wirkung erfasst. Der Österreichische Gewerkschaftsbund schlägt daher folgende Formulierung vor: „…. auf denen die Erbringung von öffentlichen Dienstleistungen aufgrund eines Vertrages oder einer öffentlichen Finanzierungsvereinbarung (gemeinwirtschaftliche Leistungen) erfolgt, insoweit ausgenommen oder einschränkt, als in einem Feststellungsverfahren mit Bescheid festgestellt worden ist, dass ansonsten das wirtschaftliche Gleichgewicht eines solchen Vertrages gefährdet wäre.“

Die Absätze 2 und 3 sind entsprechend anzupassen.

 

Zu § 125:

In der Erwägung Nr. 8 der RL 2007/59/EG wird deutlich, dass im Sinn der Interoperabilität und der einheitlichen Standards hinsichtlich der Fahrerlaubnis sowenig Ausnahmen wie möglich zuzulassen und alle Triebfahrzeugführer im gleichen Netz über den gleichen Kenntnisstand verfügen müssen. Die taxativ aufgezählten Ausnahmemöglichkeiten des Artikels 2 Z3 der RL sind abschließend. Daher widerspricht jegliche Erweiterung der Ausnahmemöglichkeit von der Fahrerlaubnis wie im §125 (3) formuliert eindeutig der Richtlinie.

 

Zu § 126:

Die Definition des Triebfahrzeugführers in Richtlinie 2007/59/EG spricht vom „verantwortlichen und sicheren“ Führen. Es ist nicht nachvollziehbar, warum der vorliegende Entwurf in Absatz 1 von „selbstständig“ spricht, der Begriff lässt sofort die Frage auftauchen was unter „unselbstständigem“ Führen verstanden wird. Der Österreichische Gewerkschaftsbund empfiehlt daher, die Formulierung der RL zu übernehmen und auch eine entsprechende Anpassung in den §§128,129 (3), 141 (1) vorzunehmen.

Bei den in Absatz 2 formulierten Abweichungen ist, im Sinne der RL, die Information des Infrastrukturbetreibers hinzuzufügen.

In Absatz 3 bleibt vollkommen offen, wie die entsprechende Streckenkenntnis für eine vernetzte Nebenbahn sichergestellt wird, der Absatz ist daher zu präzisieren.

 

Zu § 127:

Ist die Überschrift „Ausländische Fahrerlaubnis“ zu umfassend, da es sich um eine Fahrerlaubnis für die Mitgliedsstaaten der EU und des Europäischen Wirtschaftsraums handelt. Eine entsprechende Anpassung ist vorzunehmen.

 

Zu § 129 (1):

Das in §129 Absatz 1 gewählte Mindestalter entspricht grundsätzlich der RL 2007/59/EG. Die bisher gültige Altersgrenze von 21 Jahren wurde bewusst formuliert und zielt auf die geistige Reife ab. Auch im Sinne einer leichteren Administrierbarkeit in Bezug auf den §141(3) soll daher das Mindestalter von 20 Jahren gelten und nicht von der nationalen Ausnahmemöglichkeit, das Alter noch weiter zu mindern, Gebrauch gemacht werden.

 

Nach Ansicht des Österreichischen Gewerkschaftsbundes wäre es möglich gewesen, bei den Voraussetzungen über die Bestimmungen der RL hinauszugehen und den §129 zu nutzen, um noch weitere Bestimmungen zur Sicherung eines ordnungsgemäßen Arbeitsmarktes einzubringen (Bsp. ordentlicher Leumund).

 

Zu § 130 (2):

Nachdem im Großteil der Fälle „Zweckmäßigkeit, Raschheit oder Kostenersparnis“ als Übertragungsgrund schlagend werden, überträgt die Behörde defacto ihre Verantwortung zur Gänze an die Eisenbahnverkehrsunternehmen.

Artikel 19 der RL 2007/59/EG normiert die in §130 (2) übertragbaren Aufgaben unmissverständlich als Behördenaufgabe. Unter der Ziffer 6 dieses Artikels wird festgehalten, dass bei Übertragung der Aufgabe an Unternehmen ein Kontrollsystem ex ante eingerichtet werden muss, welches sicherstellt, dass bei der Erledigung dieser Aufgaben durch ein Eisenbahnunternehmen die Richtlinie eingehalten wird.

 

Aus Sicht des Österreichischen Gewerkschaftsbundes ist die Tätigkeitsübertragung an die Unternehmen aus Sicherheitsgründen wegen Unvereinbarkeit fahrlässig. Die Erfahrungen der Vergangenheit zeigen, dass keine ausreichenden Kontrollmechanismen vorhanden sind. Erwägung Nr. 11 der RL weist im letzten Satz dezidiert darauf hin, dass ein vollkommener Ausschluss von Interessenskonflikten durch die Umsetzung dieser RL sichergestellt werden muss. Wirtschaftliche Interessen des Unternehmens beeinträchtigen eine objektive Überprüfung der Triebfahrzeugführer jedenfalls. Wie und durch wen die Überprüfung von Interessenskonflikten erfolgen soll bleibt in der derzeitigen Formulierung des §130 (2) EisbG vollkommen offen.

Weiters bleibt offen, wie bei Personalüberlassungen (mitgliedstaatübergreifend) vorzugehen ist.

Der Österreichische Gewerkschaftsbund lehnt aufgrund der fehlenden Kontrollmechanismen diese Vorgehensweise vehement ab.

 

Zu § 131 (3) + (4):

§131 sieht keine Akkreditierung des Arbeitsmediziners und des Arbeitspsychologen vor, diese ist aber in Art. 20 der RL 2007/59/EG vorgesehen, der § 131 ist daher entsprechend anzupassen.

 

Zu § 139:

Dieser Paragraf normiert die periodisch wiederkehrende Überprüfung des Triebfahrzeugführers für die Fahrerlaubnis. Keinerlei Auskunft gibt diese Bestimmung über die Höhe der Kosten und wer diese Kosten zu tragen hat. Sollte diese zu lasten des Triebfahrzeugführers ausgelegt werden, ist § 139 zu Gänze abzulehnen. Nachdem die RL 2007/59/EG die Sicherstellung der Tauglichkeit der Triebfahrzeugführer durch das jeweilige EVU verlangt und dies im Rahmen des Sicherheitsmanagementsystems sichergestellt sein muss, liegt es in dessen Verantwortlichkeit, auch die Kosten für die Überprüfung zu übernehmen. Der §139 ist hier unmissverständlich zu formulieren.

Zu § 141:

EisbG §141 (2) spricht von Kategorien bei „Triebfahrzeugen“, die angeführten Fahrzeuge gelten aber nicht alle als solche, es wird daher empfohlen, einleitend von „Eisenbahnfahrzeugen“ zu sprechen. §141 (2) ist missverständlich formuliert und in den Erläuterungen findet sich keine Klarstellung. Anzunehmen ist, dass es dabei nicht um die Art des Triebfahrzeuges, sondern um die Verkehrsart geht! Daraus lässt sich schließen, dass ein eigener Absatz zu wählen ist: „Kategorie der Verkehrsart: GV, PV oder beides“.

 

Zu § 142:

Der besagte Paragraf bezieht sich unter Aufzählungspunkt fünf auf das Sicherheitsmanagementsystem (SMS) des EVUs, ignoriert aber jenes des Infrastrukturunternehmens. Beide Systeme greifen aber ineinander und der Kenntnisstand beider SMS muss eine Voraussetzung für die Bescheinigung sein.

 

Zu § 145 (2):

Die bestehende Formulierung des BMVIT sieht eine Prüfung der schienenbezogenen Fachkenntnisse vor. Zur Klarstellung sollte hier ergänzt werden, dass es sich dabei um eine praktische und theoretische Prüfung handelt. Zur Aneignung der Streckenkenntnis ist das Fahren auf der Strecke unabdingbar. Die angeführte Sprachkenntnis der Deutschen Sprache ist durch Fachvokabular zu ergänzen und hat mindestens dem Sprachniveau B2 aus dem europäischen Referenzrahmen zur Festlegung von Sprachkenntnissen zu entsprechen. Eine dementsprechende Festschreibung muss noch ergänzt werden. Die Kriterien für das angesprochene Gutachten sind unter Einbindung der Interessensvertretungen der Triebfahrzeugführer zu erfolgen und dann durch eine Verordnung festzulegen.

 

Zu § 146:

Die bestehende Formulierung normiert die regelmäßige Überprüfung des Kenntnisstandes der Mitarbeiter. Eine Ergänzung um die Angabe eines Mindestintervalls, welches an die Änderungstermine des Infrastrukturbetreibers gekoppelt sein kann, wird vom Österreichischen Gewerkschaftsbund als sinnvoll erachtet.

 

Zu § 147:

Es fehlen die Bedingungen unter denen die Fahrerlaubnis nach Verlassen des Unternehmens gültig bleiben kann, sofern die Zeiten der regelmäßigen Überprüfung eingehalten wurden und diese noch aufrecht sind. Ebenfalls fehlt aus der RL der Passus, dass ein EVU das einen Triebfahrzeugführer beschäftigen möchte, den aufrechten, in der beglaubigten Kopie festgehaltenen Eignungen Rechnung trägt.

 

Zu §§ 151 & 152:

Die vorgesehenen Normierungen sind mangelhaft. Nachdem die Ausbildung durch die Eisenbahnverkehrsunternehmen selbst erfolgen kann, besteht hier genauer Regelbedarf. Mit der derzeitigen Formulierung kann die Behörde ihrer Verpflichtung aus dem Legalitätsprinzip und gemäß der RL 2007/59/EG Artikel 21 nicht nachkommen. Ein Kriterienkatalog über die Anforderungen an eine Schulungseinrichtung muss gesetzlich verankert werden. Beispielsweise müssen eisenbahntechnische Übungsanlagen zu Verfügung stehen.

 

Zu § 155:

Der angeführte Paragraf regelt den Ersatz der Ausbildungskosten und ist in der bestehenden Fassung strikt abzulehnen. Art. 24 der RL 2007/59/EG sieht vor, dass bei einer Weiterbeschäftigung durch ein anderes EVU die Kosten für die Fahrerlaubnis und die Bescheinigung von dem EVU und nicht vom Triebfahrzeugführer zu tragen sind. Nachdem die Bescheinigung ohnehin beim EVU verbleibt und der Triebfahrzeugführer nur eine Kopie seiner Qualifikation erhält und diese im jetzigen Gesetzesentwurf bei Austritt entfällt, wird der Ausgebildete genötigt, Kosten für eine Bescheinigung zu übernehmen aus der ihm kein Recht mehr erwächst. In Erwägung Nr.12 verlangt die Richtlinie zusätzlich eine Regelung, die sicherstellen soll, dass kein anderes Eisenbahnunternehmen eine Ausbildungskostenersparnis durch Abwerben von Triebfahrzeugführern genießt. In der bestehenden Formulierung wäre das der Fall! Möglich wäre ein Ausbildungsfonds, in den die EVU nach einem Verteilungsschlüssel einbezahlen und aus dem die Ausbildung durch eine Schulungseinrichtung finanziert wird.

 

Zu § 159:

In diesem Paragrafen offenbart sich eine allgemeine Schwäche und Unklarheit der Richtlinie in der Praxis. Da auch EVUs aus anderen Mitgliedsstaaten Bescheinigungen für Netze in Österreich ausstellen können und dabei leicht die Übersichtlichkeit und Nachverfolgbarkeit verloren gehen kann, regt der Österreichische Gewerkschaftsbund an, für alle für Netze in Österreich (ÖBB, Raaberbahn, usw.) die Zuständigkeit für die Führung der Bescheinigungs-Register dem jeweiligen Infrastrukturbetreiber zu übertragen. Die Richtlinie erlaubt dies und es würde den Vorteil mit sich bringen, dass alle für das Netz ausgestellten Bescheinigungen (unabhängig vom jeweiligen EVU) zentral verwaltet werden.

 

Zu § 161 (3):

Die Richtlinie unterscheidet zwischen dem Zugang für den Triebfahrzeugführer zu seinen Daten und einer Auskunftserteilung für Dritte. Dies ist im vorliegenden Gesetzesentwurf nicht nachvollzogen und könnte Probleme mit dem Datenschutz bringen.

 

 

Mit vorzüglicher Hochachtung

 

 

 

 

Erich Foglar                                                                 Mag. Bernhard Achitz

Präsident                                                                     Leitender Sekretär