VERWALTUNGSGERICHTSHOF

 

A-1014 Wien, Judenplatz 11
Telefon: (01) 531 11, DW.
Telefax: (01) 53 28 921
DVR: 0000141

PRÄSIDIUM

 

Zl. 1701/11-Präs/2009

 

 

 

 

 

 

An das

Präsidium des Nationalrates

 

per E-Mail: begutachtungsverfahren@parlament.gv.at

 

 

 

 

Das Präsidium des Verwaltungsgerichtshofes übermittelt seine Stellungnahme zum Entwurf einer 2. Dienstrechts-Novelle 2009.

 

Wien,am 7. Oktober 2009

Der Präsident:

JABLONER

 

 


 

VERWALTUNGSGERICHTSHOF

 

A-1014 Wien, Judenplatz 11
Telefon: (01) 531 11, DW.
Telefax: (01) 53 28 921
DVR: 0000141

PRÄSIDIUM

 

Zl. 1701/11-Präs/2009

 

 

 

 

 

An das

Bundeskanzleramt

 

per E-Mail: iii1@bka.gv.at

peter.alberer@bka.gv.at

 

 

Zu dem mit do. GZ BKA-920.196/0011-III/1/2009 vom 25. September 2009 der Begutachtung zugeleiteten Entwurf einer 2. Dienstrechts-Novelle 2009 nimmt das Präsidium des VwGH wie folgt Stellung:

Art. I Z. 12 sieht die Einfügung einer Verfassungsbestimmung in § 41a BDG 1979 vor, wonach durch einfachgesetzliche Bestimmung eine Zuständigkeit der Berufungskommission zur Entscheidung über Berufungen gegen in erster Instanz ergangene Bescheide in Angelegenheiten des BDG 1979 zugewiesen werden kann. Ausweislich der Erläuterungen soll damit im Bereich dienst- und disziplinarrechtliche Angelegenheiten "in Hinkunft mehr Spielraum hinsichtlich Zuständigkeitsänderungen" geschaffen werden.

Aus Sicht des VwGH bestehen gegen diese Verfassungsänderung erhebliche Bedenken: Die Berufungskommission ist eine Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag im Sinne des Art. 133 Z. 4 B-VG, gegen deren Entscheidungen eine Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes nicht vorgesehen ist. Mit der Zuweisung von Zuständigkeiten an diese Behörde wird somit der Rechtszug an den Verwaltungsgerichtshof abgeschnitten. Dies bedeutet eine erhebliche Einschränkung rechtsstaatlicher Garantien. Speziell im Hinblick auf Disziplinarsachen ist in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes für diese Angelegenheiten erst im Jahr 1974 eingeführt wurde. Es ist nicht ersichtlich - und wird auch in den Erläuterungen zum Entwurf der 2. Dienstrechts-Novelle nicht dargelegt - aus welchem Grund nunmehr die Möglichkeit geschaffen werden

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soll, den Rechtsschutz in Disziplinarsachen zu reduzieren. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass auf diese Weise nicht nur der Rechtsschutz für die öffentlich-rechtlichen Bediensteten eingeschränkt würde, sondern mit dem Entfall der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes auch die Möglichkeit abgeschafft wird, dass ein Disziplinaranwalt gegen eine Entscheidung der Disziplinaroberkommission Beschwerde führt. Tatsächlich wird von Disziplinaranwälten in einer nicht unerheblichen Zahl Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben, was auch relativ häufig zum Erfolg führt. So ist etwa das hg. Erkenntnis vom 18. September 2008, Zl. 2007/09/0320, zu nennen, in dem der Disziplinaranwalt in einem medial viel beachteten Fall erfolgreich Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhob, weil die disziplinäre Bestrafung von vier Exekutivbeamten wegen schwerer Misshandlung eines Schubhäftlings nach seiner Auffassung zu gering ausgefallen war. Mit der Betrauung der Berufungskommission mit derartigen Rechtsmittelentscheidungen würde auch diese Möglichkeit der Geltendmachung öffentlicher Interessen durch Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wegfallen.

Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass gegenwärtig die Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz in Diskussion steht. Die Intention der bislang allgemein zugänglichen Entwürfe geht dahin, dass die verschiedenen Sonderbehörden durch Verwaltungsgerichte erster Instanz abgelöst werden sollen. Auch angesichts dieser in Vorbereitung stehenden umfassenden Reform des Rechtsschutzes im öffentlichen Recht scheint es zweifelhaft, ob es zweckmäßig ist, die Begründung umfangreicher Kompetenzen der Berufungskommission durch einfaches Gesetz zu erlauben. Neben diesem rechtspolitischen Aspekt ist schließlich auch zu bedenken, dass der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 15.886/2000, ausgesprochen hat, dass eine quantitativ umfangreiche Übertragung von Entscheidungsbefugnissen an Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag wegen der damit verbundenen Ausschaltung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof mit dem rechtsstaatlichen Prinzip der Bundesverfassung nicht in Einklang steht.

In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass die Umschreibung der Ermächtigung mit "dieses Bundesgesetz" im Hinblick auf die Möglichkeit von leges fugitivae noch zusätzlich bedenklich ist.

 

 

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Unter einem ergeht diese Stellungnahme elektronisch an das Präsidium des Nationalrates.

 

Wien,am 7. Oktober 2009

Der Präsident:

JABLONER