1 Präs. 1622-4785/09f

 

 

Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs

zur 2. Dienstrechts-Novelle 2009

 

              Der Entwurf einer 2. Dienstrechts-Novelle 2009 wurde zwar zur Begutachtung ausgesandt, jedoch nicht auch an den Obersten Gerichtshof. Diese Vorgangsweise befremdet, enthält der Entwurf doch mit der Neufassung des § 10 Abs 1 Bundes-Gleichbehandlungsgesetz eine Bestimmung, die in das richterliche Dienstrecht eingreift.

              Nach dem Entwurf sollen die richterlichen Personalsenate und die staatsanwaltschaftlichen Personalkommissionen in § 10 Abs 1 B-GlBG einbezogen werden. Die Einbeziehung ist aus verfassungsrechtlichen Gründen entschieden abzulehnen:

              Durch den undifferenzierten Satzbeginn des neu eingefügten vorletzten Satzes des § 10 Abs 1 B-GlBG („Dies gilt auch…“) käme es auch zur Geltung der Anordnung des ersten Satzes dieser Bestimmung für Personalsenate, wonach „von den vom Dienstgeber zu bestellenden Mitgliedern mindestens ein Mitglied weiblich und ein Mitglied männlich zu sein“ hat. Kein Mitglied des Personalsenats wird vom Dienstgeber bestellt. Die Stellung der Virilisten ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Die übrigen Personalsenatsmitglieder werden in geheimer Wahl bestimmt. Irgendeine Einflussnahme auf die geforderte Anzahl männlicher oder weiblicher Mitglieder ist daher auf Grund der geltenden Gesetzeslage unmöglich und würde in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise tief in die gerichtliche Organisationsstruktur eingreifen.

              Verfassungswidrig und mit der geltenden Gesetzeslage unvereinbar wäre die Teilnahme einer/eines Gleichbehandlungsbeauftragten an Sitzungen des Personalsenats:  

              § 32b des RStDG beschränkt das Beteiligungsrecht der/des Gleichbehandlungsbeauftragten bei Vorhandensein von Bewerbern verschiedenen Geschlechts auf die Einsichtnahme in Bewerbungsgesuche samt Standesbögen und die Bewerbungsübersicht (Abs 1), ein Anhörungs- und Äußerungsrecht, sowie das Recht, bei Anhörungen anwesend zu sein und an Bewerber Fragen zu stellen (Abs 2 und 3). Das Protokoll über die Anhörung der Gleichbehandlungsbeauftragten oder ihre Äußerung ist dem Besetzungsvorschlag anzuschließen (Abs 4).

              Bei Einfügung dieser Gesetzesstelle wurde in den Erläuternden Bemerkungen (1597 BlgNR XVIII. GP 38) ausdrücklich festgehalten, dass die Anwesenheit der/des Gleichbehandlungsbeauftragten bei der Beratung des Personalsenats ein Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit wäre.

              Die ErlBemzRV (506 BlgNR IX. GP S 34) stellen zu §§ 36 bis 49 RDG klar, dass die Vorschriften über die Personalsenate nicht dienstrechtlicher, sondern gerichtsorganisatorischer Natur sind. Sie führen weiters aus, dass die Personalsenate unabhängige Gerichte und keine Interessenvertretungen sind Auch die Wahlkommissionen sind als Gericht anzusehen. Mitteilungen über Beratungen und Abstimmungen betreffend den Besetzungsvorschlag des Personalsenats sind untersagt, um ein unbeeinflussbares und unbefangenes Arbeiten der Personalsenate zu ermöglichen.

              Art 87 Abs 2 B-VG definiert, der Richter befinde sich in Ausübung seines richterlichen Amtes bei Besorgung aller ihm nach dem Gesetz und der Geschäftsverteilung zustehenden gerichtlichen Geschäfte, mit Ausschluss der Justizverwaltungssachen, die nicht nach Vorschrift des Gesetzes durch Senate oder Kommissionen zu erledigen sind. Ausgehend von dieser Verfassungslage hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass alle Akte, die von einem richterlichen Kollegialorgan ausgehen, verfassungsrechtlich als Akte der Gerichtsbarkeit zu betrachten seien, gleichgültig, ob es sich dabei materiell um Akte der Justizverwaltung handle (V 50/94; VfGHSlg 14.189). Er hat weiters ausgesprochen, dass ein gemäß §§ 36 ff RDG eingerichteter Personalsenat keine gesetzliche berufliche Vertretung sei, weil dies schon durch seine verfassungsrechtliche Stellung als Gericht ausgeschlossen werde (WI-19/85; VfGHSlg 10.729). Schließlich hatte sich der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis G 23,40/77 (VfGHSlg 8.158) mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Vorschlagerstattung hinsichtlich der richterlichen Mitglieder der PVAK durch den Personalsenat des Obersten Gerichtshofs zur Ernennung durch die Bundesregierung zu befassen. Er führte aus, dass die Mitglieder des Personalsenats auch bei Erstattung dieser Besetzungsvorschläge gemäß Art 87 Abs 2 B-VG in Ausübung ihres Amtes tätig sind und der Personalsenat sohin als Gericht zu qualifizieren ist. Da an der Bestellung der richterlichen Mitglieder der PVAK sohin Verwaltungsorgane (Bundespräsident und Bundesregierung) und ein Gericht (Personalsenat) mitzuwirken haben, wird gegen den in Art 94 B-VG normierten Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung verstoßen, der ausschließt, dass zum Zustandekommen eines normativen Aktes sowohl Gerichte als auch Verwaltungsbehörden beizutragen haben.

              Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund ist die Bestimmung des Art IV RStDG zu sehen, die zwar die Anwendung des Bundesgleichbehandlungsgesetzes vorsieht, jedoch „unbeschadet von Sonderregelungen zur Gleichbehandlung in diesem Bundesgesetz“. Das damit angesprochene RStDG geht daher mit seinem eingangs zitierten § 32 b den Bestimmungen des B-GlBG über die Rechte der/des Gleichbehandlungsbeauftragten vor.

              Zusammenfassend ist daher nachdrücklich hervorzuheben, dass die/der Gleichbehandlungsbeauftragte gemäß § 26 Abs 2 B-GlBG vom jeweiligen Ressortleiter bestellt wird. Sie/Er ist daher - ungeachtet ihres/seines Berufs als Richter - in dieser Funktion als Organ der Verwaltung anzusehen. Der Personalsenat ist auch in Besetzungsfragen ohne Zweifel ein Gericht. Die über die bloße Anhörung hinausgehende beratende Mitwirkung eines Verwaltungsorgans betrifft - auch ohne Stimmrecht - die unmittelbare Entscheidungsfindung und ist daher mit der Bundesverfassung nicht in Einklang zu bringen. Der Gesetzgeber hat daher mit gutem Grund die richterlichen Personalsenate bisher nicht in die Bestimmung des § 10 B-GlBG einbezogen. Auch nach der beabsichtigten Novellierung trifft die Textierung (arg.: „...vom Dienstgeber bestellt...“) auf Personalsenate in keiner Weise zu. Durch die dargestellte Novelle kommt es zudem zu einem unüberbrückbaren Widerspruch zwischen Art IV, § 32b RStDG und § 10 B-GlBG, der ebenso wie der beschriebene gravierende Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit zu einer Anrufung des Verfassungsgerichtshofs führen würde.

 

Wien, am 14. Oktober 2009

Hon.-Prof. Dr. Griss