Sehr geehrte Damen und Herren!                                                Wien,16. 12. 2009

 

Angesichts des vorliegenden Gesetzesentwurfs für eine Novelle des ORF-G in Form des Ministerialentwurfs 115/ME „Ministerialentwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das KommAustria-Gesetz, das Telekommunikationsgesetz 2003, das Verwertungsgesellschaftengesetz 2006, das ORF-Gesetz, das Privatfernsehgesetz, das Privatradiogesetz und das Fernseh-Exklusivrechtegesetz geändert werden“ übermitteln wir folgende Stellungnahme mit dem Ersuchen um Berücksichtigung.

 

Die Tatsache, dass Frauen als eigenständig zu repräsentierende Gruppe in den Gremien einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt schlicht nicht vorkommen – wie bisher im Publikumsrat – und massiv unterrepräsentiert sind, ist angesichts der europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben und im EU-weiten Vergleich ein Armutszeugnis für Österreich und muss für die Zukunft verhindert werden.

 

Aus diesen Gründen fordern wir im Konkreten folgende Änderungen zum vorliegenden Ministerialentwurf zur Novelle des ORF-G:

 

Zur Repräsentation von Frauen- und Gleichstellungsangelegenheiten im Stiftungsrat des ORF:

 

§ 20 Abs 1 Z 3 soll künftig lauten:

 

3. Neun Mitglieder bestellt die Bundesregierung, wobei ein Mitglied vom Österreichischen Frauenring als Dachorganisation der Frauenorganisation und –vereine zu nominieren ist.

 

Begründung: Es ist ein schweres demokratiepolitisches Defizit, dass Frauen in der derzeitigen Fassung des ORF-G keine institutionalisierte Repräsentation im Stiftungsrat haben. Dieses Defizit soll durch die Nominierung von einem Stiftungsratmitglied durch die Dachorganisation österreichischer Frauenorganisationen und –vereine beseitigt werden. Dadurch wird sichergestellt, dass unabhängig von bundespolitischen Konstellationen, welche die institutionalisierte Vertretung von Fraueninteressen auf Ebene der Bundesregierung je nach Gutdünken vorsehen kann oder auch nicht, Frauen- und Gleichstellungsthemen im Stiftungsrat vertreten sind.

 

Weiters schlagen wir vor, dass  bei der Bestellung von Mitgliedern nach Z 1 bis 4 das Kriterium „Kenntnisse des Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsrechts, sowie fachliche Expertise im Bereich Frauen- und Geschlechterforschung“ aufgenommen werden, so dass in § 20 Abs 1 nach Z 5 angefügt wird:

 

Bei der Bestellung von Mitgliedern nach Z 1 bis 4  ist darauf zu achten, dass diese

1.                       die persönliche und fachliche Eignung durch eine entsprechende Vorbildung oder einschlägige Berufserfahrung in den vom Stiftungsrat zu besorgenden Angelegenheiten aufweisen und

2.                       über Kenntnisse des österreichischen und internationalen Medienmarktes verfügen oder sich auf Grund ihrer bisherigen Tätigkeit im Bereich der Wirtschaft, Wissenschaft, Kunst oder Bildung hohes Ansehen erworben haben und

3.                       über entsprechende Vorbildung, einschlägige Berufserfahrung und Kenntnisse im Bereich Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsrecht,  Menschenrechte, Frauen- und Geschlechterforschung aufweisen.

 

Begründung: Kenntnisse im Bereich Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsrecht,  Menschenrechte, Frauen- und Geschlechterforschung sind unerlässlich, um die Auswirkungen von Entscheidungen des Stiftungsrats innerhalb seiner im ORF-G definierten Aufgabenbereiche auf (bestimmte Gruppen von) Frauen und Männern beurteilen zu können. Entscheidungen des Stiftungsrats sollten jedenfalls Gleichstellung, Antidiskriminierung und Menschenrechte fördern.

 

In Bezug auf die Zusammensetzung des Publikumsrats müssen Frauen als eigenständige Bevölkerungsgruppe vertreten sein. Daher soll § 28 Abs 4 künftig wie folgt lauten:

 

(4) Der Bundeskanzler hat für die weiteren Mitglieder Vorschläge von Einrichtungen bzw. Organisationen, die für die nachstehenden Bereiche bzw. Gruppen repräsentativ sind, einzuholen: Frauen, die Hochschulen, die Bildung, die Kunst, der Sport, die Jugend, die Schülerinnen und Schüler, die älteren Menschen, die behinderten Menschen, die Eltern bzw. Familien, die Volksgruppen, die Touristik, Kraftfahrerinnen und Kraftfahrer, die Konsumentinnen und Konsumenten und der Umweltschutz.

 

Begründung: Es ist ein schweres demokratiepolitisches Defizit, dass Frauen - im Gegensatz zu einer breiten Auswahl von teilweise sehr spezifisch orientierten gesellschaftlichen Interessensvertretungen - in der derzeitigen Fassung des ORF-G keine institutionalisierte Repräsentation im Publikumsrat haben. Dieses Defizit soll durch die Nominierung von einem Publikumsratsmitglied durch den Österreichischen Frauenring beseitigt werden. Der Österreichische Frauenring ist als Dachorganisation österreichischer Frauenorganisationen und –vereine die bestmögliche Repräsentation der vielfältigen Interessen von Frauen in Österreich.

 

Im Übrigen erscheint es uns fragwürdig, dass neben Frauen bestimmte weitere Bevölkerungsgruppen, wie etwa Migrantinnen und Migranten, VertreterInnen der weiteren staatlich anerkannten Konfessionen, oder VertreterInnen von lesbischen, schwulen und transgender Personen, im ORF nicht repräsentiert sein sollen. Wenn eine ausgewogene Repräsentation aller wesentlichen Gesellschaftsgruppen, die durch historische und gegenwärtige Ungleichheit gekennzeichnet sind, erfolgen soll, müssen die genannten Bevölkerungsgruppen ebenfalls repräsentiert sein.

 

Weiters muss die Novelle des ORF-G den Erfordernissen der sprachlichen Gleichbehandlung von Frauen und Männern Rechnung tragen; die Verwendung des generischen Maskulinums ist jeweils zu ersetzen durch geschlechtergerechte Begriffe, vorzugsweise jeweils in der weiblichen und männlichen Form oder in der geschlechterunbestimmten Form (z.B. anstatt: Generaldirektor: Generaldirektorin oder Generaldirektor, anstatt: Hörer und Seher: Publikum).

 

Gleichstellung und Frauenförderung, sowohl repräsentativ als auch thematisch, gehört nicht zu den Küraufgaben, sondern zu den demokratischen Grundprinzipien dieses Landes, und muss auch in der Neugestaltung des ORF unbedingt Niederschlag finden.

 

Wir fordern ausdrücklich dazu auf, die oben genannten Punkte in die Novelle des ORF-G zu übernehmen.

 

Mit freundlichen Grüßen,

 

Maga Maria Cristina Boidi,

DSAin Renate Blum, MAS

 

für den Verein LEFÖ

 

 

 

LEFÖ - Beratung, Bildung und Begleitung für Migrantinnen

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