Stellungnahme zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Strafgesetzbuch zur Verhinderung von Terrorismus (Terrorismuspräventionsgesetz 2009) geändert wird Begutachtungsverfahren BMJ-L318.028/0001-II 1/2009

 

 

Zusammenfassung

 

Ich lehne die vom Nationalrat vorgeschlagene Ergänzung des Strafgesetzbuchs durch die Paragraphen "278e" und "278f" ab.

 

Diese Änderung des StGB würde legitimes zivilgesellschaftliches Engagement gefährden und eine schlimme Verschärfung der bereits jetzt bestehenden Rechtsunsicherheit durch die Paragraphen 278ff StGB verursachen. Die vorgeschlagene Ergänzung würde angesichts der aktuellen Gesetzesauslegungspraxis die Wahrnehmung der durch Menschenrechte und die österreichische Verfassung geschützten Grundrechte auf Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit strafbar machen.

 

Statt einer Ausdehnung der Anwendbarkeit der Terror- und Mafia-Gesetzgebung, muß zum Schutz zivilgesellschaftlicher Mitgestaltungsmöglichkeiten im Gegenteil eine Entschärfung erfolgen: Für eine Anwendbarkeit des Paragraphen 278a sollte zumindest zusätzlich die Bereicherungsabsicht zwingend voraussetzt werden. Dies würde völlig legal zivilgesellschaftlich engagierte Personen vor Verfolgung nach Terror- und Mafiagesetzen schützen ohne die Effektivität zur Verfolgung von organisierter Kriminalität zu beeinträchtigen.

 

 

Erläuterung

 

In der österreichischen Rechtssprechung wird die Ankündigung von zivilgesellschaftlichen Kampagnen und deren Durchführung als schwere Nötigung (§ 106 StGB) ausgelegt. Beleg dafür ist die so genannte "Tierschutzcausa". In diesem Fall bestätigten mehrere gerichtliche Instanzen, dass die Ankündigung (und Durchführung) von völlig legalen Kampagnen als schwere Nötigung gewertet werden kann.

 

Schwere Nötigung ist einer jener Tatbestände, die im StGB unter terroristischen Aktivitäten (§ 278c) genannt werden. Weil in diesem Zusammenhang argumentiert wird, dass Aktivist_innen organisiert vorgehen, werden viele der nachweislich in Österreich im Tierschutz aktivsten Personen gemeinsam als Kriminelle Organisation (§ 278a StGB) verfolgt.

 

Die vorgeschlagenen Erweiterungen des Strafgesetzes würden durch die

Paragraphen: "278e" und "278f" zwangsläufig auch auf gesellschaftlich ebenso unbedenkliche wie notwendige zivilgesellschaftliche Weiterbildungsmaßnahmen angewendet werden können, denn sobald in Gruppen die Funktionsweise von NGO-Kampagnen oder Begründungen für sie erklärt werden, könnten alle teilnehmenden Personen nach den vorgeschlagenen Paragraphen "278e" und/oder "278f" wegen Terrorismus verurteilt werden. Weil damit auch durch Menschenrechte geschützte Formen der zivilen Organisation als Terrorismus verfolgt werden könnten, würde die Einführung der Paragraphen "278e" und "278f"

eine schwere Rechtsunsicherheit hervor rufen, denn eine klare Abgrenzung zwischen Terrorismus und legitimen zivilgesellschaftlichem Engagement würde damit unmöglich werden.

 

Unter welchen Bedingungen wäre eine Kampagne keine gefährliche Drohung? Wird etwa die Ankündigung von Kundgebungen automatisch zu einer gefährlichen Drohung, wenn diese Kundgebungen die Umsätze jenes Unternehmens reduzieren könnten? Dürfen Kampagnenziele grundsätzlich nicht mehr über weitere geplante Schritte informiert werden?

 

Wenn bei schweren Sachbeschädigungen (§ 126 StGB) die vermuteten Motive der unbekannten Täter_innen zu erklärten Kampagnenzielen passen, sind Österreichs Strafverfolgungsorgane in der Praxis bereits jetzt bereit auch ohne nachvollziehbare Beweise jene Personen als "schwer verdächtig" in Untersuchungshaft zu nehmen, die sich öffentlich in entsprechenden legalen Kampagnen engagieren. Aus diesem Grund besteht die dringende Gefahr, dass mit einer Einführung der vorgeschlagenen Zusatzparagraphen diverse zivilgesellschaftliche Weiterbildungsmaßnahmen und andere Informationsveranstaltungen bzw. Medien als grundsätzlich verdächtig eingestuft und überwacht werden.

 

Da es unmöglich ist dafür zu sorgen, dass Unbekannte keine Verbrechen begehen, die mit irgendwelchen Kampagnenzielen in Verbindung gebracht werden können, würde die vom Nationalrat vorgeschlage Ergänzung des Strafgesetzbuchs die Grundrechte auf Versammlungsfreiheit und Meinungsfreiheit empfindlich gefährden.

 

Wer sicher gehen möchte sich unter diesen Bedingungen nicht strafbar oder wenigstens verdächtig zu machen, muß die Teilnahme an zivilgesellschaftlichen Maßnahmen meiden. Der Entwurf des Nationalrats würde daher zivilgesellschaftliches Engagement empfindlich bedrohen. Dies ist demokratiepolitisch inakzeptabel und gefährdet essentielle Grundrechte aller in Österreich lebenden Menschen.

 

Im Moment steht im Strafgesetzbuch dass sich alle Personen nach $ 278a strafbar machen, die sich in einer Organisation engagieren, die "eine Bereicherung in großem Umfang oder erheblichen Einfluss auf Politik oder Wirtschaft anstrebt".

Da ein Großteil legitimer Kampagnen überhaupt erst durch ihre politische Wirkung Sinn machen, wird organisiertes zivilgesellschaftliches Engagement damit unvermeidlich kriminalisiert.

 

Mit freundlichen Grüßen,

Marlene Bacher