REPUBLIK ÖSTERREICH

Bundesministerium für Inneres

Menschenrechtsbeirat

Der Vorsitzende

   Univ. Prof. Dr. Gerhart WIELINGER

Landesamtsdirektor i.R

 

 
                       

A-1014 WIEN, Minoritenplatz 9

Telefon: +43/1/53 126 – 3500

Fax: +43/1/53 126 – 3504

Mail: office@menschenrechtsbeirat.at

www.menschenrechtsbeirat.at

 

 
 

 

 

 

 

 


                                                                                                          Wien, am 7. 1. 2008

 

 

Stellungnahme des Menschenrechtsbeirates im BM.I

zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005 und das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz geändert werden und ein Bundesgesetz über einen Beirat des Landeshauptmannes zur Beratung in Fällen besonderen Interesses erlassen wird

 

I. Grundsätzliches

 

Der Menschenrechtsbeirat begrüßt das Vorhaben des BMI, mit dem vorliegenden Entwurf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27.6.2008, G 246/07 (Aufhebung von Teilen der §§ 72 und 73 NAG) umzusetzen. Wirksame Antragsrechte und durchsetzbare Ansprüche im Bereich der Menschenrechte, insb. von Art 2, 3 und 8 EMRK, sind ein verfassungsrechtliches und völkerrechtliches Erfordernis. Der MRB hat in den vergangenen Jahren auch immer wieder auf ihre elementare Bedeutung für einen humanen Vollzug des Fremdenrechts hingewiesen.

 

A.      Positive Elemente des Entwurfs

 

Bei der Umsetzung dieses Anliegens im vorliegenden Entwurf sieht der MRB eine Reihe sehr positiver Elemente. Begrüßt wird insbesondere:

 

1.                  die Schaffung von Antragsrechten mit durchsetzbaren Rechtsansprüchen für Fälle, in denen dies nach Art 8 iVm Art 13 EMRK geboten ist (insb § 11 Abs 3, § 43 Abs 2, § 44 Abs 3 NAG);

 

2.                  die ausdrückliche Festschreibung des Kriterienkataloges, der in der Judikatur des EGMR und des VfGH im Bereich von Art 8 EMRK entwickelt wurde (§ 10 Abs 2 Z 2 AsylG, § 66 Abs 2 FPG, § 11 Abs 3 NAG); dies wird den zuständigen Behörden helfen zu erkennen, welche Ermittlungen in diesem Bereich notwendig sind und damit auch die Abwägungsvorgänge und die Qualität der Bescheidbegründungen verbessern;

 

3.                  die flächendeckende Einführung der genannten Antragsrechte im Rahmen des NAG mit Geltung nicht nur innerhalb des Asylrechts, sondern im Bereich des gesamten Fremdenrechts (vgl insb § 11 Abs 3, § 43 Abs 2 u § 44 Abs 3  NAG);

 

4.                  die Erweiterung der Möglichkeit der Inlandsantragstellung, insb. auch auf Fälle, in denen dies für einen effizienten Rechtsschutz nach Art 8 iVm Art 13 EMRK geboten ist (§ 21 Abs 3 NAG);

 

5.                  das Konzept einer Niederlassungsbewilligung für Fälle, in denen eine Ausweisung wegen Art 8 EMRK rechtskräftig für unzulässig erklärt wurde (§ 22 Abs 9 AsylG, § 105 Abs 7 FPG, § 44a NAG);

 

6.                  die Schaffung einer Aufenthaltsbewilligung für „Opfer“ (§ 69a NAG), wobei der Tatbestand von § 69a Abs 1 Z 2 NAG mit dem Kriterium „insbesondere“ Spielraum für eine Vielzahl von Fällen bietet, in denen Fremde im Inland Opfer von strafbaren Handlungen werden können; sowie

 

7.                  die Idee einer quotenfreien Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen für Personen, die nicht unter Art 8 EMRK fallen und keine „Opfer“ iSd § 69a NAG sind (§ 44 Abs 4 NAG).

 

B.      Kritikpunkte

Neben den genannten positiven Elementen enthält der Entwurf nach Auffassung des MRB allerdings auch problematische Punkte. Kritik ist insb. am Konzept des „Bundesgesetz über einen Beirat des Landeshauptmannes zur Beratung in Fällen besonderen Interesses“ zu äußern (Art 4 des Entwurfs; im folgenden „BeiratsG“). Das Gesetz erscheint in mehreren Punkten unklar, inhaltlich unausgegoren, zum Teil sogar verfassungsrechtlich bedenklich. Obwohl der MRB grundsätzlich die Idee begrüßt, Niederlassungsbewilligungen aus humanitären Gründen auch außerhalb von Rechtsansprüchen nach Art 8 EMRK vorzusehen (vgl oben A.7), ist Kritik an der hier dafür gewählten Art und Weise zu üben:

 

  1. Die Erteilung einer Niederlassungsbewilligungen gemäß § 44 Abs 4 NAG („Niederlassungsbewilligung – beschränkt“) hängt von der positiven Empfehlung eines dafür eingerichteten „Beirats“ ab. Sie setzt damit die Erlassung einer Verordnung voraus, die einen solchen Beirat einrichtet. Die Kompetenz zur Einrichtung von Beiräten liegt aber im völlig undeterminierten Ermessen des Landeshauptmanns (§ 1 Abs 1 BeiratsG: „kann mit Verordnung … einrichten“). Schon die Einrichtung des Beirats selbst wird damit in jedem Land zu einem „Gnadenakt“ des jeweiligen Landeshauptmanns, der dem Legalitätsprinzip nach Art 18 Abs 1 u 2 B-VG nicht entspricht: Danach muss jeder Vollzugsakt, unabhängig ob darauf Rechtsansprüche bestehen, durch Gesetz determiniert sein. Da es schwer möglich sein wird, nachvollziehbare Kriterien für die Einrichtung von Beiräten zu finden, sollte diese vielmehr verpflichtend vorgesehen werden.

 

  1. Der genannte Beirat kann eine positive Empfehlung für die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 44 Abs 4 NAG abgeben, die auch zu begründen ist (§ 1 Abs 4 BeiratsG). Der Landeshauptmann ist aber nicht verpflichtet, einer solchen Empfehlung zu folgen. Ob er dies tut, liegt – wiederum – in seinem undeterminierten Ermessen (§ 1 Abs 2 BeiratsG: „kann … erteilen“). Kritikwürdig daran ist nicht, dass der LH hier nur von Amts wegen vorgehen kann und keine Rechtsansprüche bestehen. Auch in solchen Fällen verlangt es aber das Legalitätsprinzip, Kriterien dafür zu nennen. Ist dies wie hier nicht der Fall, so wird auch dieser Akt der Niederlassungsbewilligung letztlich zu einer Art „Gnadenakt“. Bemerkenswert ist, dass zwar der Titel des Gesetzes von „Fällen besonderen Interesses“ spricht, dieses selbst aber nirgends auch nur in Ansätzen definiert, welcher Art diese Interessen  sein können. Diese müssten näher spezifiziert werden.

 

  1. Problematisch ist weiters, dass die Empfehlung des Beirats vom Vorliegen einer tauglichen „Patenschaft“ nach § 2 BeiratsG abhängt. Ohne eine solche Patenschaft kann keine positive Empfehlung und daher auch keine Niederlassungsbewilligung gem § 44 Abs 4 NAG erteilt werden (§ 1 Abs 5 BeiratsG). Zwar ist die Idee einer Patenschaft für sich genommen noch nicht bedenklich; sie könnte etwa als Indiz für ein gewisses Maß an sozialer Integration, beruflicher Qualifikation und Vertrauenswürdigkeit des Fremden dienen. Bedenklich sind aber

§    der große, nahezu unbeschränkte Haftungsumfang (§ 2 Abs 2 BeiratsG); dieser kann so hohe Kosten verursachen, dass das Haftungsrisiko für Hilfsorganisationen und Privatpersonen zu hoch wird, im Ergebnis prohibitiv wirkt und zur Unanwendbarkeit der Regelung führt;

§    die strikte Abhängigkeit der Beiratsempfehlung (und damit auch der Niederlassungsbewilligung selbst) von einer Patenschaft; dies benachteiligt in unsachlicher Weise jene Fremden, denen es – trotz größten Bemühens – nicht gelingt, einen solchen Paten zu finden; sowie

§    die so maßgebliche Übertragung einer Verantwortung auf Privatpersonen im Sicherheitswesen und damit einem Vollzugsbereich der inneren Verwaltung, dessen Besorgung eine Kernaufgabe des Staates ist (vgl VfSlg 14.473/1996).

Zur Lösung der hier genannten Probleme sollten einerseits das Haftungsrisiko verringert (zB auf Unterkunft und Unterhaltsmittel beschränkt) und andererseits die strikte Abhängigkeit der Niederlassungsbewilligung von der „Patenschaft“ gelockert werden.

 

  1. Problematisch ist letztlich auch, dass das BeiratsG nur für Personen gilt, die sich seit 1. 1. 2003 durchgängig im Bundesgebiet aufhalten (§ 1 Abs 2 BeiratsG iVm § 44 Abs 4 Z 1 NAG). Damit ist wohl insbesondere geplant, sog. „Altfälle“ (mit überlangem Asylverfahren) zu erfassen. Diese Beschränkung ist aber weder im Gesetz noch in den Erläuterungen ausdrücklich verankert. Die Gründe für die Anwendbarkeit der Regelung solche vielmehr solche „besonderen Interesses“ an einem Aufenthalt des Fremden in Österreich sein. Es fragt sich, ob es in diesem Zusammenhang sachlich ist, auf ein bestimmtes in der Vergangenheit liegendes Datum abzustellen. Besser wäre es, eine bestimmte Dauer des durchgängigen Aufenthalts einer Person im Bundesgebiet (zB sechs Jahre) zu Grunde zu legen.

 

 

II.      Zu den Änderungsvorschlägen im Einzelnen

 

Zu Art 2 Z 3 (§ 66 Abs. 3 FPG) und Art 3 Z  15 (§ 44a NAG):

 

Die vorgeschlagene Neuregelung sieht vor, dass bei der Entscheidung über die Zulässigkeit einer Ausweisung gemäß § 66 Abs 2 auch darüber abzusprechen ist, ob diese nur vorübergehend oder „auf Dauer unzulässig ist“. Nur im zweiten Fall ist eine Niederlassungsbewilligung nach § 44a NAG zu erteilen.

 

Dabei wirft das Kriterium der „Dauerhaftigkeit“ ernsthafte Probleme auf:

 

Erstens darf die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK nicht von der „Dauerhaftigkeit“ der Unzulässigkeit einer Ausweisung abhängig gemacht werden; sie soll vielmehr das Resultat einer Abwägung zwischen den öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung einerseits und den Interessen des Fremden an seinem weiteren Verbleib im Inland aus privaten oder familiären Gründen sein (vgl. etwa das Urteil des EGMR vom 31.1.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Beschw.Nr. 50.435/99). Eine solche Feststellung kann sich seriöser Weise nur auf den zum Zeitpunkt der fremdenbehördlichen Entscheidung vorliegenden Sachverhalt beziehen. In der Zukunft liegende Sachverhalte sind dagegen regelmäßig ungewiss; die Behörde kann und darf sie daher nicht berücksichtigen. Die Möglichkeit einer Ausweisung „auf Dauer“ auszuschließen, erscheint geradezu denkunmöglich.

 

Allenfalls muss die Regelung verfassungskonform so interpretiert werden, dass „auf Dauer unzulässig“ alle jene Fälle meint, in denen nicht schon von vornherein fest steht, dass die Gründe für das Bleiberecht vorüber gehen (zB beschränktes Aufenthaltsrecht von Familienmitgliedern im Inland). Auch dies kommt aber weder im Text der vorgeschlagenen Bestimmungen noch in den Erläuterungen zum Ausdruck; auch ist die Abgrenzung dieser Fälle unklar. Im Ergebnis ist die Wendung „auf Dauer unzulässig“ als nicht hinreichend determiniert zu erachten; ihr Inhalt kann auch mit den zulässigen Interpretationsmethoden nicht klar erfasst werden. Die Wortfolge ist daher im Licht von Art. 18 B-VG verfassungsrechtlich problematisch.

 

Vor dem Hintergrund dieser Feststellungen läuft die Regelung auch Gefahr, in der Praxis unanwendbar zu werden. Besser wäre es, auf die „Dauerhaftigkeit“ in den genannten Vorschriften entweder überhaupt zu verzichten oder die gemeinten Fälle verfassungskonform zu präzisieren.

 

 

Zu Art 3 Z 4 (§ 3 Abs 2 NAG):

 

Mit dieser Bestimmung wird dem BMI die Möglichkeit eingeräumt, bereits erteilte Aufenthaltstitel bzw. ausgestellte Dokumentationen des gemeinschaftlichen Aufenthalts- und Niederlassungsrechts für nichtig zu erklären. Voraussetzungen dafür sollen einerseits Wiederaufnahmegründe (Z 3: Herbeiführung durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis, gerichtlich strafbare Handlung oder sonstige Erschleichung), andererseits Vollzugsfehler der Erstbehörde sein (Z 1 und Z 2).

 

Während die erste Möglichkeit (Aufgreifen von Wiederaufnahmegründen) überflüssig erscheint, weil hier ja auch die Möglichkeit einer amtswegigen Wiederaufnahme zur Verfügung steht, bestehen gegen die zweite Möglichkeit (Aufgreifen von Vollzugsfehlern der Unterbehörden) folgende Bedenken:

 

Zunächst fällt auf, dass hier eine bisher nicht vorgesehene, sehr weit gehende Durchbrechung der Rechtskraft normiert wird, die einen Eingriff in bestehende Rechte auf Aufenthalt bzw. Niederlassung bedeutet. Für diesen bestehen keine zeitlichen Schranken, sodass für die Betroffenen eine erhebliche Rechtsunsicherheit entsteht. Dies ist insbesondere deshalb problematisch, weil nach dem Gesetzeswortlaut jeder Vollzugsfehler zur Nichtigkeit führen soll, unabhängig davon, ob der durch den Bescheid Berechtigte Schuld daran trägt und ob der Fehler als „schwer“ zu bewerten ist. (Die in den Erläuterungen erwähnte Einschränkung, es gehe hier darum, „grob rechtswidrige“ Bescheide aus dem Rechtsbestand zu entfernen, findet im Gesetzestext keinen Niederschlag.) So soll etwa jeder Fehler in dem nach Art 8 EMRK erforderlichen Abwägungsvorgang als Grund für eine Nichtigerklärung hinreichen (§ 3 Abs 2 Z 2 iVm § 11 Abs 3 NAG nF). Dies widerspricht dem Konzept der Rechtskraft nach AVG, wonach grundsätzlich auch rechtswidrig zustande gekommene Bescheide unabänderlich werden sollen. Es ist fraglich, ob die Schaffung einer solchen Regelung im Fremdenrecht sachlich gerechtfertigt ist.

 

Hinzuweisen ist darauf, dass eine Nichtigerklärung nach dieser neuen Bestimmung potentiell zu Lücken in der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts bzw. der Niederlassung führt. Da aufgrund des Fehlens zeitlicher Schranken für die Nichtigerklärung auch vor langer Zeit ausgestellte Aufenthaltstitel und Dokumentationen für nichtig erklärt werden können, droht auch der Entzug der Rechtsgrundlage in weiterer Folge erteilter Aufenthaltstitel.

 

Ob der Rechtsschutz gegen solche Nichtigerklärungsbescheide de lege lata ausreicht, ist fraglich. Da die nach § 68 AVG zur Nichtigerklärung zuständige Behörde im Regelfall der BMI sein wird, wird als Rechtsmittel dagegen meist nur noch die Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts offen stehen. Darin können zwar alle Gesetzesverletzungen einschließlich der Missachtung von Parteirechten geltend gemacht werden. Jedoch gilt hier zum einen ein Neuerungsverbot, und zum anderen kommt solchen Beschwerden aufschiebende Wirkung nur dann zu, wenn sie in einem besonderen Verfahren zuerkannt wird. Es kann daher zu einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kommen, noch bevor die Rechtsmäßigkeit einer Nichtigerklärung geprüft ist.

 

Insgesamt ist die Bestimmung daher als zu weit gehende Durchbrechung der Rechtskraft von Bescheiden und – in Konsequenz dessen – als Beeinträchtigung der Effizienz des Rechtsschutzes nach Art 8 iVm Art 13 EMRK abzulehnen. Besser wäre es, eine etwa an § 35 Staatsbürgerschaftsgesetz angelehnte Regelung zu schaffen.

 

 

Zu Art 3 Z 8 (§ 11 Abs. 3 NAG):

 

Das Wort „kann“ im ersten Satz der Regelung ist missverständlich: Es erweckt den Anschein, als bestehe Ermessen, Art 8 EMRK zu beachten. Stattdessen sollte es entsprechend den übrigen Bestimmungen (vgl. § 43 Abs. 2 und § 44 Abs. 3) durch das Wort „ist“ ersetzt werden.

 

 

Zu Art 3 Z 9 (§ 19 Abs 8 NAG):

 

§ 19 Abs 8 NAG eröffnet die Möglichkeit, auf – bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides einzubringenden – Antrag die Heilung von Verfahrensmängeln zuzulassen. Über diesen „Umstand“ ist der Fremde zu belehren. Gleichzeitig wird § 13 Abs 3 AVG für anwendbar erklärt.

 

Das Verhältnis von § 19 Abs 8 NAG zu § 13 Abs 3 AVG ist hier unklar. Nach den Erläuterungen handelt es sich bei der Zulassung einer Heilung gemäß § 19 Abs 8 NAG um eine „Dispens“ von Formalvoraussetzungen; bei § 13 Abs 3 AVG müssen diese vielmehr nachträglich erfüllt werden. Dem Entwurf dürfte daher die Idee zugrunde liegen, dass der Fremde im Fall prozessual mangelhafter Anbringen – nach Art eines Alternativauftrages – zwei Möglichkeiten erhalten soll: einerseits jene iSd § 13 Abs 3 AVG zur Verbesserung des Formmangels, andererseits jene zur „Dispens“ iSd § 19 Abs 8 NAG. Auch auf die Möglichkeit dieser Antragstellung ist er hinzuweisen. Dieses Konzept wird im vorliegenden Wortlaut aber nicht hinreichend deutlich. Zum einen bezieht sich die Belehrungspflicht lediglich auf die Notwendigkeit der Antragstellung bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides (arg: „diesen Umstand“); zum anderen bringt Abs 8 die angesprochene Doppelgleisigkeit der verfahrensrechtlichen Instrumente nur ungenügend zum Ausdruck. Diese Regelung könnte daher zu Missverständnissen Anlass geben.

 

Es erschiene daher zweckmäßig, Abs 8 letzten Satz etwa wie folgt zu ändern:

 

„Auf die Möglichkeit der Antragstellung ist der Fremde unabhängig von einem Auftrag nach § 13 Abs 3 AVG hinzuweisen.“

 

 

 

Zu Art 3 Z 11 (§ 21 Abs 3 NAG):

 

Nach § 21 Abs 3 NAG kann die Behörde auf begründeten Antrag die Antragstellung im Inland zulassen, wenn die Ausreise des Fremden aus dem Bundesgebiet zum Zweck der Antragstellung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich ist. So begrüßenswert dieser Ansatz ist, scheint ein Abstellen auf die rechtliche oder tatsächliche „Unmöglichkeit“ zu streng: Zum einen wird eine rechtliche Unmöglichkeit, Österreich zu verlassen, kaum je vorliegen; zum anderen wird die Ausreise in vielen kritischen Fällen zwar tatsächlich möglich, jedoch unzumutbar sein. (In Betracht käme allenfalls ein Gelöbnis iSd § 173 Abs 5 StPO). Abgestellt werden sollte daher eher auf die „Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit“ der Ausreise. Eine entsprechende Alternative ist etwa auch in § 19 Abs 8 Z 3 NAG idF des Entwurfs enthalten.

 

Der Einleitungssatz in § 21 Abs 3 NAG könnte daher etwa lauten:

 

„Abweichend von Abs. 1 kann die Behörde auf begründeten Antrag die Antragstellung im Inland zulassen, wenn die Ausreise des Fremden aus dem Bundesgebiet zum Zweck der Antragstellung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich oder zumutbar ist:“

 

 

Zu Art 3 Z 12 (§ 24 Abs 1 und 2 NAG):

 

Der vorgeschlagene § 24 Abs 2 NAG verschlechtert massiv die Position des Fremden bei Stellung von Verlängerungsanträgen nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des letzten Aufenthaltstitels. Derzeit gelten Anträge nur dann als Verlängerungsanträge, wenn sie spätestens sechs Monate nach dem Ende der Gültigkeitsdauer des letzten Aufenthaltstitels gestellt wurden. (Bis 1.1.2006 war unter der Voraussetzung, dass der Niederlassungswille fortbestand, ein Verlängerungsantrag ohne jegliche Befristung zulässig.) Einzige Konsequenz eines nicht vor Ablauf der Gültigkeitsdauer gestellten Verlängerungsantrags ist das Vorliegen eines unrechtmäßigen Aufenthalts bis zur Erteilung des neuen Aufenthaltstitels.

 

Der nunmehr vorgeschlagene Abs 2 sieht nun nur noch für besondere Fälle eine Heilung der verspäteten Antragstellung vor. Diese ist zu beantragen; die Gründe für solche Anträge sind an den Wiedereinsetzungsgründen nach § 71 AVG orientiert; wird das Vorbringen nicht für ausreichend erachtet, so wird der Antrag als Erstantrag zurückgestuft. Hinzuweisen ist dabei zunächst auf die aus Wiedereinsetzungsverfahren bekannten Schwierigkeiten unvertretener Parteien, derartige Anträge zu formulieren. Dass Fehler dabei sofort eine Bewertung nur noch als Erstantrag bewirken, erscheint unangemessen. Ein öffentliches Interesse daran ist nicht ersichtlich. Dass Parteien gerade bei Verlängerungsanträgen oft unvertreten sind, ergibt sich aus dem Erfordernis der persönlichen Antragstellung (§ 19 NAG).

 

Dazu kommt, dass fraglich ist, ob in Fällen verspäteter und somit als Erstanträge geltender Anträge überhaupt die Erteilungsvoraussetzung für Erstanträge erfüllt werden können (zB Inlandsantrag, Quotenpflicht etc.). Eine allfällige Abweisung würde zur Einleitung eines aufenthaltsbeendenden Verfahrens führen. Sollte die Aufenthaltsbeendigung dann – etwa wegen Art 8 EMRK – nicht zulässig sein, so müsste in der Folge erst recht wieder ein Aufenthaltstitel erteilt werden. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint die vorgeschlagene Neuregelung auch schwer praktikabel. Zu bedenken ist auch, dass sie einen hohen Verwaltungsaufwand verursachen würde.

 

Letztlich ist darauf hinzuweisen, dass die Regelung leicht zu unangemessenen und sachwidrigen Lücken in der Rechtmäßigkeit der Niederlassung bzw. des Aufenthalts von Fremden führen kann.

 

 

Zu Art 3 Z  15 (§ 44a NAG):

 

Auf die Anmerkungen oben zu Art 2 Z 3 (§ 66 Abs. 3 FPG) wird hingewiesen.