Bundesministerium für Inneres

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1014 Wien

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ZAHL

DATUM

CHIEMSEEHOF

2001-BG-301/43-2009                        

19.1.2009

* POSTFACH 527, 5010 SALZBURG

 

 

landeslegistik@salzburg.gv.at

 

FAX (0662) 8042 -

2164

TEL  (0662) 8042 -

2290

 

 

Herr Mag. Feichtenschlager

 

BETREFF

Entwurf eines Bundesgesetz, mit dem das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005 und das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz geändert werden und ein Bundesgesetz über einen Beirat des Landeshauptmannes zur Beratung in Fällen besonderen Interesses erlassen wird; Stellungnahme

Bezug: Zl BMI-LR1310/0015-III/1/c/2008

 

 

           

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Zu dem im Gegenstand bezeichneten Gesetzentwurf gibt das Amt der Salzburger Landesregierung folgende Stellungnahme bekannt:

 

1. Zu den finanziellen Auswirkungen:

Die in den Erläuterungen enthaltene Einschätzung, dass „Mehr- oder Minderbelastungen weder für die Länder noch sonstige Gebietskörperschaften zu erwarten sind“, wird nicht geteilt. Im Gegenteil: Die finanziellen Auswirkungen des geplanten Vorhabens auf die Länder werden als erheblich eingeschätzt. Allein die Verlagerung der Zuständigkeit in den von Interventionen und medialer Berichterstattung begleiteten „humanitären Fällen“ (§§ 43 Abs 2 und 44 Abs 3 und 4 NAG) vom Bundesminister für Inneres auf die Landeshauptleute führt zu einem erheblichen zusätzlichen Aufwand. Die Anzahl der zu erwartenden Verfahren kann derzeit nur schwer abgeschätzt werden. Es ist jedoch zu erwarten,


dass nahezu jeder Fremde, dessen Asylverfahren negativ abgeschlossen wurde, vermeint, in seinem Fall seien besondere humanitäre Aspekte gegeben, welche eine Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 43 oder § 44 NAG rechtfertigen würden. Allein schon im Zusammenhang mit der Medienberichterstattung zum Fall Zogaj konnte im Land Salzburg eine erhebliche Zunahme von humanitären Interventionen festgestellt werden; die Zahl der Vorlagen an den Bundesminister für Inneres gemäß dem (noch) geltenden § 75 NAG stieg von 20 Fällen im Jahr 2007 auf 44 Fälle im Jahr 2008.

Auch lassen die geplanten §§ 44a und 44b NAG zusätzliche Verfahren erwarten.

Eine Entlastung der Bezirksverwaltungsbehörden wird nicht erwartet.

 

2. Zu Artikel 1 (Novelle zum Asylgesetz 2005):

Zu § 10:

Die Vollziehung der vom Verfassungsgerichthof entwickelten Kriterien (Abs 2), insbesondere der Intensität der privaten und familiären Bindungen und des Zeitpunktes der Entstehung des Privat- und Familienlebens, wird sich sehr aufwändig gestalten und zu längerer Verfahrensdauer führen.

 

3. Zu Artikel 3 (Novelle zum Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz):

Zu § 3:

Es sollte dem Landeshauptmann auch in den Fällen der §§ 43 Abs 2, 44 Abs 3 und 4 und 69a NAG die Möglichkeit eingeräumt werden, die Bezirksverwaltungsbehörden zur Entscheidung in seinem Namen zu ermächtigen. Die in den Erläuterungen enthaltene Begründung für den Ausschluss einer Ermächtigung der Bezirksverwaltungsbehörden auch in den Fällen der §§ 43 Abs 2, 44 Abs 3 und 4 und 69a NAG kann nicht nachvollzogen werden.

Insgesamt wird bedauert, dass die Novellierung nicht zum Anlass genommen wird, die zahlreichen Notwendigkeiten zur Verbesserung des Gesetzes durch gesetzliche Klarstellungen und Präzisierungen aufzugreifen, um die Vollziehung zu erleichtern.

 

4. Zu Artikel 4 (Bundesgesetz über einen Beirat zur Beratung des Landeshauptmannes in Fällen besonderen Interesses):

Zu § 1:

Die im § 1 geplante Einrichtung eines Beirats begegnet erheblichen rechtsstaatlichen Bedenken:

1. Die Erteilung einer „Niederlassungsbewilligung – beschränkt“ gemäß dem geplanten § 44 Abs 4 NAG fällt in die Zuständigkeit des Landeshauptmannes (§ 3 Abs 1 NAG). Gemäß § 1 Abs 2 des im Art 4 geplanten Gesetzes kann der Landeshauptmann jedoch nur auf Grund einer „positiven Empfehlung“ des Beirats und nicht schon auf Grund eines unmittelbar an ihn gerichteten Antrags auf Erteilung einer „Niederlassungsbewilligung – beschränkt“ gemäß § 44 Abs 4 NAG tätig werden.

Im § 1 Abs 1 wird der Landeshauptmann zur Einrichtung eines Beirats zu seiner Beratung ermächtigt („kann ... einrichten“). Abs 2 gibt die Zusammensetzung des Beirats vor. Abs 6 enthält weitere organisationsrechtliche Vorschriften. Da damit keine Bundesbehörde und kein sonstiges Bundesamt (Art 10 Abs 1 Z 16 B-VG) geschaffen wird, würde der Bundesgesetzgeber verfassungswidrigerweise in die seit der B-VG-Novelle 1974 diesbezüglich unbeschränkte Organisationskompetenz des Landes eingreifen. Da eine wünschenswerte ländereinheitliche Vorgangsweise verfassungskonform nicht auf die vorgesehene Weise erreichbar ist, sollte die Zuständigkeit beim Bundesminister verbleiben.

2. Gemäß § 1 Abs 4 des im Art 4 geplanten Gesetzes wird der Beirat ausschließlich aus eigenem auf Vorschlag eines seiner Mitglieder tätig. Ein im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger ist daher, was das Tätigwerden des Beirats überhaupt anbelangt, zunächst ausschließlich auf das Wohlwollen eines Beiratsmitglieds angewiesen. Weiters sind die Fragen, nach welchen inhaltlichen Kriterien, abgesehen vom Vorliegen einer tauglichen Partnerschaft gemäß § 2, und nach welchem Verfahren der Beirat darüber entscheidet, ob eine Empfehlung an den Landeshauptmann abgegeben wird, im Gesetz selbst nicht geregelt, sondern – ohne weitere inhaltliche Vorgaben – einer Verordnung des Landeshauptmannes vorbehalten (§ 1 Abs 6).

Dass ein im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger, der die übrigen Voraussetzungen des § 44 Abs 4 NAG erfüllt, das Nicht-Tätigwerden des Beirats oder die Nicht-Abgabe einer „positiven Empfehlung“ an den Landeshauptmann bekämpfen kann, ist im Gesetzentwurf nicht vorgesehen. Dies erfüllt nicht die Erfordernisse eines fairen Verfahrens und entspricht nicht dem Rechtsstaatsprinzip der Bundesverfassung.

Im Ergebnis bedeutet die vorgesehene Konstruktion – Abhängigkeit der Erteilung der „Niederlassungsbewilligung – beschränkt“ von einer positiven Beiratsempfehlung, wobei nicht gewährleistet ist, dass ein solcher Beirat eingerichtet wird; Tätigwerden des Beirats nur aus sich heraus; keine gesetzlichen Kriterien für die Abgabe oder Nichtabgabe einer Beiratsempfehlung – nichts anderes, als dass das vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27. Juni 2008, G 246/07 ua, als verfassungswidrig erkannte „Gnadenrecht“ des Bundesministers für Inneres nicht beseitigt, sondern eben nur anderen Organen – dem Landeshauptmann und dem Beirat – übertragen wird. Eine Reparatur der Verfassungswidrigkeit kann nicht erkannt werden.


Zu § 2:

Eine Patenschaft erscheint zur Problemlösung nicht geeignet. Zu überlegen wäre, ob nicht ein hoher Grad an Integration den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern kann, um den Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln durch Beschäftigung sichern zu können.

Das Erfordernis eines Notariatsaktes für die Patenschaftserklärung würde außerdem hohe Kosten nach sich ziehen, die wohl von Seite des Erklärenden zu tragen wären. Geeignete Alternativen wären zu prüfen.

 

Zu § 3:

Eine Regelung der sprachlichen Gleichbehandlung wird dem Erfordernis einer geschlechtergerechten Sprache nicht gerecht und entspricht nicht einer modernen Legistik.

 

Diese Stellungnahme wird der Verbindungsstelle der Bundesländer, den anderen Ämtern der Landesregierungen, dem Präsidium des Nationalrates und dem Präsidium des Bundesrates ue zur Verfügung gestellt.

 

Mit freundlichen Grüßen

Für die Landesregierung:

Dr. Heinrich Christian Marckhgott

Landesamtsdirektor

 

 

Ergeht nachrichtlich an:

1. – 8. E-Mail an: Alle Ämter der Landesregierungen

9.       E-Mail an: Verbindungsstelle der Bundesländer vst@vst.gv.at

10.     E-Mail an: Präsidium des Nationalrates begutachtungsverfahren@parlinkom.gv.at

11.     E-Mail an: Präsidium des Bundesrates peter.michels@parlament.gv.at

12.     E-Mail an: Bundeskanzleramt vpost@bka.gv.at

13.     E-Mail an: Institut für Föderalismus institut@foederalismus.at

14.     E-Mail an: Abteilung 1 zu do Zl 1/12-NAG-8/   -2008

16.     E-Mail an: Abteilung 8 zu do Zl 20801-47.323/268-2008

17.     E-Mail an: Bezirkshauptmannschaft Salzburg Umgebung zu do Zl 6/353-A1-2008

 

zur gefl Kenntnis.