Textfeld: Bundeskanzleramt
Ballhausplatz 2
1010 Wien

Eisenstadt, am 12.04.2010

E-Mail: post.vd@bgld.gv.at

Tel.: 02682/600 DW 2031

Mag. Johann Muskovich

 

 

 

 

 

Zahl:  LAD-VD-B101-10080-18-2010

Betr: Entwurf eines Bundesverfassungsgesetzes, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird und einige Bundesverfassungsgesetze und in einfachen Bundesgesetzen enthaltene Verfassungsbestimmungen aufgehoben werden (Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2010); Stellungnahme

 

Bezug:    BKA-601.999/0001-V/1/2010         

 

 

Zu dem mit obbez. Schreiben übermittelten Entwurf eines Bundes­verfassungsgesetzes, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird und einige Bundesverfassungsgesetze und in einfachen Bundesgesetzen enthaltene Verfassungsbestimmungen aufgehoben werden (Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2010), erlaubt sich das Amt der Burgenländischen Landesregierung folgende Stellungnahme abzugeben:

 

Einleitend darf auf die gemeinsame Länderstellungnahme (VSt-6289/9 vom 8. April 2010) verwiesen werden, die seitens des Landes Burgenland vollinhaltlich unterstützt wird.

 

Die Schaffung von Verwaltungsgerichten auf Landesebene ist eine schon jahrelang geführte Diskussion. Im Jahre 2007 gab es bereits einen Gesetzesentwurf der intensiv sowohl von Länderseite, als auch von Gemeindeseite erörtert wurde, wobei von der Landeshauptleutekonferenz am 4. Oktober 2007 eine gemeinsame Länderposition beschlossen und anschließend an die Bundesregierung übermittelt wurde.

Der vorliegende Entwurf berücksichtigt gegenüber jenem aus dem Jahre 2007 wesentliche Länderforderungen und die Ergebnisse der Arbeitsgruppe „Verwaltungs­gerichtsbarkeit in den Ländern“ und ist daher aus grundsätzlicher Sicht positiv zu bewerten.

 

Allerdings wird gefordert, dass mit den Ländern Verhandlungen über die finanziellen Auswirkungen und den finanziellen Ausgleich geführt werden.

 

Ungeachtet dessen ist festzuhalten, dass gemäß Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 und 4 der Vereinbarung zwi­schen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über einen Konsultati­onsmechanismus und einen künftigen Stabilitäts­pakt der Gebietskörper­schaften in Gesetzesentwürfen der Bundesministerien eine Darstellung der finanziellen Auswirkungen aufzunehmen ist, die den von den Vertragspar­teien einvernehmlich zu erarbeitenden und vom Bundesminister für Finanzen zu erlassenden Richtlinien gemäß § 14 Abs. 5 Bundeshaushaltsgesetz ent­spricht. Der vorliegende Gesetzesentwurf wird dieser Vorgabe nicht gerecht und daher hat der Bund im Falle der Verwirklichung dieses Vorhabens die Kosten zu ersetzen.

 

Zu den Kosten:

Es ist bewusst, dass die finanziellen Auswirkungen der Einrichtung der Landesverwaltungsgerichte gerne aufkommensneutral dargestellt werden. Jedoch ist es verwunderlich, dass in den Erläuterungen davon die Rede ist, dass „die durch die Einrichtung von Verwaltungsgerichten verursachten Mehrausgaben für die Länder – abgesehen vom Umstellungsaufwand – so gering wie möglich gehalten werden.“ Dieser Satz ist hoffentlich nicht so zu verstehen, dass die Länder die Mehrausgaben selbst zu tragen haben. Es wurden bereits im Jahre 2007 aufwändige Ermittlungen in den Ländern über voraussichtlichen Kosten der Einrichtung von Landesverwaltungsgerichten durchgeführt. Im Burgenland würde das Landesverwaltungsgericht zusätzliche Kosten in Höhe von ca. 880.000,- Euro jährlich verursachen. Dies wurde dem Bundesministerium für Finanzen mit Schreiben vom 6. Dezember 2007, LAD-VD-B101-10047-33-2007, mitgeteilt.

 

Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang auf den Bericht über die Ergebnisse der Gespräche der Arbeitsgruppe „Verwaltungsgerichtsbarkeit in den Ländern“ vom 12. Juni 2008. In dieser Arbeitsgruppe waren Vertreter vom Bundeskanzleramt, vom Bundesministerium für Finanzen und der Länder Wien und Vorarlberg vertreten. Dabei wurde vom Bund zugesagt, dass der Bund den Ländern den Mehraufwand in Form einer pauschalen Erhöhung der Ertragsanteile abgilt und dass der Bund einen pauschalen Kostenersatz für Dolmetscher, Zeugen und nichtamtliche Sachverständige in mittelbarer Bundesverwaltung leisten wird.

 

Da sich der vorliegende Entwurf nicht wesentlich von jenem aus dem Jahr 2007 unterscheidet, kann von den von den Ländern im Jahre 2007 gemeldeten zusätzlichen Kosten ausgegangen werden. Warum diese Kostendarstellungen nicht Eingang in die Erläuterungen gefunden haben, ist nicht nachvollziehbar.

 

Es ist auch dem Gedanken zu widersprechen, dass durch den Entfall der administrativen Berufungsinstanz wesentliche Einsparungen insbesondere (!) in den Ämtern der Landesregierungen entstehen (siehe Vorblatt – finanzielle Aus­wirkungen). Hinsichtlich der erhofften Einsparungen darf darauf hingewiesen werden, dass die durchgeführten Erhebungen zeigten, dass keine Personal­einsparungen im nennenswerten Ausmaß möglich sein werden. Dies deshalb, weil sich die dann dem Verwaltungsgericht zufallenden Aufgaben derzeit auf einzelne Dienststellen im Amt verteilen und dort nur Bruchteile von Mitarbeiterkapazitäten binden. Ein Abzug dieser Mitarbeiterkapazitäten wird sohin nicht möglich sein, da diese weiterhin im Rahmen des Bürgerservice bei der Erteilung von Rechts­auskünften, der Legistik, der Beantwortung von Anfragen, dem Ausarbeiten von Berichtspflichten usw. weitere Aufgabenbereiche zu erfüllen haben.

 

Weiters werden noch zusätzliche Aufgaben aus dem Bereich der Selbst­verwaltung, der Sicherheitsverwaltung, usw. den Landesverwaltungsgerichten zufallen, die bis dato keine Kostenauswirkungen auf die Länder hatten und zukünftig jedoch die Länder belasten werden.

 

Einen wesentlichen Kostenfaktor wird auch die Ausgestaltung des Verfahrensrechts bzw. der Einsetzung der Senatsbesetzungen darstellen.

 

Allgemeine Bemerkungen:

 

Ziel des vorliegenden Entwurfs, neben einer Kosteneinsparung, ist auch die Zersplitterung der Behördenzuständigkeit bzw. die Zersplitterung von unterschiedlichsten Behörden zu bereinigen und die grundsätzliche Konzentration des Instanzenzuges. Die vorgelegte Variante von neuen Verwaltungsgerichten auf Länderebene, eines Verwaltungsgerichtes auf Bundesebene, eines Verwaltungs­gerichtes des Bundes für Finanzen und eines Asylgerichtshofes weicht von der bisher in Diskussion stehenden Variante „9+1“ ab. Aus unserer Sicht wird jedoch im Hinblick auf die Bedeutung dieser Angelegenheiten und die relativ großen Apparate diesem Konzept zugestimmt. Eine allenfalls noch weitere Zersplitterung wird jedoch abgelehnt.

 

Die genaue Abschätzung der Folgen des Projektes „Einführung der Verwaltungsgerichte“ ist jedoch nur möglich, wenn das Gesamtpaket bestehend aus den verfassungs- und verfahrensrechtlichen Regelungen vorliegt. Es ist daher wichtig, dass mit den Arbeiten zum Verfahrensrecht so früh wie möglich begonnen wird, und dass die Länder in die Ausarbeitung entsprechend eingebunden werden.

 

Weiters wäre auch die Kenntnis der Überlegungen des Bundes über jene Angelegenheiten wünschenswert, welche durch Bundesgesetz in die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes des Bundes übergeführt werden sollen. Davon ist die Rekrutierung, der Aufbau und die Ausbildung eines entsprechend fachlich qualifizierten Personals für die Verwaltungsgerichte der Länder abhängig und dabei sind die zu vollziehenden Angelegenheiten, sowohl in quantitativer als auch qualitativer Hinsicht, von Relevanz. Dies bedarf längerfristiger Planung und Vorbereitung. Entsprechendes gilt natürlich auch für den Abbau von Personalressourcen.

Damit im Zusammenhang ist der gesamte Aufbau einer Infrastruktur zu sehen, beginnend bei den zu schaffenden Räumlichkeiten, Erstellung von EDV-Unterstützungen samt Hardwarekomponenten, usw.

Der Zeitraum bis zum vorgesehenen Inkrafttreten am 1. Jänner 2012 scheint im ersten Anschein großzügig bemessen zu sein, jedoch angesichts der – nicht nur legistisch – zu erfüllenden Aufgaben wird es reichlich eng, da mit manchen Schritten erst begonnen werden kann, wenn vorherige Parameter geklärt sind. Man wird daher von einem Umsetzungszeitraum von 18 Monaten auszugehen haben, beginnend jedoch ab dem Zeitpunkt, ab dem Einigung zwischen Bund, Ländern, Gemeinden und Städten über das Verfahrensrecht besteht.

 

Deshalb darf nochmals die Forderung erhoben werden, so schnell wie möglich das Verfahrensrecht gemeinsam auszuarbeiten und der parlamentarischen Behandlung zuzuführen und jene Bereiche seitens des Bundes zu nennen und zu quantifizieren, die einerseits zusätzlich in die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte der Länder fallen sollen (z.B. aus dem Bereich der Sicherheitsverwaltung, dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden oder sonstiger Selbstverwaltungskörper) und andererseits jene Bereiche zu nennen, die in die Zuständigkeit des Ver­waltungs­gerichtes des Bundes aus der mittelbaren Bundesverwaltung übergehen sollen.

 

Sonstige Anmerkungen:

 

Zu Art. 1 Z 4 (Entfall des Art. 14b Abs.6 B-VG)

Der ersatzlose Entfall des Art. 14b Abs. 6 B-VG wird von Seiten des Landes Burgenland insofern sehr kritisch gesehen, als diese Bestimmung einerseits als Konsequenz aus den Erkenntnis des VfGH VfSlg. 15.578/1999 (die Überprüfung von Vergabeentscheidungen oberster Organe der Vollziehung war verfassungs­widrig) ergangen ist und andererseits auf Grund des im Unionsrecht (RL 89/665/EWG bzw. RL 92/13/EWG, jeweils in der Fassung der RL 2007/66/EG) verankerten Gebots der Nachprüfung von Vergabeentscheidungen von Einrichtungen öffentlichen Rechts (aus der staatlichen Verwaltung ausgegliederte öffentliche Auftraggeber) und Sektorenauftraggeber durch die Vergabenachprüfungsinstanzen bedungen ist. Der Entfall des Art. 14b Abs. 6 B-VG könnte daher die Frage aufwerfen, ob für die neu einzurichtenden Verwaltungsgerichte eine Nachprüfungskompetenz für Vergabeentscheidungen von Auftraggebern im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006 und im Sinne der §§ 164 bis 166 BVergG 2006 besteht.

 

Zu Art. 1 Z 35 (Art. 136 Abs. 2 B-VG)

Die vorgeschlagene Regelung des Art. 136 Abs. 2 B-VG sieht vor, dass das Verfahren der Verwaltungsgerichte durch ein besonderes Bundesgesetz einheitlich geregelt wird. In diesem Zusammenhang erscheint jedoch das Verhältnis dieser Bestimmung zu Art. 14b Abs. 3 B-VG unklar, der die Gesetzgebung und Vollziehung in Angelegenheiten der Nachprüfung im Rahmen der Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Sinne des Art. 14b Abs. 2 Z 2 B-VG als Landessache festschreibt. Es wird daher die Klarstellung angeregt, dass „[d]as Verfahren der Verwaltungsgerichte […] unbeschadet des Art. 14b Abs. 3 durch ein besonderes Bundesgesetz einheitlich geregelt [wird]“.

 

Zu Z 35 (Artikel 130 Abs. 4 B-VG):

Das Verwaltungsgericht hat grundsätzlich meritorisch zu entscheiden, wenn der Sachverhalt feststeht oder dieser rasch und mit erheblicher Kostenersparnis festgestellt werden kann.

Damit ist diese Bestimmung im Vergleich zu § 66 AVG großzügiger, denn nach § 66 AVG kann erst dann kassatorisch entschieden werden, wenn der Sachverhalt derart mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

Um Verfahrenverzögerungen zu vermeiden wird vorgeschlagen, die Kassationsbefugnis der Verwaltungsgerichte wie im § 66 AVG zu regeln.

 

Zu Z 55 (Artikel 151 – Übergangsbestimmungen):

Der Übergang der Zuständigkeit auf die Verwaltungsgerichte soll in zwei Stufen erfolgen:

Mit 1. Jänner 2012 werden u.a. die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern aufgelöst. Offene Verfahren dieser Behörden gehen in die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte über (Art. 151 Z 4 des Entwurfs).

Die in der Anlage genannten sonstigen unabhängigen Verwaltungsbehörden werden allerdings erst mit 1. Jänner 2013 aufgelöst (Art. 151 Z 7 des Entwurfes). Gegen Bescheide dieser Behörden, die ab dem 1. Jänner 2012 erlassen werden, soll nicht die Berufung an das Verwaltungsgericht, sondern weiterhin die Beschwerde an die Gerichtshöfe offen stehen. Es stellt sich jedoch die Frage, wie jene Bescheide zu behandeln sind, die vor dem Ende des Jahres 2011 erlassen wurden, deren Rechtsmittelfrist jedoch mit 1. Jänner 2012 noch nicht abgelaufen ist.

 

Weiters ist nicht klar, ob die sonstigen unabhängigen Verwaltungsbehörden, die in der Anlage genannt sind, in dem Zeitraum zwischen der Auflösung der unabhängigen Verwaltungssenate und der Auflösung ihrer selbst, nun als Berufungsinstanz weiterhin bestehen bleiben, oder die Berufungen in diesen Angelegenheiten sogleich mit dem 1. Jänner 2012 an die Verwaltungsgerichte übergehen. Wenn dem so wäre, müssten die Landesgesetzgeber für dieses eine Jahr legistisch Vorsorge treffen, dass diese Behörde zwar nach wie vor existent sind, jedoch die Berufungsmöglichkeit an diese Behörden nicht gegeben ist. Besser wäre natürlich eine Regelung in dieser B-VG Novelle, die dies explizit aufgreift.

 

Eine Ausfertigung dieser Stellungnahme ergeht an die e-mail Adresse „begutachtungsverfahren@parlament.gv.at“.

 

Mit freundlichen Grüßen!

 

 

Für die Landesregierung:

Der Landesamtsdirektor:

Dr. Tauber


Zl.u.Betr.w.v.                                                                        Eisenstadt, am 12.04.2010

 

 

1.    Präsidium des Nationalrates, Dr. Karl Renner-Ring 3, 1017 Wien

2.    Präsidium des Bundesrates, Dr. Karl Renner-Ring 3, 1017 Wien

3.    Allen Ämtern der Landesregierungen (z.H. der Herren Landesamtsdirektoren)

4.    Der Verbindungsstelle der Bundesländer beim Amt der NÖ Landesregierung, Schenkenstraße 4, 1014 Wien

 

zur gefälligen Kenntnis

 

Mit freundlichen Grüßen!

 

 

Für die Landesregierung:

Der Landesamtsdirektor:

Dr. Tauber