JUSTIZANSTALT KREMS

                Anstaltsleitung

Krems, am 18.05.2010

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Sachbearbeiter: Pachschwöll
Klappe:              18
GZ: A- 28 / 2010

 

An das

Bundesministerium

für Justiz

 

Postfach 63

1016 Wien

 

 

Betrifft:      Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafvollzugsgesetz,

                   die Strafprozessordnung 1975 und das Bewährungshilfegesetz geändert werden;

 

                   Stellungnahme des Leiters der Justizanstalt Krems

 

Bezug:        BMJ-L641.008/0001-II 1/2010

 

                  

                   Der gefertigte Leiter der Justizanstalt Krems nimmt zum gegenständlichen Gesetzesentwurf Stellung wie folgt:

 

                   Da der Vollzug in Form eines elektronisch überwachten Hausarrestes gewisse Risiken beinhalten würde ist es absolut zweckmäßig, durch Vorgabe bestimmter Kriterien einen speziellen Personenkreis zu selektieren, dem diese Vollzugsform bewilligt werden kann.

Diese Kriterien sind im vorliegenden Gesetzesentwurf im § 156c Abs. 1 StVG eindeutig definiert, soweit es sich um Strafgefangene handelt.

Für die Verhängung des Hausarrestes an Beschuldigten, wenn die Untersuchungshaft nicht gegen gelindere Mittel aufgehoben, der Zweck der Anhaltung aber auch durch diese Haftform erreicht werden kann, sind außer dem angeführten „inländischen Wohnsitz“ keine derart eindeutig definierten gesetzlichen Kriterien in der StPO enthalten. Die sonst im § 173a StPO angeführten  „geordneten Lebensverhältnisse“ erscheinen in dieser Hinsicht etwas pauschal.

 

                   Die im § 156c Abs. 1 StVG festgelegten Voraussetzungen sind ua. auch dazu geeignet, einen guten Erfolg des Hausarrestes, mit möglichst geringen negativen Auswirkungen zu garantieren, falls doch technische Pannen auftreten, oder die Fälle des  § 156c Abs. 2 StVG zutreffen sollten, indem der Hausarrest von vorneherein auf minder gefährliche Strafgefangene eingeschränkt wird.

Der Haken ist jedoch, dass eben diese Kriterien nahezu lückenlos auf jene Strafgefangenen zutreffen, denen derzeit Vollzugslockerungen gem. § 126 Abs. 2, Z. 1 und 2 gewährt und die in speziellen „Freigängerhäusern“ oder Sonderabteilungen angehalten werden, da sich aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahrzehnte herausstellte, dass genau diese Personengruppe die gewährten Lockerungen nicht missbraucht.

Diese Freigängerhäuser bzw. Freigängerabteilungen sind so konzipiert, dass die Freigänger mit den Insassen des Normalvollzugs nicht zusammentreffen und gleichzeitig ein möglichst geringer Personalbedarf für den Betrieb erforderlich ist. Um dies zu erreichen, wurden mit erheblichem Kostenaufwand vom Rest der Anstalt getrennte Abteilungen mit eigenem Eingang, bzw. überhaupt externe Einrichtungen geschaffen, die mit aufwendigen Anlagen für den Zutritt und das Verlassen (Kameras, biometrische Systeme, Alkomaten usw.) ausgestattet sind, im übrigen jedoch auf sonstige Sicherungsmaßnahmen (Gesperregitter usw.) verzichten konnten.

Diese äußerst bewährten Freigängerhäuser würden bei entsprechender Anwendung des elektronischen Hausarrestes nahezu leer stehen, da die sonstigen Insassen nach wie vor die Voraussetzungen des § 126 StVG nicht erfüllen. Die Diversion und der außergerichtliche Tatausgleich waren bereits im Bezug auf Verringerung der Häftlingszahlen durchaus erfolgreich, brachten im Wesentlichen aber nur eine Verringerung der Anzahl der Freigänger mit sich. Die Haftplätze der Freigängereinrichtungen zählen im IVV-System aber ohne Unterscheidungsmöglichkeit zu den sonstigen Haftplätzen der jeweiligen Anstalt.

Das hat zur Folge, dass jeder nicht belegbare Freigängerhaftplatz tatsächlich einen Überbelag im Normalvollzug bewirkt, ohne dass dies durch eine Belagsabfrage in der IVV auf den ersten Blick feststellbar wäre. (z.B. würde eine fiktive Justizanstalt mit einer gesamten Belagskapazität von 100 Haftplätzen, wovon 10 Haftplätze in einem Freigängerhaus sind, bei einem mangels geeigneter Strafgefangener leerstehendem Freigängerhaus und einem tatsächlichen Belag von 99 Insassen, als zu 99 % ausgelastet ausgewiesen werden, wobei die Abteilungen des Normalvollzuges mit 99 anstatt 90 Insassen und daher tatsächlich mit 10% überbelegt wären!)

 

                   Der elektronische Hausarrest würde somit bei den Strafgefangenen insgesamt zu einer nachweislichen Häftlingsreduktion führen, beim Normalvollzug (92% – 95% der Insassen) jedoch KEINE Entschärfung der angespannten Belagssituation bewirken!

 

                   Um in weiterer Folge auch dem Überbelag im Normalvollzug entgegenzuwirken, müssten entweder zusätzliche Haftplätze geschaffen, oder bestehende Freigängereinrichtungen ganz oder teilweise „rückgebaut“ werden, was neben den Baukosten auch zusätzliches Personal erfordern würde, da die bestehenden Freigängerhäuser derzeit mit sehr geringem Personalaufwand betrieben werden. Zudem wäre in der Justizanstalt Krems ein Umbau des Freigängerhauses und eine Umwidmung in eine Abteilung für Normalvollzug wegen der baulichen und sicherheitstechnischen Gegebenheiten, sowie aus Gründen des Denkmalschutzes nicht möglich, weshalb diese Einrichtung mangels sonstiger geeigneter Insassen ungenutzt leer stünde und 15 Haftplätze nicht belegt werden könnten.

 

                   Die durch den elektronischen Hausarrest zu erwartende verminderte Anzahl an Freigängern bewirkt als weiteren Nebeneffekt auch anderweitig erhöhten Personaleinsatz, da eine Vielzahl an zur Erhaltung und Pflege erforderlichen Tätigkeiten außerhalb der Umfassungsmauern der Justizanstalten, sowie in den als landwirtschaftlichen Betrieben geführten Außenstellen, von Freigängern durchgeführt werden. Diese Arbeiten müssten dann eben von Insassen des Normalvollzuges erledigt werden, nur dass diese zusätzlich noch bewacht werden müssten, wobei mit einem erheblichen Anstieg von Fluchtversuchen und tatsächlichen Fluchten gerechnet werden muss. Die dazu möglichen Alternativen der Schließung der Ökonomien und der Fremdvergabe sämtlicher für die Anstalten erforderlichen Außenarbeiten, wird sich der Strafvollzug im wahrsten Sinne des Wortes nicht leisten können, da in Anbetracht der ohnehin schon angespannten budgetären Lage, zusätzliche Mittel für Sachaufwand nicht zu erwarten sind.

 

                   Was die Untersuchungshäftlinge betrifft, würde eine Umrechnung des im Vorblatt angeführten Zahlenmaterials auf die Justizanstalt  Krems, bei prognostizierter Anordnung des Hausarrestes, eine durchschnittliche Verringerung der Anzahl der Untersuchungshäftlinge um 3,165 Personen bewirken. Eine Verringerung der Häftlingszahl um diesen Wert, kann man nicht wirklich als entspannend für die Belagssituation bezeichnen.

 

                   Zu den Bestimmungen des Kostenbeitrages (§ 156 b Abs. 3 StVG) wird festgestellt, dass Insassen die aus persönlichen Gründen keinen Antrag auf elektronisch überwachten Hausarrest stellen, oder weil beispielsweise nicht alle im gemeinsamen Haushalt lebenden volljährigen Personen die schriftliche Einwilligung erteilen die Bewilligung nicht erteilt werden kann und daher im Normalvollzug verbleiben und dort ihrer Arbeitspflicht nachkommen, oder als Freigänger gem. § 126 StVG beschäftigt sind, finanziell schlechter gestellt werden als Personen im Hausarrest, da keine rechtliche Grundlage für die sonstigen Strafgefangenen existiert, die Verpflichtung zum Kostenbeitrag soweit entfallen zu lassen, als dadurch der zur Erfüllung der zu einer einfachen Lebensführung notwendige Unterhalt des Strafgefangenen und deren Personen, zu deren Unterhalt er verpflichtet ist, gefährdet wäre.

Zusätzlich wäre noch anzumerken, dass auch ein möglichst exakter Berechnungsmodus für den Entfall des Kostenbeitrages zumindest in der vorgesehenen Verordnung der Richtlinien gem. § 99 Abs. 5a StVG enthalten sein sollte, um eine bundesweit einheitliche Vorgangsweise sicherzustellen und bei allfälligen Beschwerden von Insassen gegen diesbezügliche Entscheidungen der Anstaltsleiter eindeutige Entscheidungsgrundlagen zu gewährleisten.

Die durch den vorliegenden Entwurf durchaus möglichen Ungleichbehandlungen sollten jedenfalls vermieden werden.

Grundsätzlich wäre auch zu überlegen, wie ein Missbrauch dieser Bestimmungen dahingehend vermieden oder zumindest erschwert werden könnte, wenn Verurteilte kurz vor dem Strafantritt Ratenkäufe tätigen, oder – nicht wirklich benötigte – Kredite aufnehmen, um durch die monatlichen Rückzahlungen genau in jene Situation zu kommen, die einen Rechtsanspruch auf Entfall des Kostenbeitrages begründen würden.

 

 

                   Zusammenfassung aus ho. Sicht:

 

-         Es sollten auch in der StPO die Kriterien exakter formuliert werden.

-         Sofern die prognostizierten Zahlenwerte zutreffen, ergäbe sich durchaus eine Senkung der Häftlingszahlen, die aber aufgrund der selektierten Personengruppe nur die Anzahl der Freigänger empfindlich reduzieren und die Belagssituation im Normalvollzug nicht entspannen würde.

-         Es entstünde bei Datenabfragen ein verzerrtes Bild der Realität, weil selbst bei ermittelten Auslastungswerten unter 100% die Abteilungen des Normalvollzugs, worin sich der Großteil der Insassen befindet, nahezu unverändert überbelegt wären.

-         Es bestünde durch die zu erwartende sinkende Freigängerzahl die Gefahr, dass die Justizanstalten zur Systemerhaltung erhöhten Personal- und Sachaufwand bedecken müssen.

-         Bei kleineren Anstalten ergäbe auch der Vollzug der Untersuchungshaft im Hausarrest im höchsten prognostizierten Ausmaß keine nennenswerte Entlastung des Normalvollzuges.

-         Im Bezug auf den Entfall des Kostenbeitrags bestünde die Gefahr der ungleichen Behandlung, sowie des allzu einfachen Missbrauches.

 

Der Leiter der Justizanstalt

 

Steiner, Oberst