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Verf-300205/396‑2008‑Stw

 

Bearbeiter: Mag. Martin Steinwendner

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Linz, 23. Dezember 2008

 

 

 

Textfeld: _Amt der Oö. Landesregierung

4021 Linz   Klosterstraße 7

 

 

 

 

An das

 

Bundeskanzleramt

Ballhausplatz 2

1014 Wien

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bundesgesetz, mit dem das Bundesvergabe­gesetz 2006 geändert wird (BVergG-Novelle 2008); Entwurf - Stellungnahme

         (Zu GZ 600.883/0044-V/8/2008 vom 23. Oktober 2008)

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Das Amt der Oö. Landesregierung hält eingangs fest, dass sich die vorliegende Stellungnahme auf Bestimmungen bezieht, welche sowohl den Bereich des materiellen Vergaberechts als auch den Bereich des Rechtsschutzes in Vergabesachen erfassen. Wir sind uns dessen bewusst, dass letztere - wenn sie tatsächlich in das BVergG aufgenommen werden sollten - für die Vergabe von Aufträgen durch das Land Oberösterreich und die weiteren mit ihm gemäß Artikel 14b Abs. 2 Z. 2 B-VG in Beziehung stehenden Rechtsträger keine rechtliche Wirkung entfalten würden. Da die bundesrechtliche Regelung des Rechtsschutzes jedoch bei der Erlassung der landesrechtlichen Vergaberechtsschutzgesetze nicht völlig außer Acht gelassen werden kann und sie unzweifelhaft eine gewisse Signalwirkung ausstrahlt, erlauben wir uns, auch zu diesen Punkten inhaltlich Stellung zu nehmen. Wir teilen daher zum vorliegenden Entwurf Folgendes mit:

 

Zu Z. 19 (§ 70):

 

Die Möglichkeit, dass Bewerber oder Bieter künftig ihre Befugnis, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit auch durch die Vorlage einer Eigenerklärung belegen können, wird vom Amt der Oö. Landesregierung vom Gesichtspunkt der Verwaltungskostenreduktion her grundsätzlich begrüßt. Allerdings darf in diesem Zusammenhang nicht gänzlich die Gefahr aus den Augen verloren werden, dass Bieter bewusst oder - auf Grund der diffizilen Eignungsanforderungen im Vergaberecht nicht unwahrscheinlich - unbewusst irreführende bzw. falsche Eigenerklärungen über ihre Eignung abgeben. Um daraus entstehende mögliche unliebsame Überraschungen vorzubeugen, wird jeder Auftraggeber bestrebt sein, die Vorlage von Nachweisen zumindest vom in Aussicht genommenen Zuschlagsempfänger zu verlangen. Während eine solche Regelung für Auftragswerte über 120.000,00 EUR (Bauaufträgen) bzw. über 80.000,00 EUR (Liefer- und Dienstleistungsaufträge) sinnvollerweise getroffen wurde, ist eine vergleichbare Bestimmung bei Aufträgen unter den genannten Subschwellenwerten unterblieben. Unterhalb dieser Werte kann der Auftraggeber die Vorlage von Nachweisen über die Eignung nur dann verlangen, wenn dies nach seiner Auffassung "im Einzelfall erforderlich" ist. Diese Regelung ist nach unserer Ansicht dazu geeignet, insofern Probleme aufzuwerfen, als ein Auftraggeber damit einem gewissen Rechtfertigungsbedarf unterliegt und dadurch einem zusätzlichen Anfechtungsrisiko in jenen Fällen ausgesetzt ist, wo er einen Bieter mangels Vorlage geforderter Nachweise ausscheidet. Es ist nicht völlig ausgeschlossen, dass Letzterer in einem solchen Fall behauptet, dass das entsprechende Nachweisverlangen nicht "erforderlich" im Sinne des § 70 Abs. 3 war. Aus diesem Grund wird vorgeschlagen, § 70 Abs. 3 nach Vorbild des § 70 Abs. 4 so umzuformulieren, dass der Auftraggeber vom voraussichtlichen Zuschlagsempfänger vor Erteilung des Zuschlages in jedem Fall (und nicht bloß bei Überschreitung der genannten Subschwellenwerte) die Vorlage der festgelegten Nachweise zu verlangen hat. Das Verlangen der Vorlage der festgesetzten Eignungsnachweise sollte jedem Auftraggeber freistehen und nicht an eine gesetzlich verankerte einzelfallspezifische Erforderlichkeit gebunden sein.

 

Zu Z. 23 (§ 83 Abs. 3):

 

Gemäß den Erläuterungen verfolgt diese Bestimmung das Ziel, die Beteiligung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) an Auftragsvergaben zu fördern. Dieses Ziel ist unterstützenswert, das Amt der Oö. Landesregierung bezweifelt jedoch, ob das im § 83 Abs. 3 gewählte Mittel in der Lage ist, eine solche Förderung zu gewährleisten. Unsere Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass sich gerade bei Bauleistungen immer mehr große Firmen zu Arbeitsgemeinschaften zusammenschließen. Wird nun vom Auftraggeber die Weitergabe einer Teilleistung an Subunternehmer vorgeschrieben, so ist es den in diesen zusammengeschlossenen Firmen ein Leichtes, einen Partner der Arbeitsgemeinschaft als Subunternehmer zu präsentieren. Dies gilt in noch erhöhtem Maße auch für in einem Konzern verbundene Unternehmen; da auch solche nach den Erläuterungen als Dritte im Sinne der gegenständlichen Bestimmung gelten, kann dem Zwang zur Subvergabe leicht durch die Weitergabe an ein verbundenes Konzernunternehmen entsprochen werden. Die intendierte Förderung einer Beteiligung von KMU wird daher wohl in den meisten Fällen nicht erreicht werden. Gleichzeitig ist zu bedenken, dass eine solche Pflicht zur Subvergabe naturgemäß auch KMU selbst treffen würde, die an einem Vergabeverfahren teilnehmen. In diesem Fall würde sich sogar eine Benachteiligung von KMU gegenüber großen Unternehmen ergeben, da letztere wie geschildert eine ungleich leichtere Möglichkeit haben, auf verbundene Unternehmen im Konzern zurückzugreifen - eine Möglichkeit, welche den KMU fehlt. Die Bestimmung des § 83 Abs. 3 wird daher zusammenfassend als nicht vorteilhaft angesehen; im Falle eines Verbleibs dieser Bestimmung wäre jedenfalls ein erhöhter Bestimmtheitsgrad - insbesondere bezüglich des festzulegenden Mindest- bzw. Maximalprozentsatzes sowie der Definition des Dritten - wünschenswert.

 

Zu Z. 41 (§ 132) und Z. 75 (§ 321):

 

Gegen die hierin getroffene Festlegung der Stillhalte- bzw. Präklusionsfristen von zehn Kalendertagen bei elektronischer bzw. Faxübermittlung bzw. 15 Kalendertagen bei brieflicher Übermittlung sowie gegen die Fristverkürzung auf sieben Tage im Unterschwellenbereich bestehen angesichts der damit durchgeführten Mindestumsetzung der Rechtsmittelrichtlinie keine Bedenken.

 

Zu Z. 81 (§ 334):

 

Die von der Richtlinie 2007/66/EG vorgesehene ex tunc wirkende Nichtigkeitserklärung von Verträgen, die unter den im § 312 Abs. 3 Z. 3 bis 5 genannten Umständen zustande gekommen sind, durch das Bundesvergabeamt stellt eine massive Sanktion dar, die über die bisher im § 132 Abs. 3 geregelte ex-lege-Nichtigkeit bei offenkundig unzulässigen Direktvergaben hinausgeht. Auf die massiven zivil­rechtlichen Folgen, die an eine solche Nichtigerklärung geknüpft sind, wird in diesem Zusammen­hang hingewiesen. Auf Grund der Schwere dieser Sanktion sollte die Ausgestaltung der gemäß Art. 2e Richtlinie 2007/66/EG zu schaffenden, unter bestimmten Umständen zum Tragen kommen­den alternativen Sanktionen mit Augenmaß erfolgen. Aus diesem Grund und angesichts der Tatsache, dass es bei der Verhängung solcher Sanktionen auf ein Verschulden nicht ankommt, wird die Normierung sowohl einer prozentuellen als auch zahlenmäßig bestimmten Höchstgrenze für eine mögliche dem Auftraggeber aufzuerlegende Geldbuße für notwendig erachtet. Im vorgeschlagenen Gesetzestext wird zu einer nominellen Höchstgrenze keine Festlegung getroffen; die im Vorfeld des Begutachtungsverfahrens angedeutete Summe von 70.000,00 EUR wird vom Amt der Oö. Landesregierung jedenfalls als absolute Obergrenze angesehen.

 

Zu Punkt 2 des Versendungsschreibens (§ 106 Abs. 6):

 

Aus Sicht des Amtes der Oö. Landesregierung ist der Vorschlag eines Entfalls der Verpflichtung eines Unternehmers zur Mitteilung an den Auftraggeber, wenn er eine Berichtigung der Ausschreibung oder Ausschreibungsunterlagen für erforderlich hält, nicht nachvollziehbar. Zum einen wird der dafür ins Treffen geführte Grund der Kostensenkung für Unternehmen bezweifelt; eine Verständigung des Auftraggebers stellt nach unserer Auffassung keinen erheblichen Kostenfaktor dar und sein Aufwand muss im Vergleich zu den Gesamtkosten einer Kalkulation als marginal bezeichnet werden. Zum anderen würde eine (bei Entfall der Mitteilungspflicht in Zukunft wahrscheinlichere) Weiterführung des Vergabeverfahrens mit einer unrichtigen Ausschreibung bedeutende Mehrkosten für den Auftraggeber nach sich ziehen, die bei einer rechtzeitigen Kenntnis­nahme der Notwendigkeit einer Berichtigung der Ausschreibung nicht angefallen wären. Da es unzweifelhaft das Ziel des BVergG ist, eine korrekte Anwendung des Vergaberechts sicherzustellen, kann es nur im Interesse des Gesetzgebers sein, fehlerhafte Ausschreibungen frühzeitig einer Berichtigung zuzuführen. Aus diesem Grund sollte die Mitteilungspflicht nach § 106 Abs. 6 aus unserer Sicht nicht entfallen.

 

Zu Punkt 3 des Versendungsschreibens (§ 320 Abs. 5):

 

Eine Antragslegitimation für gesetzliche Interessensvertretungen wird vom Amt der Oö. Landes­regierung aus folgenden Gründen strikt abgelehnt:

-        Das BVergG 2006 ist auch in seiner geltenden Fassung äußerst auftragnehmer­freundlich; die in Diskussion stehende Änderung würde die Lastenverteilung im Nach­prüfungsverfahren weiter zu Ungunsten der Auftraggeberseite verschieben.

 

-        Da es für den einzelnen Unternehmer durch Aktivierung der Interessensvertretung möglich wäre, anonym und ohne Kostenrisiko die Ausschreibungsunterlagen überprüfen zu lassen, muss mit einer erheblichen Zunahme der einschlägigen Nachprüfungsanträge gerechnet werden. Diese würden nicht nur eine enorme Mehrbelastung der Verwaltung, sondern auch massive zeitliche Verzögerungen von Vorhaben zur Folge haben, was zweifelsohne beträchtliche Kosten verursachen würde.

 

-        Ein Anfechtungsrecht für Interessensvertretungen würde ein völlig systemfremdes Element einer objektiven Rechtskontrolle in das vom Prinzip der individuellen Rechtskontrolle gekennzeichnete Rechtsschutzsystem im Vergabeverfahren einführen. Ein solches Anfechtungsrecht für Interessensvertretungen hätte daher wohl eine Vielzahl von Nachprüfungsanträgen zur Folge, die nur aus Prinzip eingebracht werden und ohne dass einem Bieter durch die konkrete Formulierung der Ausschreibungsunterlagen ein Nachteil erwachsen würde.

 

-        Die vorgeschlagene Bestimmung würde sowohl dem Beschluss der Landeshauptleute­konferenz, Richtlinien der Gemeinschaft nur im notwendigen Ausmaß umzusetzen, sowie der Empfehlung der Präsidenten der Landesrechnungshöfe, den Rechtsrahmen für Auftragsvergaben zu vereinfachen, widersprechen.

 

-        Überdies ist festzuhalten, dass ein solches Anfechtungsrecht auch vom Rechtsschutzge­danken her nicht zwingend nachvollziehbar scheint, da eine Beratung und Unterstützung von kleineren Unternehmen, die Schwierigkeiten mit der Anwendung des Vergaberechts haben, durch die Interessensvertretungen unverändert besteht. Ein gesondertes Antragsrecht ist hiefür nicht notwendig.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Für die Oö. Landesregierung:

 

Dr. Eduard Pesendorfer

Landesamtsdirektor

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ergeht abschriftlich an:

1.    alle Ämter der Landesregierungen

2.    die Verbindungsstelle der Bundesländer

3.    die Mitglieder der Oö. Landesregierung

4.    das Präsidium des Nationalrates

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hinweis:

Wenn Sie mit uns schriftlich in Verbindung treten wollen, richten Sie Ihr Schreiben bitte an das Amt der Oö. Landesregierung, Direktion Verfassungsdienst, Klosterstraße 7, 4021 Linz, und führen Sie das Geschäftszeichen dieses Schreibens an.