AMT DER STEIERMÄRKISCHEN LANDESREGIERUNG

 

 

Fachabteilung 13A

An das

Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend

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è Umwelt- und Anlagenrecht

                                                                   

UVP-, Betriebsanlagen- und Energierecht

Bearbeiter: Mag. Andrea Kerschbaumer
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GZ:

FA1F-15.01-7/2000-19

Bezug:

BMWFJ-30.680/0003-I/7/2010

 

Graz, am 25. Mai 2010

 

Ggst.:

Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird ;

Stellungnahme des Landes Steiermark.  

 

 


 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Zu dem mit do. Schreiben vom 27. April 2010 übermittelten Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird, wird folgende Stellungnahme abgegeben:

 

Allgemeines:

Die derzeit noch in Geltung stehende Ausübungsvorschrift des § 112 Abs. 3 GewO 1994 hatte und hat eine „Betriebszeitengarantie“ in dem Sinn zum Ziel, dass Geräuschemissionen, die von der Gastgartenregelung entsprechenden Gastgärten ausgehen, in betriebsanlagenrechtlichen (Änderungs-)Genehmigungsverfahren nicht zu  berücksichtigen sind.

 

Die Gastgartenregelung war Gegenstand zahlreicher Verfahren nicht nur vor den UVS, sondern auch vor den öffentlichen Gerichtshöfen. Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 27. Juni 2007, Zl. 2007/04/0111, zur aktuellen Rechtslage unmissverständlich dargelegt, dass § 112 Abs. 3 GewO 1994 an der Genehmigungspflicht von Gastgärten im Sinne der § 74ff GewO 1994 nichts ändere und daher die aus solchen Gastgärten stammenden Betriebsgeräusche in Genehmigungsverfahren auf ihre Vereinbarkeit mit den Genehmigungsvoraussetzungen des § 77 GewO 1994 zu prüfen seien; demnach sind auch für solche Gastgärten, die den Voraussetzungen des § 112 Abs. 3 GewO 1994 entsprechen, die Betriebsgeräusche in Genehmigungsverfahren prüfungsrelevant. Anlässlich dieser ständigen höchstgerichtlichen Judikatur ist die ursprünglich beabsichtigte „Betriebszeitengarantie“ des § 112 Abs. 3 GewO als gegenstandslos zu betrachten.

 

Da § 112 Abs. 3 GewO nach wie vor Rechtsbestand ist und diese Bestimmung bei den Gewerbebetreibenden den Eindruck erweckt, dass ihnen bei Erfüllung der Voraussetzungen der genannten Bestimmung jedenfalls die daran normierte „Betriebszeitengarantie“ dergestalt zukäme, als ihnen eine Betriebsanlagenehmigung innerhalb dieses durch Gesetz oder Verordnung festgelegten Zeitrahmens nicht verweigert bzw. sie nicht durch lärmmindernde Auflagen „beschwert“ werden dürften, ist eine diesbezügliche Klarstellung der betreffenden Gesetzesstellen begrüßenswert.

 

In Hinblick auf den Grundsatz der Einheit der Betriebsanlage stellen auch Gastgärten   einen Teil einer gastgewerblichen Betriebsanlage dar, weshalb eine Unterwerfung der „Gastgartenregelungen“ dem betriebsanlagenrechtlichen Genehmigungsregime in jedem Fall geboten erscheint und darüber hinaus aus systematischen Überlegungen zu begrüßen ist.

 

Der vorliegende Novellierungsentwurf, mit welchem § 76a Gewerbeordnung eingefügt werden soll, sieht bei Vorliegen der in dieser Bestimmung normierten Voraussetzungen eine Genehmigungsfreiheit von Gastgärten vor, die aus Sicht der Gewerbetreibenden sicherlich zu begrüßen ist.

 

Zu den Kosten:

Kosteneinsparungen für die Länder sind nicht zu erwarten. Es ist nicht auszuschließen, dass den Einsparungseffekten, die sich vorerst durch die Verfahrensvereinfachung ergeben,  ein Mehraufwand durch Zunahme von Beschwerdeverfahren sowie Verfahren nach § 79a GewO für die Behörden gegenübersteht.

 

Zu den einzelnen Bestimmungen:

Zu 1. § 76a Abs. 1und Abs.2:

Abs. 1: Diese Bestimmung normiert jene Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit Gastgärten, die sich auf öffentlichem Grund befinden oder an öffentliche Verkehrsflächen angrenzen, keiner betriebsanlagenrechtlichen Genehmigung für die Zeit von 08:00 Uhr bis 23:00 Uhr bedürfen.

 

Ziffer 4, 2. Halbsatz lautet: „…eine Gesundheitsgefährdung oder unzumutbare Belästigung durch Lärm ist jedenfalls nicht zu erwarten, wenn die im Einleitungssatz und in Ziffer 1 bis Ziffer 3 genannten Voraussetzungen erfüllt sind;“…

 

Abs. 2: Für Gastgärten, die sich weder auf öffentlichem Grund befinden noch an öffentliche Verkehrsflächen angrenzen, gilt bei sinngemäßer Erfüllung der Voraussetzung gemäß Abs. 1 Ziffer 1 bis Ziffer 4 Genehmigungsfreiheit für die Zeit von 09:00 Uhr bis 22:00 Uhr.

 

Wie den erläuternden Bemerkungen zu Abs. 1 und 2 zu entnehmen ist, „wird ein nach den landespolizeilichen Regelungen und dem zivilen Nachbarschaftsrecht zu beurteilender besonderer Ruheanspruch in der Regel erst ab 22:00 Uhr angenommen (vgl. z. B. OGH 29.08.2000, 1 Ob 196/00f). Aus diesem Grunde sei es sachlich konsequent, den Entfall des Erfordernisses einer betriebsanlagenrechtlichen Genehmigung für Gastgärten „auf privatem Grund“ weiterhin an diesen in der Sicherheitsverwaltung und im Nachbarschaftsrecht üblichen Zeitpunkt von 22:00 Uhr zu knüpfen.“

 

Der besondere Ruheanspruch, welcher in der Regel erst ab 22:00 Uhr angenommen wird (und daher nicht zwingend sondern als Richtwert zu betrachten ist), ist auf das generelle Ruhebedürfnis von Personen abgestellt; eine Unterscheidung der örtlichen Befindlichkeit (Nachbar von öffentlichen Gastgärten oder solchen auf privatem Grund) lässt sich nicht ableiten. Sieht der Gesetzgeber für auf öffentlichem Grund befindliche oder an öffentliche Verkehrsflächen angrenzende Gastgärten eine Betriebszeit von 8.00 bis 23.00 Uhr vor und legt damit ein Ruhebedürfnis von Anrainern solcher Gastgärten erst ab 23.00 Uhr fest, sollte dies im Lichte der Gleichbehandlung auch für Gastgärten auf privatem Grund gelten. Es wird daher vorgeschlagen, eine Betriebszeit „für die Zeit von 8.00 - 23.00 Uhr“ auch für Gastgärten auf privatem Grund zu normieren.

 

Eine Klarstellung, dass unter „für die Zeit von 8.00 - 23.00 Uhr“ die Betriebszeit des Gastgartens zu verstehen ist (sich also kein Gast außerhalb dieser Zeiten im Gastgarten aufhält, das Geschirr abgeräumt, allenfalls Tische, Stühle und Schirme abgeräumt sind), wäre zu begrüßen.

 

§ 76a Abs. 4:

Danach hat die Behörde spätestens drei Monate nach Einlangen der Anzeige samt Unterlagen für den Fall, dass die Voraussetzungen gemäß Abs. 1 oder Abs. 2 nicht erfüllt sind, dies festzustellen und den Betrieb des Gastgartens bescheidmäßig zu untersagen.

 

Die Formulierung „unbeschadet eines Verfahrens nach § 366ff“ ist irreführend. § 366 Abs. 1 Ziffer 2 und 3 idgF normiert die sich aus einer (Änderungs‑)Genehmigungspflicht ergebenden „betriebsanlagenrechtlichen“ Straftatbestände. Neue Straftatbestände sollen in § 366 Abs. 1 als Ziffer 3a:

„3a. einen Gastgarten entgegen einem Bescheid gemäß § 76a Abs. 4 oder Abs. 5 betreibt;“

sowie in § 367 nach Ziffer 24 folgende Ziffer 24a:

„24a. entgegen § 76a Abs. 3 den Betrieb des Gastgartens nicht anzeigt.“ eingefügt werden.

 

Abs.4 setzt voraus, dass eine Anzeige samt Unterlagen eingelangt ist, weshalb § 367 Ziffer 24a neu nicht zum Tragen kommt. § 366 Abs. 1 Ziffer 3a findet ebenfalls keine Anwendung, da der Straftatbestand erst erfüllt ist, wenn ein Gastgarten entgegen einem Bescheid gemäß § 76a Abs. 4 oder Abs. 5 betrieben wird. Der Bescheid ist also erst zu erlassen, bevor der Straftatbestand erfüllt sein kann, weshalb die Wendung „unbeschadet eines Verfahrens nach § 366ff“ verfehlt scheint.

 

§ 76a Abs. 5:

Danach hat die Behörde dem Gastgarteninhaber mit Verfahrensanordnung zur Einhaltung der Voraussetzungen aufzufordern, wenn die in Abs. 1 oder Abs. 2 angeführten Voraussetzungen wiederholt nicht eingehalten werden.

 

Eine einmalige Nichteinhaltung der in Abs. 1 oder 2 genannten Voraussetzungen ermächtigt die Behörde demnach nicht, mit Verfahrensanordnung vorzugehen. Dies ist erst bei wiederholter – also mindestens zweimaliger – Nichteinhaltung möglich.

 

Hier stellt sich die Frage, ob eine wiederholte Übertretung nicht bereits eine genehmigungspflichtige Änderung im Sinne des § 81 Abs. 1 GewO darstellt.

 

§ 76a Abs. 8:

Diese Bestimmung sieht vor, dass auf, im Sinne des Abs. 1 oder Abs. 2 betriebene Gastgärten, die §§ 79 und 79a mit der Maßgabe anzuwenden sind, dass Auflagen und Einschränkungen der Betriebszeit zugunsten von Nachbarn nur den Fall, dass diese zur Hintanhaltung einer Gesundheitsbeeinträchtigung notwendig sind, vorgeschrieben werden können. Die nunmehr gesetzlich verankerte Möglichkeit auch der Betriebszeiteneinschränkung wird ausdrücklich begrüßt. Allerdings bestehen Bedenken gegen die Einschränkung der Möglichkeit zur Vorschreibung von nachträglichen oder zusätzlichen Auflagen nur zum Zwecke der Vermeidung einer Gesundheitsbeeinträchtigung, während die Anrainer vor unzumutbaren Belästigungen keinen Schutz erfahren und diesen ohne jegliche rechtliche Möglichkeit, diese abwehren bzw. abstellen zu können, ausgesetzt sein sollen.

 

Zu 13. § 376 wird folgende Z. 50 angefügt:

„50. Auf am Tag des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr.xxx/2010 nach diesem Bundesgesetz bereits genehmigte Gastgärten ist § 76a Abs. 4 und Abs. 5 mit der Maßgabe anzuwenden, dass durch die Untersagung des Betriebes oder die Schließung des Gastgartens nicht in dem Umfang der bereits bestehenden Genehmigung eingegriffen wird.“

 

Genehmigte Gastgärten unterliegen wie alle genehmigten gewerblichen Betriebsanlagen den Bestimmungen des § 360 sowie §§ 79 und 79a GewO. § 76a Abs. 4, mit welchem bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 oder Abs. 2 der Betrieb des Gastgartens zu untersagen ist, ist auf genehmigte Gastgärten, die nicht notwendiger Weise die Voraussetzungen der Abs. 1 oder 2 erfüllen müssen, zumal sie über eine Individualgenehmigung verfügen, nicht anwendbar.

 

Desweiteren ist der zweite Halbsatz nicht nachvollziehbar, der festlegt, dass durch die Untersagung des Betriebes oder die Schließung des Gastgartens nicht in dem Umfang der bereits bestehenden Genehmigung eingegriffen wird. Dies stellt einen Widerspruch in sich dar, da die Untersagung des Betriebes oder die Schließung des Gastgartens per se einen Eingriff in den Umfang bereits bestehender Genehmigungen darstellt.

 

Eine Ausfertigung dieser Stellungnahme wird auch dem Präsidium des Nationalrates übermittelt, dies nur elektronisch an die Adresse begutachtungsverfahren@parlament.gv.at.

 

Mit freundlichen Grüßen!

Für die Steiermärkische Landesregierung

Der Landesamtsdirektor

 

 

(Mag. Helmut Hirt)