Amt der Wiener Landesregierung

 

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MD-VD - 180-1/09                                                            Wien, 26. Februar 2009

Entwurf eines Bundesgesetzes, mit

dem ein Bio-Durchführungsgesetz

erlassen und das Lebensmittelsicher-

heits- und Verbraucherschutzgesetz

sowie das Gesundheits- und Ernährungs-

sicherheitsgesetz geändert werden;

Begutachtung;

Stellungnahme

 

zu BMGFJ-75100/0051-IV/B/7/2008

 

 

An das

Bundesministerium für

Gesundheit, Familie und Jugend

 

 

Zu dem mit Schreiben vom 20. Jänner 2009 übermittelten Entwurf eines Bundesgesetzes wird nach Anhörung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien wie folgt Stellung genommen:

 

Zu § 1:

 

Abs. 3 sieht vor, dass das in Aussicht genommene Gesetz auch auf Arbeitsgänge in gemeinschaftlichen Verpflegungseinrichtungen gemäß Art. 2 lit. aa der Verordnung

2007/834/EG anzuwenden wäre. Die damit angestrebte Erfassung u. a. der Gastronomie wird aus Sicht des KonsumentInnenschutzes zwar grundsätzlich begrüßt. Es ist aber auch das allgemeine Interesse daran im Auge zu behalten, dass vor allem größere und von der öffentlichen Hand finanzierte gemeinschaftliche Verpflegungseinrichtungen wie etwa Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser und Heime ihren Beitrag zur Förderung der biologischen Landwirtschaft dadurch leisten, dass sie einen Mindestprozentsatz der zum Einsatz kommenden Lebensmittel in biologischer Qualität kaufen und ihre Gäste mit Speisen und Getränken bewirten, die beispielsweise zu 30% biologische Qualität aufweisen. Eine vollständige Umstellung auf biologische Qualität ist vielfach nicht möglich, teils aus Kostengründen, teils auf Grund der gegebenen Kundennachfrage nach bloß „teilbiologischer“ Qualität. Ein Verzicht auf diese teilweise Umstellung auf biologische Produkte würde für die biologische Landwirtschaft und wegen deren umweltschutzpolitischer Bedeutung in der Folge auch für den Umweltschutz einen massiven Nachteil bedeuten – vor allem wegen des sehr großen Nachfrageanteils der gemeinschaftlichen Verpflegungseinrichtungen. Der Anwendungsbereich des Gesetzes sollte daher ausdrücklich auf gemeinschaftliche Verpflegungseinrichtungen, die gänzlich biologische Speisen anbieten, eingeschränkt und die rechtliche Zulässigkeit von Anbietern „teilbiologischer“ Speisen und Getränke ausdrücklich gesetzlich verankert werden.

 

Zu § 3:

 

Abs. 1 sieht eine grundsätzliche Vollzugszuständigkeit des Landeshauptmannes vor, soweit „im Folgenden nicht anderes bestimmt ist“. Die Vollzugszuständigkeit des Landeshauptmannes stößt dort an ihre Grenzen, wo die entscheidenden Informationen bei der Kontrollstelle liegen und eine Vollziehung ohne entsprechende Mitwirkung der Kontrollstelle nicht möglich ist. Als Beispiel seien im Bereich der biologischen Landwirtschaft der Zukauf konventioneller Tiere und die für die Vollziehung notwendige Bestätigung der Richtigkeit der Angaben des Landwirtes durch die Kontrollstelle angeführt. Es ist im Gesetz die ausdrückliche Pflicht der Kontrollstelle zu verankern, den Landeshauptmann bei der Vollziehung des Gesetzes zu unterstützen und ihm gegenüber alle erforderlichen Auskünfte über die Betriebe, mit denen sie einen Kontrollvertrag hat oder hatte, zu erteilen. Insbesondere ist ausdrücklich klarzustellen, dass die Kontrollstelle dem Landeshauptmann gegenüber auch dann auskunftspflichtig ist, wenn die Erteilung der Auskunft eine Ermittlung der Kontrollstelle bzw. eine Überprüfung des von ihr kontrollierten Betriebes erfordert. Als Beispiel sei im Bereich der biologischen Landwirtschaft der Fall angeführt, dass bei einer beantragten Genehmigung für den Zukauf konventioneller Tiere die Angaben des Landwirtes über den Viehbestand von der Kontrollstelle überprüft und bestätigt werden muss.

 

Zu § 4:

 

Abs. 2 sieht vor, dass die Kontrollstellen der Aufsicht des Landeshauptmannes unterstellt und an dessen Weisungen gebunden werden. Dies steht teilweise in Widerspruch zur EN 45011, wonach die Kontrollstellen fachlich unabhängig und frei von Weisungen sein müssen. Auch die Verordnung 2004/882/EG sieht im Art. 5 Abs. 2 lit. b) sublit. iii) vor, dass Kontrollstellen unabhängig und frei von jeglichem Interessenkonflikt sind. Im Gesetzesentwurf gemeint können wohl nur aufsichtsbehördliche Weisungen zur Wahrung der gesetzmäßigen Vorgangsweise und zur Abstellung von allfälligen Missständen sein, dies unter Wahrung der vollen fachlichen Unabhängigkeit der Kontrollstelle. Um allfälligen Schwierigkeiten der Kontrollstellen im Zusammenhang mit deren Akkreditierung durch das Bundesministerium für Wirtschaft, Frauen und Jugend zuvorzukommen, wäre das Aufsichts- und Weisungsrecht des Landeshauptmannes in diese Richtung einzuschränken.

 

Zu § 5:

 

Abs. 2 scheint zwar vordergründig EG-konform zu sein, zumal das Urteil des EuGH vom 29. November 2007, C-404/05, ein etwaiges Genehmigungserfordernis für eine grenzüberschreitende Dienstleistung einer Kontrollstelle noch zulässt. Der EuGH hat in die Prüfung dieser Rechtssache allerdings die Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt noch nicht einbezogen. Die zitierte Richtlinie untersagt
es den Mitgliedstaaten im Art. 16 Abs. 2 leg. cit. ausdrücklich, grenzüberschreitende Dienstleistungen an das Erfordernis einer Genehmigung des Zielstaates zu binden.
Eine Rechtfertigung eines solchen Genehmigungserfordernisses gemäß Art. 16 Abs. 3 leg. cit. wird im Hinblick auf die durch Verordnungen der EG EU-weit einheitlich geregelten Zulassungserfordernisse dieser Kontrollstellen kaum in Betracht kommen.
An Stelle des im Abs. 2 vorgesehenen Zulassungserfordernisses wäre daher nach dem Vorbild beispielsweise des § 373a der Gewerbeordnung 1994 eine Anzeige der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung durch die betroffene Kontrollstelle beim Bundesministerium für Gesundheit vorzusehen.

 

Die in Abs. 3 vorgesehene befristete Zulassung von Kontrollstellen findet in keiner der in Z 1 zitierten EG-Verordnungen Deckung und ist daher EU-rechtswidrig. Abs. 3 hat daher ersatzlos zu entfallen.

 

Gegen Abs. 6 ist zu sagen, dass ein Bundesland wohl nur dann in der Lage ist, die Zulassung einer Kontrollstelle zu widerrufen oder einzuschränken, wenn es über die dafür erforderlichen Informationen einschließlich des Zulassungsaktes verfügt. Aus dem Unterbleiben des Widerrufs bzw. der Einschränkung einer Zulassung kann sich Amtshaftung ergeben – und zwar auch dann, wenn das Bundesland über die von ihm zu entziehende Zulassung keine Informationen und vor allem keinen Akt haben sollte. Ohne begleitende organisatorische Maßnahme aller neun Bundesländer etwa dahingehend, dass sämtliche die Zulassung der jeweiligen Kontrollstelle betreffenden Verwaltungsakten dem künftig ausschließlich zuständigen Bundesland abgetreten werden, kann der in Aussicht genommenen Regelung daher nicht zugestimmt werden.

 

Zur gesamten Regelung ist zu sagen, dass die Vergebührung der Zulassung von Kontrollstellen nicht nur unklar ist, sondern auch ohne sachlichen Grund erheblich differenziert wird. Dies wird in den Anmerkungen zu § 27 näher ausgeführt.

 

Zu § 7:

 

In Abs. 1 im Einleitungssatz sowie im Abs. 3 ist jeweils das Wort „amtliche“ ersatzlos zu streichen, da andernfalls der Eindruck erweckt werden könnte, bei den Kontrollstellen würde es sich um Behörden handeln.

Abs. 1 Z 4 steht insoweit in Widerspruch zu § 24 LMSVG, als der letztgenannten Bestimmung zufolge ausschließlich Organe der Lebensmittelaufsicht Proben „nach den lebensmittelrechtlichen Bestimmungen entnehmen“ dürfen. In legistischer Hinsicht wäre in Abs. 1 Z 4 die Wortfolge „gemäß den lebensmittel- oder futtermittelrechtlichen Bestimmungen“ zu streichen und gegebenenfalls – soweit dies für erforderlich erachtet werden sollte – anzugeben, welche konkreten Bestimmungen anderer Bundesgesetze die Kontrollstellen dabei allenfalls anzuwenden haben.

 

In Abs. 2 wird – rein sprachlich betrachtet – verlangt, dass Kontrollen auch bei Gefahr im Verzug sowie auch im Fall der Kontrolle von Transportmitteln nicht außerhalb der Geschäfts- und Betriebszeit stattfinden dürfen. Der Begriff „und“ indiziert eine kumulative Bedeutung. Gemeint dürfte eine alternative Bedeutung sein. Diese wäre durch den Begriff „oder“ auszudrücken.

 

In Abs. 6 ist mit der Wortfolge „auf Antrag“ wohl kein Antrag im Sinne des öffentlichen Rechtes gemeint, sondern ein formfreies „Verlangen“, was begrifflich etwa durch die Wortwahl „auf Verlangen“ zum Ausdruck zu bringen wäre. Außerdem wäre ausdrücklich klarzustellen, wer ein solches Verlangen vorbringen darf.

 

Zu § 13:

 

In Abs. 1 Z 2 ist der Begriff „regelmäßig“ durch eine präzise Intervallangabe zu ersetzen. Im Hinblick auf die derzeit gängige Praxis der quartalsmäßigen Meldungen der Kontrollstellen an die Behörde wäre eine „quartalsmäßige“ Aktualisierung der Liste naheliegend.

 

Zu § 16:

 

Die in Abs. 2 vorgesehene Berichtspflicht des Landeshauptmannes an die Agentur ist abzulehnen, weil der Landeshauptmann nicht der Agentur unterstellt werden kann. Er ist insoweit nur dem Bundesminister für Gesundheit unterstellt.

 

Der in Abs. 3 vorgesehene Informationsaustausch über die Agentur ist abzulehnen, weil die Agentur nicht Organ der mittelbaren Bundesverwaltung ist. Der Informationsaustausch sollte über den Bundesminister für Gesundheit erfolgen.

 

Zu § 17:

 

Gemäß Abs. 1 hat der Landeshauptmann über festgestellte Unregelmäßigkeiten oder Verstöße gegen die Verordnung 2007/834/EG die AMA unter Berücksichtigung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit zu unterrichten. Um eine unterschiedliche Interpretation der „Verhältnismäßigkeit“ zu vermeiden, wird angeregt, eine eindeutigere Formulierung zu wählen, zumal mit einer derartigen Meldung an die AMA unter Umständen auch ein Verlust bzw. die Rückzahlung von Fördermittel einhergehen kann.

 

Zu § 19:

 

Gemäß Abs. 1 Z 5 würde dem Beirat für die biologische Landwirtschaft nur ein Vertreter der Länder angehören. Dies ist unzureichend. Die einzelnen Länder haben im Bereich der biologischen Landwirtschaft unterschiedliche Schwerpunkte. Es wäre daher eine entsprechend höhere Zahl von Ländervertretern im Beirat vorzusehen. Es wäre im Einvernehmen mit den Ländern zu prüfen, ob mit drei Ländervertretern das Auslangen gefunden werden könnte oder mehr als drei Ländervertreter erforderlich wären.

 

Zu § 25:

 

Abs. 4 sieht die Übermittlung von verwaltungsstrafrechtlich relevanten Daten an das Bundesamt und an Kontrollstellen vor. Dabei handelt es sich um „strafrechtsrelevante Daten“ im Sinne des § 8 Abs. 4 DSG 2000, die zwar formal keine sensiblen Daten sind, jedoch zu den besonders schutzwürdigen Daten gehören und hinsichtlich Verwendung „in die Nähe der sensiblen Daten gerückt sind“.

 

Im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Grundrecht auf Datenschutz (§ 1 Abs. 2 DSG 2000) und das Legalitätsprinzip des Art. 18 Abs. 1 B- VG sind in Abs. 4 die Betroffenenkreise, die Auftraggeber, der Anlass und der Zweck der Verwendung, die Datenarten sowie allfällige Übermittlungsempfänger und technische oder organisatorische Besonderheiten über die Verwendung (Speicherung in einem Register, Möglichkeit von Online-Zugriffen) ausdrücklich zu regeln.

 

Darüber hinaus wäre zu prüfen, ob eine Übermittlung dieser Daten an die Kontrollstellen nicht ersatzlos entfallen könnte. Zum einen kommt den Kontrollstellen lediglich die Aufgabe zu, der Behörde etwaige Verstöße zu melden, und wäre daher die Frage angebracht, ob und gegebenenfalls in welchem Ausmaß die Kontrollstellen verwaltungsstrafrechtlich relevante Daten für die Erfüllung ihrer Aufgaben unbedingt benötigen. Zum anderen verfügt die übermittlungspflichtige Behörde, da sie die Verwaltungsstrafverfahren nicht durchführt, in vielen Fällen nicht über die zu übermittelnden Daten, und die – nicht übermittlungspflichtige – Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsstrafbehörde nicht über die Kontakte zu den jeweiligen Kontrollstellen. Die angesprochenen Sachverhalte sind dabei in vielen Fällen bundesländerübergreifend. Es ist zu befürchten, dass hier aus praktischer Sicht „totes Recht“ geschaffen wird, zumal die erforderliche Übermittlungskette von der Verwaltungsstrafbehörde über die Lebensmittelaufsicht zur jeweiligen Kontrollstelle nicht vollständig zustande kommt und die jeweilige Kontrollstelle für die dennoch einlangenden Daten keine wirkliche Verwendung hat. Vor diesem Hintergrund hätte eine Übermittlung an die Kontrollstellen ersatzlos zu entfallen.

 

Zu § 27:

 

Abs. 2 leitet u. a. die LMSVG-AbgabenV, BGBl. II Nr. 323/2007, in eine Verordnung nach § 11 des in Aussicht genommenen Gesetzes über.

 

Die übergeleitete Verordnung erfasst die Zulassung von Kontrollstellen gemäß § 45 LMSVG und damit nur Zulassungen nach den Verordnungen 2006/509/EG und 2006/510/EG. Für solche Zulassungen ist eine Verwaltungsabgabe in der Höhe von 528,- Euro zu entrichten. Zulassungen von Kontrollstellen nach den Verordnungen 2007/834/EG und 2008/110/EG werden hingegen von der übergeleiteten Verordnung nicht umfasst. Für solche Zulassungen ist daher – ohne dass dafür ein sachlicher Grund gegeben wäre – die Verwaltungsabgabe von 528,- Euro nicht zu entrichten. Im Sinne der abgabenrechtlichen Gleichbehandlung gleicher Sachverhalte ist ausdrücklich vorzusehen, dass diese Verwaltungsabgabe auch für die Zulassung von Kontrollstellen nach den Verordnungen 2007/834/EG und 2008/110/EG gilt.

 

Außerdem hat die von Anfang an bestehende Unklarheit, ob die Abgaben nach der LMSVG-AbgabenV kumulativ zu den nach Gebührengesetz 1957 und Bundes-Verwaltungsabgabenverordnung zu entrichtenden Bundesstempel und Verwaltungs­abgaben hinzutreten oder diese ersetzen, bereits zu kritischen Anmerkungen in der Literatur geführt. Blass u. a., LMR3 § 62, führen etwa aus: „Fraglich ist (...), ob diese Gebühren neben den in jedem Verwaltungsverfahren zu entrichtenden Gebühren nach GebG zu bezahlen sind oder diese ersetzen. Ohne ausdrückliche gegenteilige Anordnung wird wohl Ersteres der Fall sein“. Im Sinne der Rechtssicherheit wäre diese Frage ausdrücklich klarzustellen.

 

Zur Änderung des GESG:

 

Die beabsichtigte Änderung des Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetzes wäre zum Anlass zu nehmen, die überholten Verweise auf das Qualitätsklassengesetz durch Verweise auf das Vermarktungsnormengesetz zu ersetzen. Solche Verweise finden sich in § 6 Abs. 1 Z 8 und § 8 Abs. 2 Z 12 leg. cit.

 

Die vorgesehene Änderung des § 8 Abs. 2 enthält insoweit ein Redaktionsversehen, als der Z 16 eine Z 17 angefügt, diese aber als Z 18 bezeichnet werden soll.

 

 

                                                                      Für den Landesamtsdirektor:

 

 

OMR Mag. Andreas Trenner                                 Dr. Peter Krasa

                                                                                   Obersenatsrat

Ergeht an:

1.  Präsidium des Nationalrates

 

2.  alle Ämter der Landes-

regierungen

 

3.  Verbindungsstelle der

Bundesländer

 

4.  MA 63

(zu MA 63 - 882/09)

mit dem Ersuchen um Weiter-

leitung an die einbezogenen

Dienststellen