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Wien, 17.Nov.2010

 

 

 

Betrifft: GZ BMASK-21119/0016-II/A/1/2010

               Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das ASVG, das GSVG, das

              BSVG und das APG geändert werden (Teil des Budgetbegleitgesetzes

              2011 bis 2014)

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

Der KOBV Österreich erlaubt sich, zu o.g. Entwurf nachstehende Stellungnahme zu erstatten:

Ad Artikel 1 Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes:

Zu Z 15 und 16 (§ 253 a und 254 Abs. 1 Z 1):

Die Verstärkung des Grundsatzes „Rehabilitation vor Pension“ und die Schaffung eines Rechtsanspruches auf berufliche Rehabilitation werden grundsätzlich sehr begrüßt.  Die Formulierung dieses Rechtsanspruches ist jedoch aus mehreren Gründen nicht ausreichend und unklar. 

In der Formulierung ähnlich wie bereits im geltenden § 300 Abs. 2 ASVG (derzeit ohne Rechtsanspruch) soll nunmehr im § 253 a der Anspruch auf Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation nur dann eingeräumt werden, wenn versicherte Personen infolge ihres Gesundheitszustandes die Voraussetzungen für die Invaliditätspension erfüllen, wahrscheinlich erfüllen oder in absehbarer Zeit erfüllen werden.

Der Passus im § 253 a  „wahrscheinlich erfüllen oder in absehbarer Zeit erfüllen“ ist äußerst unbestimmt und es besteht daher die aus den Erfahrungen der Praxis wohl berechtigte Befürchtung, dass sich hinsichtlich der Bereitschaft der Sozialversicherungsträger, Rehabilitation zu gewähren nichts ändern wird und der Anspruch auf Rehabilitation erst in einem Klageverfahren erkämpft werden muss. Eine Vielzahl von Klageverfahren ist zu erwarten, wobei der künftige Ablauf entsprechender Verfahren völlig unklar ist und auch aus den Erläuterungen diesbezüglich nichts hervorgeht. Gibt es zunächst einen Bescheid über die Maßnahmen der Rehabilitation und ist dieser vorerst im Klageverfahren anzufechten? Wird in einem Bescheid über Maßnahmen der Rehabilitation und über die Pension abgesprochen?      

§ 253 a Abs. 2 definiert die Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation (Abs. 1) als solche, durch die mit „hoher Wahrscheinlichkeit auf Dauer Invalidität im Sinne des § 255 beseitigt oder vermieden werden kann und die geeignet sind, mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt auf Dauer sicherzustellen“. Eine Vielzahl an unbestimmten Gesetzesbegriffen und Wahrscheinlichkeiten, deren Auslegung völlig unklar ist.

§ 253 a Abs. 3 bestimmt, dass die Maßnahmen ausreichend und zweckmäßig sein müssen, sie das Maß des Notwendigen jedoch nicht überschreiten dürfen. Ebenfalls sehr unklare Begriffe und ist zu befürchten, dass diese Zweckmäßigkeitsprüfung in vielen Fällen dazu führen wird, dass Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation von vornherein auf Grund der zu hohen Kosten nicht gewährt werden und auch die Durchsetzbarkeit im Klageweg höchst fragwürdig erscheint.

§ 254 Abs. 1 Z 1 bedeutet nunmehr, dass ein Anspruch auf Invaliditätspension in Hinkunft nur dann bestehen soll, wenn – bei Erfüllung aller anderen Voraussetzungen – durch Maßnahmen der Rehabilitation das Rehabilitationsziel unter Bedachtnahme auf die Zumutbarkeit nicht erreicht werden kann oder nicht erreicht werden konnte, bzw. Maßnahmen der Rehabilitation nicht zweckmäßig sind.  

Wenn versicherte Personen infolge ihres Gesundheitszustandes die Voraussetzung für die Invaliditätspension erfüllen, ist ihnen jedenfalls die Invaliditätspension zuzuerkennen und werden sie diese auch in Anspruch nehmen. Der Rechtsanspruch auf berufliche Rehabilitation darf somit keinesfalls zu einem Zwang zur beruflichen Rehabilitation werden. Der KOBV Österreich spricht sich somit ausdrücklich gegen diese Regelung aus.

Die bereits seit Jahren in Geltung stehende Bestimmung des § 361 Abs. 1 letzter Satz ASVG besagt, dass ein Antrag auf eine Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit auch als Antrag auf Leistungen der Rehabilitation gilt. Diese sehr begrüßenswerte Feststellung würde für sich alleine bedeuten, dass vor Gewährung einer Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit zu prüfen wäre, ob durch konkrete Maßnahmen der UMFASSENDEN Rehabilitation ein Verbleib des Antragstellers/der Antragstellerin im Erwerbsleben erreicht werden kann. Eine Prüfung, die jedoch in der bisherigen Praxis auch wegen der Bestimmung des § 300 Abs. 2 ASVG unterblieben ist und ist zu befürchten, dass es auch in Zukunft trotz Einräumung eines Rechtsanspruches auf berufliche Rehabilitation unter Anwendung der vorgeschlagenen Regelungen zu keiner Besserung kommen wird.

Nach Ansicht des KOBV Österreich wäre es notwendig, die Gewährung von Maßnahmen der Rehabilitation nicht von einer bereits eingetretenen oder unmittelbar bevorstehenden Berufsunfähigkeit abhängig zu machen, sondern die Zielsetzung jeglicher Rehabilitation in diesem Bereich, nämlich die Erhaltung des Arbeitsplatzes bzw. die Wiedereingliederung ins Berufsleben in den Vordergrund zu stellen. Nur mit rechtzeitig einsetzenden Präventions- und Rehabilitationsmaßnahmen kann Berufsunfähigkeit verhindert oder zumindest vermindert werden.

Die gewählte Formulierung des Rechtsanspruches auf berufliche Rehabilitation im § 253 a ASVG benachteiligt darüber hinaus jene Berufsgruppen (ungelernte Versicherte) mit sehr breiten Verweisungsmöglichkeiten, also jene, bei denen Berufsunfähigkeit trotz oft schwerster Behinderungen nicht unmittelbar droht, schwer.

Darüberhinaus ist zu kritisieren, dass mit dem § 253 a ASVG lediglich ein Rechtsanspruch auf berufliche Rehabilitation gewährt wird, in Entsprechung des § 361 Abs. 1 letzter Satz jedoch ein Rechtsanspruch auf UMFASSENDE Maßnahmen der Rehabilitation einzuräumen ist, d.h. Maßnahmen der beruflichen, medizinischen und sozialen Rehabilitation.

Der KOBV Österreich fordert daher, in Entsprechung des Grundsatzes „Rehabilitation vor Pension“ die Schaffung eines Rechtsanspruches auf Maßnahmen der umfassenden Rehabilitation, unabhängig von einer bereits eingetretenen oder unmittelbar bevorstehenden Berufsunfähigkeit und wird ein Zwang zu Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation an Stelle der Gewährung einer Invaliditätspension strikt abgelehnt.

 

Zu Z 19  (§ 255 Abs. 2) und Z 28 (§ 273 Abs. 1 und 2):

Die Verschärfung der Voraussetzungen für die Erlangung des Berufsschutzes für angelernte Arbeiter und Angestellte stellt eine starke Verschlechterung für diesen Personenkreis dar und wird vom KOBV Österreich ausdrücklich abgelehnt. Das Erfordernis der Ausübung von mindestens 7,5 Jahren einer qualifizierten Tätigkeit (bei Angestellten einer Erwerbstätigkeit als Angestellte/r oder nach § 255 Abs. 1) innerhalb der letzten 15 Jahr vor dem Stichtag ist weit zu hoch, und ist zu befürchten, dass der Nachweis in vielen Fällen, insbesondere bei häufigem gesundheitsbedingten   Arbeitsplatzwechsel und behinderungsbedingten Zeiten der Arbeitslosigkeit nicht erbracht werden kann. Gefordert wird daher, die bisher geltenden Regelungen für die Erlangung des Berufsschutzes beizubehalten.

 

Zu Z 21 (§ 255 Abs. 3a und 3b):

Diese Neuregelungen stellen eine grundsätzlich begrüßenswerte Verbesserung für ungelernte ArbeitnehmerInnen dar. Dieser erleichterte Zugang zur Invaliditätspension für Versicherte, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, sollte jedoch auch Versicherten eingeräumt werden, die zwar noch in einem Dienstverhältnis stehen aber auf Grund ihrer gesundheitlichen Situation nicht mehr in der Lage sind, ihre Berufstätigkeit weiter auszuüben. Die im § 255 Abs. 3 a Z 2 normierte Voraussetzung der Arbeitslosigkeit von mindestens 12 Monaten vor dem Stichtag wäre somit zu streichen.

Die im § 255 Abs. 3 a Z 4 u.a. normierte Voraussetzung, dass ein Arbeitsplatz innerhalb eines Jahres nicht erlangt werden kann, sollte ebenfalls gestrichen werden. Die Beurteilung der Erlangbarkeit eines Arbeitsplatzes innerhalb einer Jahresfrist wird wohl  in der Praxis sehr schwierig sein und wird befürchtet, dass berufskundliche Sachverständige, deren Beurteilung diese Voraussetzung voraussichtlich unterliegen wird, im Zweifel davon ausgehen werden, dass innerhalb einer Jahresfrist die Erlangung eines entsprechenden Arbeitsplatzes jedenfalls möglich sein kann.

Der Ordnung halber wird angemerkt, dass der im § 255 Abs. 3 b enthaltene Verweis auf  Abs. 3 a Z 3 richtig Abs. 3 a Z 4 lauten müsste.

 

Zu Z 22 (§ 255 Abs. 4):

Die Verbesserungen für die Erlangung des Tätigkeitsschutzes werden ausdrücklich begrüßt.

In der Praxis kommt es hier immer wieder zu Härtefällen, bei denen die erforderlichen 120 Kalendermonate ohne Verschulden der Betroffenen, wie z.B. bei vorzeitiger Auflösung eines Dienstverhältnisses auf Grund eines Konkurses seines Arbeitgebers, um wenige Tage oder Wochen nicht erreicht werden, verschärft durch die ständige Rechtssprechung, dass Zeiten des Bezuges einer Urlaubsersatzleistung und einer Kündigungsentschädigung nicht zu berücksichtigen sind. Um derartige soziale Härten zu vermeiden, wird ergänzend gefordert, auch die Zeiten eines Bezuges der Urlaubsersatzleistung und einer Kündigungsentschädigung auf die Mindestausübungsdauer von 120 Kalendermonaten anzurechnen.

 

Zu Z 23 (§ 261 Abs. 4):

Die Verringerung des Höchstausmaßes der Verminderung bei Inanspruchnahme einer Invaliditätspension auf 12,6 % wird grundsätzlich begrüßt, ist jedoch leider eine unzureichende Maßnahme.

Der KOBV Österreich hat wiederholt darauf hingewiesen, dass BezieherInnen von Invaliditätspensionen durch die Maßnahmen der Sicherung des Pensionssystems in den vergangenen Jahren, insbesonders was die Pensionshöhe betrifft, mehrfach benachteiligt und betroffen wurden. Zum einen wurde verabsäumt, in der Regelung des § 261 Abs. 3 ASVG das „60. Lebensjahr“ dem tatsächlich möglichen Alter einer vorzeitigen Alterspension anzupassen, zum anderen ist es Faktum, das BezieherInnen von Invaliditätspensionen, besonders jene, die eine Vielzahl von Versicherungszeiten erworben haben, durch die vorgesehenen Abschläge gemäß § 261 Abs. 4 ASVG besonders und überproportional betroffen sind. 

Dies wird letztendlich von den Betroffenen auch deshalb als überaus ungerecht empfunden, als das System der Abschläge bei vorzeitigen Pensionen deshalb eingeführt wurde, um Anreize zu schaffen, länger im Erwerbsleben zu verbleiben, was einem Bezieher einer Invaliditätspension gezwungenermaßen aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist. InvaliditätspensionistInnen müssen daher unfreiwillig (er/sie MUSSTE den Beruf aufgeben, weil er/sie behinderungsbedingt keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen konnte, auch wenn er/sie wollte !!!!!) und ungerechtfertigt wesentliche Pensionskürzungen in Kauf nehmen.

Der KOBV-Österreich fordert daher, nicht zuletzt im Hinblick auf die Bemühungen der Armutsbekämpfung in Österreich, das System der Zurechnungszuschläge (Altersgrenze erhöhen) anzupassen  und die ungerechtfertigten Abschläge zur Gänze abzuschaffen. 

 

Zu Z 24 und 25 (§§ 270 a und 271 Abs. 1 Z 1):

Auf die Ausführungen zu Z 15 und 16 wird verwiesen.

 

Ergänzende Forderung:

Vorsichtshalber weist der KOBV Österreich darauf hin, dass im Fall der Beibehaltung der im Entwurf enthaltenen Verschlechterungen für die Inanspruchnahme einer Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit diese Verschlechterungen in den Fällen einer befristeten Pension bzw. bei Entziehung einer Pension nicht zur Anwendung kommen dürfen. Der KOBV Österreich fordert daher,  eine entsprechende Schutzbestimmung in den Übergangsbestimmungen (wie im derzeit vorliegenden Entwurf der Änderung des Bundespflegegeldgesetzes - § 48 b Abs. 2 BPGG) vorzusehen.           

 

Die Ausführungen zu den zitierten ASVG-Bestimmungen gelten entsprechend auch für die anderen im Entwurf enthaltenen Sozialversicherungsgesetze.

Der KOBV Österreich ersucht um Berücksichtigung seiner Stellungnahme.

Mit freundlichen Grüßen

 

Präsident Mag. Michael Svoboda

Generalsekretärin Dr. Regina Baumgartl

Kriegsopfer- und Behindertenverband Österreich

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