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MD-VD - 1408-7/10                                                          Wien, 28. Jänner 2011

Entwurf eines Bundesgesetzes,                                        

mit dem das Niederlassungs- und

Aufenthaltsgesetz, das Fremden-

polizeigesetz 2005, das Asylgesetz 2005

und das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985

geändert werden,

Begutachtung;

Stellungnahme

 

 

zu BMI-LR1355/0007-III/1/c/2010

 

 

 

An das

Bundeskanzleramt oder Bundesministerium

 

 

 

Zu dem mit Schreiben vom 9. Dezember 2010 übermittelten Entwurf eines Bundesge-setzes wird nach Anhörung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien wie folgt Stellung genommen:


Eingangs wiederholt das Land Wien an dieser Stelle seine Forderung nach einem transparenten, nachvollziehbaren und von klaren Kriterien geleiteten Zuwanderungsmodell. Es wäre auf Basis einer grundlegenden Evaluierung des Fremdenrechts eine migrationsrechtliche Gesamtlösung zu entwickeln.

 

Zu Artikel 1 (Änderung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG)

 

Zu Z 8 (§ 13) des Entwurfes

 

Der vorliegende Entwurf sieht grundsätzlich die Beibehaltung der  bisherigen Quoten-regelung vor; es wurde lediglich die Quotenregelung für die Schlüsselkräfte („Rot-Weiß-Rot Karte“) durch ein Punktesystem ersetzt. Für Familienangehörige von Dritt-staatsangehörigen und für Drittstaatsangehörige und deren Familienangehörige, die sich ohne Erwerbsabsicht auf Dauer niederlassen wollen, sind weiterhin Quoten vor-gesehen. Im Hinblick darauf, dass die verfügbaren Quoten für die Erstzuwanderung zum Zweck der Ausübung qualifizierter Erwerbstätigkeit (Schlüsselkraftquote) in der Vergangenheit fast nie ausgeschöpft wurden, ist fraglich, inwieweit diese Maßnahme zum Anlocken von ausländischen Spezialisten geeignet ist.

 

Zu Z 10 (§ 14 ff) des Entwurfes

 

Der vorliegende Entwurf bringt zahlreiche schwerwiegende Änderungen im Hinblick auf die Erfüllung der Integrationsvereinbarung mit sich. Grundsätzlich wird festgehal-ten, dass das Erlernen der Deutschen Sprache, um sich im Alltag verständigen zu kön-nen, als eine Grundlage des und als prioritäres Ziel im Integrationsprozess gesehen wird. Wien fordert deshalb einen Finanzierungsplan für flächendeckende, leistbare und leicht zugängliche Deutschkurse und Integrationsbegleitung, um dieses Ziel zu errei-chen.

 

Einerseits wird das zur Erfüllung der Integrationsvereinbarung erforderliche Sprachni-veau angehoben, andererseits wird jedoch die Frist zur Erfüllung der Integrationsver-einbarung stark gekürzt. Wie bisher soll die Integrationsvereinbarung auch nach § 14 Abs. 2 der geplanten Novelle in zwei Schritten erfüllt werden, wobei für Modul 1 das Niveau A2 des europäischen Referenzrahmens für Sprachen und für Modul 2 das Ni-veau B1 zu erreichen ist. Laut dem vorliegenden Entwurf ist das erste Modul der In-tegrationsvereinbarung binnen zwei Jahren zu erfüllen.

 

Weiters ist an die Erfüllung des ersten Moduls binnen zwei Jahren die weitere Verlän-gerung des Aufenthaltes gebunden. Dies stellt eine wesentliche Verschärfung zur bis-her geltenden Rechtslage dar, die eine Frist von 5 Jahren vorsieht, und wird daher ab-gelehnt. Zwar ist auch weiterhin (§ 14a Abs. 2) vorgesehen, auf Antrag der betroffenen Person „unter Bedachtnahme auf die persönlichen Lebensumstände“ einen Aufschub von jeweils max. 12 Monaten zu gewähren, eine Erläuterung, was unter diesen Um-ständen zu verstehen sein soll, lässt jedoch der Entwurf ebenso wie die Erläuternden Bemerkungen vermissen. Zur Vereinheitlichung des Vollzugs sollte anlässlich der No-vellierung die Gelegenheit ergriffen werden, dies entsprechend klarzustellen.

 

Es ist zu erwarten, dass sich diese deutliche Verkürzung besonders für ältere und bil-dungsferne Personen, Menschen mit Beeinträchtigungen und insbesondere für Frauen nachteilig auswirken wird, da Frauen in vielen Drittstaaten systematisch von Bildung und teilweise sogar von Alphabetisierung ausgeschlossen oder beim Zugang zu Bil-dung massiv benachteiligt sind. Zuwanderinnen, die auf Grund von Kinderbetreuungs-pflichten wenig Ressourcen für den Spracherwerb haben, werden dadurch weiter be-nachteiligt. Die Verkürzung der Erfüllungsfrist auf zwei Jahre und der Entfall des Al-phabetisierungskurses, der das bisherige Modul 1 bildete, ist deshalb abzulehnen.

 

Für das Erfüllen des zweiten Moduls sieht der zur Begutachtung versandte Entwurf zwar keine Frist vor. Das Niveau B1 ist nach dem vorliegenden Entwurf aber eine be-sondere Erteilungsvoraussetzung zur Erlangung eines unbefristeten Aufenthaltsrechtes („Daueraufenthalt - EG“).

 

Der geplante Entwurf sieht weiters vor, dass die Erfüllung des Moduls 1 der Integrati-onsvereinbarung durch Vorlage eines Nachweises vom Österreichischen Integrations-fonds oder von einer vom Österreichischen Integrationsfonds zertifizierten Institution erfolgen soll. Alternativ kann ein Deutsch-Integrationskurs besucht werden. Die Erfül-lung des Moduls 2 der Integrationsvereinbarung soll in Hinkunft nur noch durch Vor-lage eines Nachweises vom Österreichischen Integrationsfonds oder von einer vom Österreichischen Integrationsfonds zertifizierten Institution erfolgen.

 

Die geltende Rechtslage nach § 14 Abs. 5 Z 4 NAG iVm mit der Integrationsvereinba-rungs-VO eröffnet hingegen die Möglichkeit, den Nachweis der ausreichenden Deutschkenntnisse im Verfahren nach dem NAG über die Erfüllung des Moduls 2 (der aktuellen Integrationsvereinbarung: Niveau A2) durch ein Kurszeugnis oder ein Sprachdiplom einer allgemein anerkannten Einrichtung (z.B.: Österreichisches Sprach-diplom, Goethe Institut) zu erbringen.

 

Durch die geplante Änderung, dass nunmehr ein Nachweis vom Österreichischen In-tegrationsfonds oder von einer vom Österreichischen Integrationsfonds zertifizierten Institution zu erbringen ist, werden international anerkannte Nachweise des ÖSD (z.B. Zertifikat B1), des Goethe Instituts und anderer anerkannter Bildungseinrichtungen ausgenommen und können weiters außerhalb Österreichs erworbene Zertifikate nicht mehr als Nachweis der Erfüllung herangezogen werden.

 

Weiters wird angemerkt, dass der Sprung vom Sprachniveau A2 zum Sprachniveau B1 ein großer ist, der wesentlich mehr Unterrichtsstunden erfordert als etwa der Sprung von A1 auf A2. Dafür sind zwischen 300 bis 600 Unterrichtsstunden erforderlich. Nach dem Amt der Wiener Landesregierung vorliegenden Informationen erreichen etwa in Deutschland nur rund 50 % der Personen nach 600 bzw. 900 Unterrichtsstunden das Sprachniveau B1. Die Erfüllung dieser Verpflichtung ist daher mit hohen Kosten verbunden, die - anders als in Deutschland und in anderen Ländern - nicht hauptsächlich vom Bund mit einer (geringen) Kostenbeteiligung des Teilnehmenden finanziert werden, sondern zur Gänze von den Betroffenen selbst zu tragen sind.

 

Die Kosten für notwendige Sprachfördermaßnahmen zur Erfüllung des Niveaus B 1 werden nicht vom Bund übernommen, sondern den Ländern und Gemeinden aufge-bürdet. Es sollte daher zumindest eine Kostenbeteiligung des Bundes erfolgen.

Wie die deutschen Erfahrungen zeigen und DAF-/DAZ-ExpertInnen aus Forschung und Praxis einhellig versichern, ist für einen erheblichen Teil von Personen das Errei-chen dieses Sprachniveaus in einer Fremdsprache auch bei intensiven Lernbemühun-gen nicht möglich. Jedenfalls für diese Gruppe geht auch die Absicht des Gesetzesvor-habens ins Leere, ein „Anreiz- und Motivationssystem“ (s. Erläuterungen) schaffen zu wollen.

 

Der „Daueraufenthalt - EG“ bedeutet eine sichere Rechtsstellung, Angleichung von Rechten und Pflichten, im Fall der Einbürgerung auch Erwerb von Wahl- und Bürger-Innenrechten. Rechtliche Integration im Sinn von voller rechtlicher Gleichstellung ist auch eine Voraussetzung für persönliche, identifikatorische, soziale und wirtschaftli-che Integration. Sie liegt daher nicht nur im Interesse der MigrantInnen, sondern auch im Interesse der Aufnahmegesellschaft.

 

Die vorliegenden Änderungen werden im Hinblick auf die Integrationsvereinbarung sowohl im Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz als auch im Staatsbürgerschaftsge-setz als kontraproduktiv abgelehnt. Eine vom Gedanken der Wertschätzung von Zu-wanderung und Diversität getragene Förderung der Integration im Sinn der Herstel-lung gleicher Rechte und Chancen könnte insbesondere durch leistbare, leicht zugäng-liche und zielgruppenspezifische, aber auch für bereits länger niedergelassene Fremde offene Deutschkurse erreicht werden. Durch Änderung in der Finanzierung von Deutschkursen - etwa Erhöhung des Bundesanteiles und Reduzierung des Eigenanteils der Teilnehmenden bzw. Entkoppelung des Kostenbeitrages vom Prüfungserfolg - aber auch Mitfinanzierung von integrationsbegleitenden Angeboten durch den Bund kann Chancengleichheit geschaffen und so der Weg zu einer erfolgreichen Integration erleichtert werden.

 

Zu Z 13 (§ 18) des Entwurfes

 

Die Mitglieder des Integrationsbeirates werden von der BundesministerIn für Inneres für eine Funktionsdauer von fünf Jahren bestellt.

Einerseits ist diesbezüglich dringend zu empfehlen, den Auftrag der Bestellung von der Behörde BundesministerIn für Inneres zu entkoppeln. Der Beirat dient dem Mei-nungsaustausch zu integrationsrelevanten Angelegenheiten von allgemeiner Bedeu-tung und zu Empfehlungen des Expertenrates für Integration sowie der Beratung über die Umsetzung dieser Empfehlungen. Insofern trägt dieser Beirat wesentlich zur Mei-nungsbildung bei und sollte daher aus Objektivitätsgründen von einer anderen Einrich-tung als der mit dem Vollzug betrauten Behörde bestellt werden. Andererseits ist es unabdingbar, dass explizite Expertise aus den Bereichen Menschenrechte, Internatio-nale Organisationen (IOM, UNHCR) und Gender in das Gremium Eingang findet. Es ist sachlich weder begründbar noch nachvollziehbar, dass dieses Wissen in der struktu-rellen Ausgestaltung des Gremiums fehlt.

 

Schließlich ist aus dem Gesetzestext nicht erkennbar, wie hoch der Frauenanteil dieses Gremiums ist. Es ist wesentlich, dass Gremien geschlechterparitätisch besetzt sind. Eine diesbezügliche Klarstellung sollte vorgenommen werden.

 

Zu Z 19 (§ 21a) des Entwurfes

 

Insgesamt stellt § 21a NAG eine massive Verschärfung der jetzigen Rechtslage dar, da diese Bestimmung insbesondere die Familienangehörigen von ÖsterreicherInnen oder niedergelassenen Drittstaatsangehörigen, also den größten Teil der kontemporären Zuwanderung nach Österreich, betrifft. Weder dem Entwurf noch den Erläuternden Bemerkungen ist zu entnehmen, von welchen Einrichtungen im Ausland die Zeugnisse oder Sprachdiplome akzeptiert werden dürfen und wie vorzugehen sein wird, wenn im Heimatland der/des betroffenen Fremden kein Zugang zu Deutschkursen besteht und daher das Erfordernis von Deutschkenntnissen auf Niveau A1 nicht erfüllt ist. Es ist keine finanzielle oder anderweitige Unterstützung bzw. Schaffung entsprechender Infrastrukturen in den jeweiligen Herkunftsländern der Fremden für die Erfüllung dieser Verpflichtung vorgesehen. Die Erfüllung wird angesichts der in vielen Ländern bzw. Regionen kaum bis nicht vorhandenen Infrastruktur für Personen aus diesen Regionen unzumutbar oder unmöglich (so gibt es etwa in der Türkei lediglich drei Goethe-Institute). Diese Bestimmung führt somit zu sachlich nicht gerechtfertigten Ein- bzw. Ausschlussmechanismen. Für Menschen, die bildungsungewohnt sind oder nur über einfache Bildung verfügen, kann zudem die geplante Regelung u. U. zu einem gänzlichen Ausschluss von der Familienzusammenführung führen, was sowohl mit Art. 8 EMRK als auch der EU-Familienzusammenführungsrichtlinie in Konflikt steht. Diese Bestimmung wird daher abgelehnt. Wien tritt stattdessen für leistbare, zielgruppengerechte Deutschkurse nach der Einreise ein.

 

Diese Regelung stellt zudem eine neuerliche Verkomplizierung des Erstantragsverfah-rens für die NAG-Behörden und die österreichischen Vertretungsbehörden im Ausland dar, da zusätzliche Nachweise erbracht und dementsprechend verarbeitet werden müs-sen.

 

Zu Z 21 (§ 24 Abs. 3a) des Entwurfes

 

Das bisherige Verlängerungsregime des § 25 NAG wird abgeschafft. Im Entwurf ist vorgesehen, dass ein Antrag auf Verlängerung zu versagen ist, wenn die allgemeinen oder die besonderen Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Dies bedeutet, dass Ver-längerungsanträge auch bei Fehlen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen (z.B. Unterhalt, Unterkunft etc.) abzuweisen sind, was bisher nicht möglich war (die derzei-tige Rechtslage sieht in solchen Fällen die Einschaltung der Fremdenpolizei vor, wel-che dann über eine allfällige aufenthaltsbeendende Maßnahme entscheidet). Daraus folgt, dass Fremde nunmehr erst nach Entscheidung der Behörde nach dem NAG, wenn sie sich nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, in das Regime des Fremdenpolizeigesetzes wechseln. Dies stellt für die NAG-Behörden einen enormen Mehraufwand dar, da im Falle des Fehlens von allgemeinen oder besonderen Ertei-lungsvoraussetzungen bei Verlängerungen nunmehr arbeitsintensive Versagungsbe-scheide erstellt werden müssen und nicht mehr bloß der Ausgang des Verfahrens nach dem Fremdenpolizeigesetz abgewartet werden kann. In diesem Zusammenhang ist mit der Novelle des FPG (der neue § 52 FPG) vorgesehen, dass eine Rückkehrentschei-


dung (Ausweisung) und damit auch ein Einreiseverbot (Aufenthaltsverbot) nur bei einem Fremden, der sich unrechtmäßig in Österreich aufhält, verhängt werden kann.

 

Dies bedeutet, dass in Fällen, in denen z.B. ein legal in Österreich lebender Fremder straffällig geworden ist - sofern die Voraussetzungen vorliegen - zunächst von der NAG-Behörde der Aufenthaltstitel entzogen werden muss, bevor der Fremde in das FPG - Regime wechselt und bei dem zuständigen Fremdenpolizeibüro ein Verfahren zur Rückkehrentscheidung bzw. Einreiseverbot durchgeführt wird. Derzeit kann die Fremdenpolizei auch bei Fremden, die sich legal in Österreich aufhalten, eine Auswei-sung oder ein Aufenthaltsverbot erlassen, wobei automatisch mit der Rechtskraft oder der Durchsetzbarkeit dieser aufenthaltsbeendenden Maßnahmen der erteilte Aufent-haltstitel ohne Zutun der NAG-Behörde ex-lege ungültig wird. Mit diesen zusätzli-chen Verfahren sind auch umfassende Ermittlungen verbunden (die derzeit von der Fremdenpolizei durchgeführt werden), die im Hinblick auf die derzeit geltende Rechtslage eine erhebliche Belastung für die NAG - Behörden darstellen (so würde dies für das Amt der Wiener Landesregierung einen Mehraufwand von jährlich ca. 2500 Verfahren bedeuten). Diese Änderung wird daher abgelehnt.

 

Zu Z 22 (§ 25) des Entwurfes

 

Die Möglichkeit, einen bereits erteilten Aufenthaltstitel zu entziehen, wird erweitert. Bisher war es nur möglich einen Aufenthaltstitel zu entziehen, wenn besondere Ertei-lungsvoraussetzungen gefehlt haben. Der Entwurf sieht nunmehr vor, dass der Aufent-haltstitel auch dann zu entziehen ist, wenn allgemeine Erteilungsvoraussetzungen feh-len. Dies stellt eine weitere schwerwiegende Verschärfung der geltenden Rechtslage dar. Der Entwurf sollte daher um die Möglichkeit ergänzt werden, bei dieser Entschei-dung persönliche Umstände der Betroffenen zu berücksichtigen.

 

Der vorliegende Entwurf knüpft zudem in humanitären Verfahren (Art 8 EMRK oder Beiratsfall) die „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ an vorhandene Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2 oder an eine bestehende Erwerbstätigkeit zum Entscheidungszeit-punkt. Die diesbezüglichen Regelungen des Entwurfes (§§ 41a Abs. 9 und Abs. 10) unterscheiden hier nicht zwischen legal bzw. illegal ausgeübter Erwerbstätigkeit. Dies erscheint insofern verwunderlich, als die Adressaten dieser Bestimmungen für den Fall einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit diese in der Regel ohne ausländerbeschäfti-gungsrechtliche Bewilligung ausüben bzw. noch über keinen Aufenthaltstitel verfügen, der eine Erwerbstätigkeit zulässt. Dies hat zum Ergebnis, dass Personen, die einer ar-beitsmarktrechtlich nicht bewilligten unselbstständigen Erwerbstätigkeit nachgehen, einen freien Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten können und diejenigen, die sich rechtskonform verhalten, der Zugang zum Arbeitsmarkt verwehrt bleibt. Dies kann nicht Intention des Gesetzgebers sein. Hier wäre eine eindeutige Regelung wün-schenswert.

 

In diesem Zusammenhang darf auch auf einen offensichtlichen redaktionellen Fehler aufmerksam gemacht werden. Die §§ 44a und 44b in der Fassung des vorliegenden Entwurfes nehmen keinen Bezug auf § 41a Abs 9, sondern lediglich auf § 41a Abs. 3 und § 43 Abs. 3. Dies würde bedeuten, dass die NAG-Behörde keine Stellung-nahme von der zuständigen Sicherheitsdirektion bei den humanitären Fällen, bei denen Deutschkenntnisse oder eine Erwerbstätigkeit vorhanden ist, einholen müsste, sondern selbst das Vorhandensein der Gründe nach Art 8 EMRK beurteilen könnte. Dies er-scheint im Hinblick auf die Systematik in humanitären Verfahren nicht realistisch. Die Erläuterungen führen dazu offensichtlich auch fehlerbehaftet aus, dass die Absätze 9 und 10 (des § 41a) die Bestimmungen zu § 44 Abs. 3 und 4 der geltenden Rechtslage abbilden. Gemeint war aber offensichtlich, dass der Abs. 9 die Bestimmung des § 43 Abs. 2 der geltenden Rechtslage und Abs. 10 die Bestimmung des § 44 Abs. 4 der gel-tenden Rechtslage abbildet. Dies ergibt sich wohl auch aus den Erläuterungen zum geplanten § 43, wonach die dortigen Abs. 2 bis 5 die bisherigen Abs. 2 bis 5 des § 44 in der geltenden Rechtslage abbilden. Hier ist daher eine Klarstellung zu treffen.

 

Zusammenfassend sei daher festgehalten, dass der vorliegende Entwurf einer Novelle des NAG - abgesehen von punktuellen Verbesserungen, wie insbesondere die Ertei-lung von Aufenthaltstiteln auf 3 Jahre, die Möglichkeit, dass Fachkräfte in Mangelbe-rufen nach Österreich zuwandern, die Erleichterung für StudienabsolventInnen, nach Abschluss ihrer Ausbildung in Österreich zu bleiben und der Wegfall der Verpflich-tung der Erfüllung der Integrationsvereinbarung für InhaberInnen von Aufenthaltsbe-willigungen - eine wesentliche Verschärfung der aktuellen Rechtslage bewirkt. Es wurde verabsäumt, klare und verständliche Regelungen zu schaffen (z.B. verweist der § 41 Abs 2 Z 1 NAG auf § 12d Abs 2 Z 1 AuslBG, dieser auf § 12b Abs 1 Z 1 AuslBG und dieser wiederum auf Anlage C zu AuslBG und § 108 Abs 3 ASVG), sowie ver-nünftige Integrationsmodelle in das NAG einzubauen (statt dessen wurden die Zuwan-derungskriterien nur verschärft). Dass die „beabsichtigten Änderungen insbesondere dazu beitragen, den Wirtschaftsstandort Österreich durch eine intelligente Zuwande-rung zu stärken“, wie in den Erläuternden Bemerkungen angemerkt, ist jedenfalls stark anzuzweifeln.

 

Zu Artikel 2 (Änderung des Fremdenpolizeigesetzes 2005):

 

Zu Z 6 (§ 24a) des Entwurfes

 

Bei den Kriterien dafür, dass es sich bei ZuwanderInnen um eine „besonders hochqua-lifizierte Arbeitskraft“ i.S.d. § 12 AuslBG handelt, wird auf § 12 und Anlage A AuslBG  Bezug genommen. Hiezu sei bemerkt, dass für die Beurteilung von „beson-ders hochqualifiziert“ jedenfalls Kriterien herangezogen werden müssen, die der struk-turellen Diskriminierung von Frauen am Arbeitsmarkt und im (höheren) Bildungswe-sen angemessen entgegenwirken und diese nicht, wie im vorliegenden Entwurf, weiter fortführen.

 

So bleibt beispielsweise beim Kriterium „Habilitation“ unberücksichtigt, dass diese Qualifikation im Rahmen einer wissenschaftlichen Karriere in zahlreichen Ländern außerhalb Österreichs nicht existiert und somit formal nicht erbracht werden kann. Weiters ist bei wissenschaftlichen Qualifikationen der Umstand zu berücksichtigen, dass - auch in Österreich - Frauen und Männer bei gleichem Prozentsatz des Studien-abschlusses auf Universitäten ungleiche Karrierebedingungen vorfinden und Frauen in höherwertigen Stellen bzw. Führungspositionen auf Grund der systemischen Diskrimi-nierung von Frauen klar unterrepräsentiert sind.

 

Dieser Befund gilt ebenfalls für das Kriterium „Letztjähriges Bruttogehalt in einer Führungsposition eines börsenotierten Unternehmens oder eines Unternehmens, für dessen Aktivitäten bzw. Geschäftsfeld eine positive Stellungnahme der zuständigen Außenhandelsstelle vorliegt“. Angesichts der Offensichtlichkeit der Einkommenssche-re zuungunsten von Frauen, gerade im Bereich der Privatwirtschaft, sowie der man-gelnden Vertretung von Frauen in Führungspositionen, ist es sachlich völlig unge-rechtfertigt, ein Mindestbruttojahresgehalt als Kriterium zu etablieren, das nur ein ver-schwindend geringer Prozentsatz von Frauen erreichen kann.

 

Diese Bestimmungen würden daher dazu führen, dass Frauen überproportional bei der Erlangung eines befristeten Aufenthaltsvisums gemäß § 12 AuslBG benachteiligt wer-den. Es wird daher angeregt, diese Kriterien mit Hinblick auf die Überwindung der Diskriminierung von Frauen zu überarbeiten und sicherzustellen, dass in der Anwen-dung der Bestimmungen Frauen und Männer tatsächlich gleich gestellt werden und gleich viele Frauen wie Männer ein befristetes Aufenthaltsvisum gemäß § 12 AuslBG in Anspruch nehmen können.

 

In diesem Zusammenhang ist die Bindung eines Aufenthaltstitels für besonders Hoch-qualifizierte gemäß § 12 AuslBG an fixe und gesetzlich festgelegte Mindesteinkom-men in Frage zu stellen. Eine Orientierung an den jeweiligen nationalen Durch-schnittseinkommen der Herkunftsländer erscheint sinnvoll.

 

Des weiteren ist es notwendig, das Kriterium „Alter“ ersatzlos aus dem Kriterienkata-log zu streichen. Zwar wird die Intention des Entwurfs, jüngeren Fachleuten den Zu-gang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern, nicht verkannt, es ist aber eine offenkundige und sachlich nicht gerechtfertigte Diskriminierung aus Gründen des Alters, wenn unter 35-Jährige automatisch eine höhere Punkteanzahl erreichen und über 45-Jährige gar keine Punkte zugewiesen bekommen. Das Alter einer Person darf, auch für besonders hochqualifizierte Personen, keine Rolle für die Erlangung eines Aufenthaltstitels spie-len - zudem hier wiederum, nicht zuletzt auf Grund der traditionellen Unterbrechung einer Karriere auf Grund von Mutterschutz-, Karenz- und Kinderbetreuungszeiten, Frauen benachteiligt würden.

 

Zu Z 14 (§§ 52 und 53) des Entwurfes

 

Nach Ansicht Wiens sind grundlegende Maßnahmen zum Schutz und sozialen Ein-gliederung von Opfern von Menschenhandel weder in der derzeitigen Fassung des FPG noch im vorliegenden Entwurf enthalten. Dies betrifft insbesondere § 52 Abs. 4 FPG, da hier weiterhin auf § 69a Abs. 1 Z 2 bis 4 NAG verwiesen wird. Diese Be-stimmung sieht - entgegen der einschlägigen Verpflichtungen Österreichs, sowohl un-ter dem Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung von Menschenhandel, als auch unter der internationalen Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskrimi-nierung der Frau - vor, dass Opfern von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel eine Aufenthaltsbewilligung für „Besonderen Schutz“ nur zur Ge-währleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Gel-tendmachung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafba-ren Handlungen zu erteilen ist.

 

Dies entspricht in keiner Weise der Realität von Opfern von Menschenhandel bzw. grenzüberschreitendem Prostitutionshandel. Die Koppelung des Aufenthaltstitels „Be-sonderer Schutz“ an ein Straf- bzw. Zivilverfahren ist besonders vor dem Hintergrund der Bedrohung von Opfern von Menschen- bzw. Prostitutionshandel, die sich typi-scherweise eben auch auf deren Familienangehörige im Herkunftsstaat erstreckt, zy-nisch. Opfer von Menschenhandel und Prostitutionshandel sind als Opfer eines Verbrechens zu behandeln und ihnen ist adäquater Schutz und adäquate Unterstützung zu gewähren. Daher wird angeregt, § 69a Abs. 1 Z 2 NAG dahingehend zu ändern, als die Erteilung des (befristeten) Aufenthaltstitels nicht von einem (laufenden) Straf- oder Zivilverfahren über die Frage, ob Menschen- oder Prostitutionshandel vorliegt, ab-hängt. Der erste Satz des § 69a Abs. 3 NAG sollte in diesem Zusammenhang ersatzlos entfallen.

Zu Z 14 (§ 55) des Entwurfes

 

Es wird angeregt, den Terminus „freiwillige Ausreise“ in § 55 durch einen adäquaten Begriff zu ersetzen, da Freiwilligkeit die Möglichkeit einer Alternative - nämlich die Nichtausreise und den Verbleib in Österreich - voraussetzt. Diese Alternative ist aber mit der Durchsetzung der Verbringung ins Ausland durch behördliche Zwangsmaß-nahmen bei nicht erfolgter „freiwilliger Ausreise“ tatsächlich nicht gegeben.

 

Die Frist für die „freiwillige“ Ausreise ist mit grundsätzlich 14 Tagen ab Erlassung des Bescheides als zu kurz bemessen zu beurteilen und sollte entweder angemessen und substantiell oder überhaupt auf den Einzelfall bezogen verlängert werden. Bei den bei-spielhaft in den Erläuternden Bemerkungen angeführten besonderen Gründen für eine Verlängerung dieser Frist fällt auf, dass kein frauenspezifischer Grund wie z.B. das Vorliegen einer Schwangerschaft oder Traumatisierung durch Gewalterfahrung ge-nannt ist. Diese Gründe sollten jedenfalls als ein solcher besonderer Umstand gewertet werden; eine diesbezügliche Klarstellung wäre wünschenswert. Ebenso sollte das Vor-liegen einer Krankheit bzw. Behinderung berücksichtigt werden.

 

Zu Z 17 (§§ 63, 63a und 64) des Entwurfes

 

Zum Anforderungsprofil für RechtsberaterInnen ist anzumerken, dass ein abgeschlos-senes rechtswissenschaftliches Studium nicht impliziert, jemals mit dem Rechtsgebiet des Fremdenrechts oder der Menschenrechte in Berührung gekommen zu sein oder auch nur über Grundkenntnisse der unterschiedlichen Betroffenheit von Frauen und Männern in diesen Rechtsgebieten zu verfügen. Der Nachweis einer Ausbildung auf diesen Rechtsgebieten ist jedenfalls für eine Aufnahme als RechtsberaterIn unabding-bar.

 

Ebenfalls wäre es notwendig, dass RechtsberaterInnen über einschlägige Kenntnisse bzw. Ausbildung im Bereich Gesprächsführung mit traumatisierten Menschen verfü-gen. Zudem ist auch hier auf eine entsprechende Repräsentation von Frauen zu achten. Es ist unumgänglich, dass für Zuwanderinnen Frauen als Rechtsberaterinnen zur Ver-fügung stehen.

 

Es sei auch angemerkt, dass auf Grund der im Entwurf vorgesehenen Rechtsberatung bei Rückkehrentscheidungen und Rückkehrverboten (§ 63), bei Abschiebung, Schub-haft, gelinderem Mittel oder sonstiger Befehls- und Zwangsgewalt (§ 63a) und bei Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung und eines Aufenthaltsverbotes (§ 67 Abs. 5) mit einer größeren Anzahl an Verfahren zu rechnen ist. Auch wird darauf hingewie-sen, dass bei der Mehrzahl der Schubhaftbeschwerden, nämlich bei denen, die inner-halb einer Woche zu entscheiden sind, weil sich der Beschwerdeführer in Haft befin-det, eine Übersetzung des Spruchs und der Rechtsmittelbelehrung in eine für den Fremden verständliche Sprache innerhalb dieser einwöchigen Frist nicht möglich sein wird. Diese Wochenfrist wird daher entschieden abgelehnt.

 

Zu Z 23 (§ 76 Abs. 1) des Entwurfes

 

Bezüglich Schubhaft wird auf die diesbezüglichen Bedenken und Empfehlungen des UNHCR an Österreich verwiesen, um seinen internationalen Verpflichtungen nachzu-kommen (UNHCR Analyse des Entwurfs einer Novelle zum Asylgesetz 2005 und zum Fremdenpolizeigesetz 2005 vom 11.10 2010).

 

Zu Z 24 (§ 76 Abs. 1a) des Entwurfes

 

Die vorgeschlagene Fassung des § 76 Abs. 1a, welche die Anhaltung unmündiger Minderjähriger in Schubhaft verbietet, erscheint widersprüchlich zu § 79 Abs. 3 (und Abs 5) FPG, wonach minderjährige Schubhäftlinge gemeinsam mit einem Elternteil oder Erziehungsberechtigten in deren Schubhaft angehalten werden können.

 

Zu Z 33 (§ 79 Abs. 5) des Entwurfes

 

Aus Sicht der Jugendwohlfahrt wird die Verhängung der Schubhaft für Kinder und Jugendliche grundsätzlich abgelehnt bzw. äußerst kritisch gesehen, stellt schon die Inhaftnahme von Erwachsenen in der Regel eine enorme psychische Belastung dar.

Gleichzeitig wird auch eine Trennung der Kinder von ihren Eltern im Zusammenhang mit einer Abschiebung äußerst kritisch beurteilt. Familien, die einem Abschiebungs-prozess gegenüberstehen sind erfahrungsgemäß ohnehin schon enorm psychisch be-lastet. Eine Trennung in dieser Situation von den Eltern kann eine weitere erhebliche Belastung darstellen und zu einer weiteren Traumatisierung der Kinder und Jugendli-chen führen. In solchen Situationen entspricht eine Trennung von den Eltern, die ihre Kinder gut versorgen, wohl in den seltensten Fällen dem Kindeswohl. Die Formulie-rung des Entwurfs des § 79 Abs. 5 FPG legt den Schluss nahe, dass Eltern sehr darauf drängen müssten, dass sie von ihren Kindern in die Schubhaft begleitet werden. Aus dem Blickwinkel der Jugendwohlfahrt wäre aber ein Zusammenbleiben der Familien - natürlich nur unter kind- und familiengerechten Bedingungen und Rahmenbedingun-gen - einer Trennung von den Eltern vorzuziehen. Wie allerdings kindgerechte „An-haltebedingungen“ geschaffen werden können, darauf geht der Entwurf nicht ein.

 

Ob eine ex-lege Entziehung der Obsorge für Eltern, allein aus dem Grund, dass sie ihre Kinder nicht in Schubhaft mitnehmen wollen oder können, mit Art 8 EMRK vereinbar ist, erscheint fraglich. Es sollte daher der Entwurf dahingehend ergänzt werden, dass die Obsorgeübertragung an den Jugendwohlfahrtsträger nur dann erfolgen soll, wenn nicht andere Obsorgeberechtigte als die in die Schubhaft übernommenen Personen (z.B. anderer Elternteil) zur Verfügung stehen.

 

Aus der geplanten Heranziehung der Jugendwohlfahrt erwachsen zudem den Ländern zusätzliche Kosten, auf die in den Erläuternden Bemerkungen des Entwurfes nicht ein-gegangen wird. Es müssten zusätzliche spezialisierte Betreuungsplätze geschaffen werden, die personell entsprechend ausgestattet sein müssten, um sicherzustellen, dass die betroffenen Kinder und Jugendlichen in dieser Ausnahmesituation auch psycholo-gisch betreut werden (Aufnahme von Kindern in psychischer Ausnahmesituation, kei-ne Kontakte zu den Bezugspersonen, Sprachprobleme, u. ä.). Insbesondere jüngere Kinder müssten zu Besuchen mit ihren Eltern begleitet werden.


Unter Berufung auf den Beschluss der ARGE Jugendwohlfahrt vom 10. November 2010, wird im Übrigen die vorgesehene Mitwirkung des Jugendwohlfahrtsträgers an Aufgaben des Bundes, nämlich an der Vollziehung von Abschiebungen nach dem Fremdenpolizeigesetz, zurückgewiesen. Abschließend wird angemerkt, dass ein Einsatz der Jugendwohlfahrt eine nicht vom Finanzausgleich umfasste Nutzung von Landesressourcen für Vollzugsaufgaben des Bundes bedeuten würde, was auch zu einer ungerechtfertigten Verschiebung der finanziellen Verpflichtungen vom Bund zu den Ländern führt. Die Aufgabe der Jugendwohlfahrt ist es, Kinder vor Gewalt und Vernachlässigung zu schützen und Familien in ihrer Verantwortung für ihre Kinder zu unterstützen. Wie schon erwähnt kann sich die Jugendwohlfahrt nur vom Wohl des Kindes und der Suche nach der besten Lösung für die Zukunft des Kindes leiten lassen. Eine Mitwirkung an einer Abschiebung nach dem Fremdenpolizeigesetz kann wohl niemals eine Aufgabe der Jugendwohlfahrt werden und wird aus fachlichen Gründen aus Sicht der Jugendwohlfahrt jedenfalls vehement abgelehnt.

 

Zu Artikel 3 (Änderung des Asylgesetzes)

 

Zu Z 1 (§ 10 Abs. 8) des Entwurfes

 

Die angeführte Informationsverpflichtung des Bundesasylamtes gegenüber den Frem-den, gegen die eine Ausweisung erlassen wurde, ist nicht näher bestimmt. Es ist zu vermuten, dass es sich um schriftliche Informationen handelt. Diesbezüglich wäre es wünschenswert, dass eine entsprechende Übersetzung in einer Sprache beiliegt, wel-che die Person versteht, und dass Personen, die nicht alphabetisiert sind oder auf Grund einer Beeinträchtigung nicht lesen können, diese Information mündlich in einer Weise gegeben wird, dass sie von der betreffenden Person verstanden wird.

 

Zu Z 12 (§ 65 Abs. 6 bis 8) des Entwurfes

 

Auch für das Zulassungsverfahren sollte darauf geachtet werden, dass eine ausrei-chend hohe Anzahl von Rechtsberaterinnen für Asylwerberinnen zur Verfügung steht.

Zu Z 14 (§ 66a Abs. 5 ) des Entwurfes

 

Zur Legaldefinition des Begriffes Hilfsbedürftigkeit, die eine Voraussetzung für die Gewährung einer Rechtsberatung im Verfahren vor dem Asylgerichtshof darstellt, ist auszuführen, dass die Koppelung an die Grundversorgung jedenfalls nur dann gerecht-fertigt ist, wenn im Rahmen der Grundversorgung eine adäquate Rechtsberatung für jede asylwerbende Person vorgesehen ist, die sich eben auch auf Angelegenheiten vor dem Asylgerichtshof bezieht.

 

Zu Artikel 4 (Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes)

 

Eingangs darf das bereits bekannte Anliegen Wiens nach einer Ermöglichung der Doppelstaatsbürgerschaft im Rahmen des Staatsbürgerschaftsverfahrens wiederholt werden. Immer wieder auftretende Fälle von Rechtsverlust und Staatenlosigkeit nach dem Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband könnten damit vermieden werden. Dies würde insbesondere bei MigrantInnen der zweiten Generation, aber auch bei an-deren AntragstellerInnen eine wesentlich verwaltungsökonomischere und im europäi-schen Raum immer weiter verbreitete Praxis darstellen.

 

Die Anhebung des für die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft erforder-lichen Sprachniveaus von derzeit A2 auf B1 wird eher kritisch gesehen. Um dieses zu erreichen, bedarf es eines klaren Konzeptes, wie man die Menschen auf dieses Niveau bringt, um die hier angesprochenen Hürden zu überwinden.

 

Die geplante pauschale Anhebung wäre aber insofern zu hinterfragen, als bei einem höheren Sprachniveau insbesondere auch an die Schreib- und Lesekompetenzen weit höhere Anforderungen gestellt werden.

 

Durch die zukünftig undifferenziert geforderten Sprachkenntnisse auf B1 könnten zahlreiche Personen, die nach langjährigem erfolgreichen Aufenthalt in Österreich be-reits jetzt über sehr gute mündliche Sprachkenntnisse verfügen und im Alltagsleben sehr gut integriert sind, jedoch auf Grund ihres Alters, Bildungsstandes, der mangeln-den Lernpraxis oder auch auf Grund der nichtlateinischen Schriftsprache im Herkunftsland nachvollziehbare Schwierigkeiten beim Schreiben und Lesen auf hohem Niveau haben, vom Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft ausgeschlossen werden.

 

Zu Z 2, 3 und 6 (§§ 10a Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 Z 2 sowie 64a Abs. 11) des Entwurfs

 

Durch den in § 10a Abs. 4 Z 2 StbG geplanten Verweis auf § 14b Abs. 2 NAG werden die derzeit bestehenden Möglichkeiten zum Nachweis ausreichender Deutschkenntnis-se im Staatsbürgerschaftsverfahren eingeschränkt. Mit dem derzeit geltenden Verweis auf § 14 Abs. 5 Z 5 des geltenden NAG: „einen Nachweis über ausreichende Deutsch-kenntnisse vorlegt (für Modul 2)“ in Verbindung mit § 9 Integrationsvereinbarungs-Verordnung - IV-V ist es derzeit möglich, durch ein Kurszeugnis oder ein Sprachdip-lom einer allgemein anerkannten Einrichtung (z.B. Österreichisches Sprachdiplom, Goethe Institut) den Nachweis der ausreichenden Deutschkenntnisse im Staatsbürger-schaftsverfahren zu erbringen.

 

Künftig soll jedoch gemäß § 14b Abs. 2 Z 1 NAG (Entwurf) ausschließlich ein Nach-weis des Österreichischen Integrationsfonds oder von einer vom Österreichischen In-tegrationsfonds zertifizierten Institution genügen. Damit werden beispielsweise inter-national anerkannte Nachweise des ÖSD, Goethe Instituts etc. ausgenommen.

 

Im Hinblick darauf, dass die meisten EinbürgerungswerberInnen nach mindestens zehnjährigem, rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich nicht verpflichtet sind oder wa-ren, die Integrationsvereinbarung zu erfüllen, jedoch die bisher geforderten Sprach-kenntnisse problemlos durch Zeugnisse allgemein anerkannter Sprachinstitute, die nicht zwingend ÖIF-zertifiziert sind, nachweisen konnten, wird dringend angeregt, diese Nachweise im Staatsbürgerschaftsverfahren weiterhin zuzulassen. Insbesondere ist dies auch für Fälle von Auslandseinbürgerungen (Adoptivkinder im Ausland, Familienmitglieder) erforderlich.

 

Zusätzlich sollte eine ausdrückliche Regelung aufgenommen werden, wonach Absol-ventInnen österreichischer Universitäten den Nachweis der Sprachkenntnisse auf B1 künftig durch das abgeschlossene Studium erbringen können, zumal in der bisherigen Praxis, sowohl durch diverse österreichische Universitäten, als auch das ÖSD mehr-fach bestätigt wurde, dass an den Universitäten Sprachkenntnisse zumindest auf B2-Niveau und höher vorausgesetzt werden. Die Vorlage zusätzlicher Nachweise im Staatsbürgerschaftsverfahren erscheint daher in diesen Fällen entbehrlich.

 

Auf Grund der im Entwurf mangelnden Übergangsbestimmungen zu den Nachweisen der Sprachkenntnisse im Staatsbürgerschaftsverfahren bestehen aus Sicht des Amtes der Wiener Landesregierung massive Bedenken für die Vollziehung. Das übergangslo-se Inkrafttreten der geplanten Bestimmungen hat (wie auch die Staatsbürgerschafts-rechts-Novelle 2005 gezeigt hat) zur Konsequenz, dass offene Verfahren, in denen bereits die derzeit geforderten Sprachkenntnisnachweise auf A2 Niveau ordnungsge-mäß erbracht worden sind, nicht zeitnahe zu Ende geführt werden können. Vielmehr müssen - durch die zusätzlich benötigte Zeit zur Erbringung der neuen Sprachkennt-nisnachweise - zahlreiche Ermittlungsschritte bei internen und externen Behörden wiederholt und Unterlagen durch die AntragstellerInnen neuerlich vorgelegt werden. Dies verursacht neben Rechtsunsicherheit und zusätzlichen Kosten einen erheblichen Mehraufwand für die AntragstellerInnen und die Behörde.

 

Es wird daher dringend angeregt, eine Übergangsbestimmung aufzunehmen, wonach bei offenen Staatsbürgerschaftsverfahren und Verfahren, in denen ein Zusicherungsbe-scheid ergangen ist, durch die bereits vor der Novelle vorgelegten Sprachkenntnis-nachweise die Voraussetzung des § 10a StbG erfüllt wird.

 

Abschließend wird angeregt, für besonders gefragte Berufsgruppen und Studienabsol-ventInnen (analog zu § 41 NAG - Entwurf) konsequenterweise einen weiteren Anreiz zum langfristigen Verbleib in Österreich durch erleichterten Erwerb der österreichi-schen Staatsbürgerschaft zu schaffen. Ähnlich zu den Bestimmungen des § 10 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 5 StbG in der Fassung vor der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005 könnte diesen EinbürgerungswerberInnen eine vorzeitige Einbürgerung nach sechsjährigem, rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt auf Grund eines besonders berücksichtigungswürdigen Grundes ermöglicht werden.

 

Allgemeines

 

Terminologie und geschlechtsspezifische Auswirkungen

 

Die Verwendung von Generalklauseln, wonach die gewählte - männliche - Form als Personenbezeichnung für beide Geschlechter gilt und die mit vorliegendem Ände-rungsentwurf beibehalten wird, wird dem Erfordernis der sprachlichen Gleichbehand-lung nicht gerecht und ist daher abzulehnen.

 

Weiters ist es nicht nachvollziehbar, wie eine Prüfung dieses Gesetzesvorhabens den Befund ergeben haben könnte, dass daraus keine geschlechtsspezifischen Auswirkun-gen zu erwarten wären, wie dies im Vorblatt zum Vorhaben festgehalten ist. Wie den oben dargelegten Ausführungen entnommen werden kann, hätte diese Novelle beträchtliche geschlechtsspezifische Auswirkungen.

 

 

                                                                      Für den Landesamtsdirektor:

 

 

                                                                              Mag. Andrea Mader

Mag. Stefan Göller                                                     Senatsrätin

 

 

Ergeht an:

1.  Präsidium des Nationalrates

 

2.  alle Ämter der Landes-

regierungen

3.  Verbindungsstelle der

Bundesländer

 

4.  Magistratsabteilung 35

mit dem Ersuchen um Weiter-

leitung an die einbezogenen

Dienststellen