An das

Bundesministerium für Justiz

Per E-Mail: team.z@bmj.gv.at

 

An das

Präsidium des Nationalrates

Per E-Mail: begutachtungsverfahren@parlament.gv.at

 

 

Wien, am 23. Februar 2011

 

 

 

 

 

 

Betrifft:   Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Schadenersatzrecht geändert wird (Schadenersatzrechts-Änderungsgesetz 2011 – SchRÄG 2011)

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Schadenersatzrecht geändert wird (Schadenersatzrechts-Änderungsgesetz 2011 – SchRÄG 2011), nimmt der Behindertenanwalt wie folgt Stellung:

 

Der Behindertenanwalt fordert die Abschaffung der eugenischen Indikation in § 97 Abs. 1 Z 2 Strafgesetzbuch.

Aufgrund unterschiedlicher Abtreibungsfristen werden behinderte ungeborene Kinder gegenüber nicht behinderten Kindern benachteiligt. Besonders im Lichte des Artikel 7 B-VG, der ein Benachteiligungsverbot von Menschen mit Behinderungen enthält, erscheint diese Regelung nicht gerechtfertigt.

Durch das Behindertengleichstellungsrecht soll eine umfassende Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen bewirkt werden. Gleichzeitig besteht im Strafrecht die Möglichkeit, ein ungeborenes Kind aufgrund einer Behinderung abzutreiben. Dieser damit verbundene Wertungswiderspruch ist abzulehnen.


 

Um dem Gleichstellungsgedanken Rechnung zu tragen, könnte statt einer unsachlichen Differenzierung nach der Behinderung allenfalls eine einheitliche Fristenlösung für alle ungeborenen Kinder angedacht werden.

 

Der Entwurf eines Schadenersatzrechts-Änderungsgesetz 2011 wird in der derzeitigen Form abgelehnt.

 

Aufgrund der Judikatur des Obersten Gerichtshofs in den letzten Jahren ist die Klarstellung, dass ein Kind kein Schaden sein kann, durchaus zu begrüßen. Jedoch führen die daraus im Entwurf gezogenen Schlussfolgerungen zu einer Benachteiligung von behinderten Kindern und deren Eltern.

 

Der Entwurf sieht vor, dass weder aus der Geburt eines gesunden noch eines behinderten Kindes Schadenersatzansprüche entstehen können, es sei denn, es liegt ein Verschulden am Entstehen oder am Ausmaß der Behinderung vor. Somit haftet der behandelnde Arzt bzw. die behandelnde Ärztin nicht für Behandlungsfehler. Der Haftungsausschluss umfasst sogar den Verschuldensgrad des Vorsatzes.

Diese Regelung ist einerseits zum Schadenersatzrecht systemwidrig, andererseits unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes gemäß Artikel 7 B-VG verfassungsrechtlich bedenklich. Zudem wird dadurch die Rechtsposition von behinderten Kindern und deren Eltern massiv verschlechtert.

 

Nach den Grundsätzen des allgemeinen Schadenersatzrechtes hat der Schädiger bzw. die Schädigerin für einen rechtswidrig zugefügten Schaden Ersatz zu leisten.

Als Alternative zum vorliegenden Entwurf könnte daher angedacht werden, dass der Arzt bzw. die Ärztin bei einem pränatalen Diagnosefehler oder bei Aufklärungsmängeln den Mehraufwand der Eltern, den diese aufgrund der Behinderung des Kindes haben, zu tragen hat. Durch eine solche Haftung des Schädigers bzw. der Schädigerin könnten allfällige finanzielle Belastungen der Eltern abgefedert werden.


 

In den Erläuternden Bemerkungen findet sich zudem, dass „die notwendige Betreuung und Versorgung der Kinder durch öffentlich-rechtliche Leistungen bestmöglich und umfassend solidarisch getragen werden“ sollen.

Diese Aussage kann nur als Appell an den Gesetzgeber verstanden werden, da konkrete Maßnahmen weder angekündigt noch getroffen wurden. Eine tatsächliche Realisierung dieses Vorhabens erscheint daher nicht nur in Anbetracht der derzeitigen Sparmaßnahmen mehr als fraglich.

 

Grundsätzlich sind finanzielle Unterstützungen, die Menschen mit Behinderungen zugutekommen, angesichts ihrer oftmals angespannten finanziellen Situation zu begrüßen.

In diesem Zusammenhang wird jedoch darauf hingewiesen, dass durch die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, die Österreich aufgrund ihrer Ratifizierung umzusetzen hat, ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat. Das Erbringen von öffentlich-rechtlichen Leistungen anstelle der Möglichkeit einer zivilrechtlichen Schadloshaltung für rechtswidrig zugefügte Schäden spiegelt eben nicht das Recht auf Selbstbestimmung wider, sondern vielmehr nur eine versorgungsrechtliche Sichtweise.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Dr. Erwin Buchinger