Steiermark

 
 

NÖ Umweltanwaltschaft

 


                                                                                                   

 

 

Gemeinsame Stellungnahme der Naturschutzanwaltschaft Vorarlberg,

des Naturschutzbeirates Kärnten, der Burgenländischen,

der Niederösterreichischen, der Oberösterreichischen, der Salzburger,

der Steiermärkischen, der Tiroler

und der Wiener Umweltanwaltschaft

 

 

 

UVP-G – Novelle 2009                                                               Wien, 27. März 2009

Begutachtung;

Stellungnahme

 

 

 

 

Bundesministerium für

Land- und Forstwirtschaft,

Umwelt und Wasserwirtschaft

 

Stubenbastei 5

1010 Wien

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Die Österreichischen Umweltanwältinnen und Umweltanwälte nehmen das Begutachtungsverfahren zur UVP-G Novelle 2009 zum Anlass, um nochmals die längst notwendigen Änderungen im Gesetz aufzuzeigen. 

 

Der vorliegende Entwurf ist eine Reaktion auf das gegen die Republik Österreich eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren und soll eine Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof verhindern. Im Wesentlichen wird die Spalte 3 durch entsprechende Vorhaben der jeweiligen Ziffer des Anhanges 1 aufgefüllt.

 

 

Dies führt dazu,

 

-       dass ca. 200 Vorhabenstatbestände im vereinfachten Verfahren abzuwickeln sind,

-       dass mehr Einzelfallprüfungen erforderlich sein werden,

-       dass weiterhin große Bevölkerungsgruppen in ihren Parteienrechten beschnitten werden

 

Die Novelle 2009 führt sicher nicht dazu, dass in Österreich in Zukunft mehr UVP-Verfahren durchgeführt werden. Österreich wird daher weiterhin bei der Anzahl der UVP-Verfahren Schlusslicht in Europa bleiben und nachfolgende Vertragsverletzungsverfahren sind nur eine Frage der Zeit.

 

Die Österreichischen Umweltanwältinnen und Umweltanwälte haben bereits  im Jahr 2008 gemeinsam, unter Bezug auf eine kommende Novellierung des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes ihre Vorschläge und Anregungen dargelegt. Diese Verbesserungsvorschläge bleiben im Wesentlichen weiterhin aufrecht und werden wie folgt präzisiert:

 

Feststellungsverfahren

Die mit dem Feststellungsverfahren einhergehende Einzelfallprüfung (vgl. Anhang 1 Spalte 3 bzw. Kumulierungsbestimmungen) in Verbindung mit den unbestimmten Gesetzesbegriffen des § 3 UVP-G („erhebliche Umweltauswirkungen“) führte dazu, dass die Projektwerber immer umfangreichere Projektunterlagen vorlegen um einer UVP-Pflicht zu entgehen. Diese umfangreichen Unterlagen für die Einzelfallprüfung verkomplizierten und verlangsamten die Feststellungsverfahren.  Die ursprüngliche Intention des Gesetzgebers dem eigentlichen UVP-Verfahren ein maximal 6 Wochen dauerndes Feststellungsverfahren vorzulagern, um für den Projektwerber möglichst schnell Rechtsicherheit zu garantieren, hat sich in der Praxis nicht bewährt. Das Feststellungsverfahren wurde in vielen Fällen zu einer „Mini-UVP“ ausgedehnt. In der Folge kam es zu beträchtlichen Verfahrensverzögerungen. Anstatt der in § 3 Abs. 7 UVP-G vorgesehenen 6 Wochen dauern die erstinstanzlichen Verfahren im Regelfall mehrere Monate.  Bei Feststellungsverfahren, die vom Umweltsenat in 2. Instanz entschieden werden, ist mit einer gesamten Verfahrensdauer von weit über einem Jahr zu rechnen. Das Feststellungsverfahren übersteigt damit bereits die Dauer eines durchschnittlichen UVP-Verfahrens.

Die Umweltanwältinnen und Umweltanwälte halten daher eine Neugestaltung des Feststellungsverfahrens incl. der Kumulationsbestimmungen für dringend notwendig. Die aufwändigen Einzelfallprüfungen sollten auf ein absolutes Minimum reduziert werden. Insbesondere sollten b
ei den Vorhaben, die in einem schutzwürdigen Gebiet des Anhanges 2 UVP-G verwirklicht werden, keine Einzelfallprüfungen mehr durchgeführt werden. Bei Erreichen der im Gesetz angeführten Schwellenwerte ist das Vorhaben einfach UVP- pflichtig.

Schwellenwerte müssen klarer formuliert und die Kumulationsbestimmungen müssen dahingehend vereinfacht werden, dass bei Vorliegen eines sachlichen und räumlichen Zusammenhanges die Summe der einzelnen Schwellenwerte als ein absoluter Wert für das Feststellungsverfahren herangezogen wird.

 

Die Parteistellung der Umweltanwälte im Feststellungsverfahren ist insofern geschwächt, als für sie keine Möglichkeit einer Beschwerdeerhebung an den Verwaltungsgerichtshof besteht. Meist setzen sich hauptsächlich die Umweltanwälte mit der Bewilligungspflicht der Vorhaben auseinander. Die Projektwerber spekulieren jedoch nicht selten mit dem verkürzten Rechtsweg der Umweltanwälte. Eine Beschwerdelegitimation an den Verwaltungsgerichtshof wäre daher im Sinne einer parteilichen Chancengleichheit unbedingt erforderlich.

 

Devolutionsantrag und Sperrwirkung

Die Zuerkennung des Devolutionsantrags im Feststellungsverfahren wird als Verbesserung der derzeitigen Situation grundsätzlich begrüßt. Die Begründung in den Erläuterungen, die ein Rechtsschutzdefizit darin ortet, dass Vorhaben ohne UVP materienrechtlich genehmigt werden, ohne dass die Sperrwirkung des § 3 Abs 6 beachtet wird, provoziert aber geradezu die Frage, warum es überhaupt in der Praxis zu einer Missachtung der Sperrwirkung kommt? Die UVP-Richtlinie sieht in ihrem Artikel 2 Abs 1 unmissverständlich vor, dass relevante Vorhaben vor ihrer Genehmigung einer Prüfung in Bezug auf ihre Umweltauswirkungen im Sinne der Richtlinie unterzogen werden müssen. In der Praxis findet eine solche Prüfung oftmals erst im Nachhinein statt. Eingriffe sind dann aber meist irreversibel. Das Gesetz enthält auch keine effektive Handhabe für die Verfahrensparteien. Die Sperrwirkung selbst ist zahnlos, deren Missachtung bleibt ohne faktische Konsequenz. Die Vorgabe der UVP-Richtlinie vor der Genehmigung eines Vorhabens Umweltauswirkungen zu prüfen, ist mit den derzeitigen Bestimmungen des UVP-G, insbesondere der Sperrwirkung (§§ 3 Abs 6, 24 Abs 10, 40 Abs 3 UVP-G), nicht umsetzbar. Daran wird auch die Devolutionsmöglichkeit nichts Grundsätzliches ändern. Aufgrund fehlender Richtlinienkonformität besteht daher dringender Sanierungsbedarf.

 

Änderungstatbestände

 

Bei den Änderungstatbeständen und der Vorhabenskumulation spielt immer wieder der 25% Schwellenwert eine bedeutende Rolle. Die Erweiterungsvorhaben werden oft nur in so einer Größe gewählt, dass man nicht über die 25%-Schwelle kommt. Dies wird bei ein und dem selben Vorhaben oft auch mehrmals gemacht und damit durch Stückelung des Vorhabens die Genehmigungspflicht nach den Umweltverträglichkeitsgesetz umgangen. Diese 25%-Schwelle sollte zur Gänze eliminiert werden.

 

Änderungen von Vorhaben in Form einer Erweiterung um mehr als 100% bedürfen ohne Einzelfallprüfung einer UVP. Für Änderungen von Vorhaben für die ein Erweiterungstatbestand im Anhang 1 angeführt ist ( z.B. Mineralrohstoffabbau) ist auch wenn sie um 150% oder mehr erweitert werden erst mit einer Einzelfallprüfung zu klären, ob hier eine UVP erforderlich ist. Ein derartige Ungleichbehandlung ist ehest zu sanieren.

 

Anhang 1 - Schwellenwerte

 

Die Schwellenwerte (Kapazität der Anlage oder Maßnahme) bei der ein Genehmigungsverfahren nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz durchgeführt werden muss, sind im Vergleich zu anderen EU-Mitgliedstaaten zu hoch. Eine Anpassung in Form einer Reduzierung insbesondere der Schwellenwerte jener Vorhaben, die bei uns in Österreich ständig vorkommen, ist erforderlich.

 

Bei den neuen Tatbeständen ist auffällig, dass das schutzwürdige Gebiet des Siedlungsgebietes (Kategorie E) kaum berücksichtigt wird. Dies erweckt den Eindruck, dass der Schutz des Menschen (Siedlungsgebiet) erst gewährleistet werden soll, wenn eine Ausweisung als belastetes Gebiet erfolgt. 

 

Exemplarisch seien noch einige Schwellenwerte erwähnt:

 

Z 12 – Schigebiete

Das Kriterium „Geländeveränderung“ führt, wie bereits die Praxis gezeigt hat, zu aufwändigen, komplizierten und lang dauernden Feststellungsverfahren. Es sollten daher einfachere Kriterien zur Anwendung kommen und das Kriterium „Geländeveränderung“ ersatzlos gestrichen werden oder es sollten zumindest neben den Geländeveränderungen durch Pistenneubau und Lifttrassen auch sämtliche anderen Flächeninanspruchnahmen einbezogen werden (Nebenanlagen wie Lawinenverbauungen, Bachverbauungen, Beschneiungsanlagen usw.).

Außerdem sollten alle Schigebiete oberhalb von 1000 Höhenmetern unter die Schutzgebietskategorie B) (Alpinregion) fallen und bei der Fußnote 1a das zweite Kriterium gestrichen werden. Die Umgrenzung kann durch eine Linie um alle Anlagenteile herum gezogen werden z.B. "Begrenzt wird das Schigebiet durch die verbundenen Außengrenzen aller zum Schigebiet gehörigen Anlagen wie Pisten, Liftanlagen, Beschneiungsanlagen, etc, wobei der Zusammenhang als unterbrochen gilt, wenn zwischen den Anlagenteilen eine Distanz von 100 m besteht, in der keine zum Schigebiet gehörigen Anlagen bestehen."

 

Wesentlich ist weiters, darauf hinzuweisen, dass eine Einheit der Anlage auch bei einer Mehrheit von Betreibern gegeben ist (vgl. die Schigebietszusammenschlüsse - das sollte aus der Definition klar hervorgehen).

 

Z 19 – Einkaufszentren und Z 21 – Öffentlich zugängliche Parkplätze

Die Schwellenwerte von Stellplätzen für Kraftfahrzeuge sind zum Teil 10-mal so hoch wie in anderen Europäischen Staaten. UVP-Verfahren werden damit bereits vorweg unmöglich gemacht. Einkaufszentren in Wien müssten beispielsweise eine Geschossfläche von 80.000 m² mit den dazugehörigen 1.000 Pflichtstellplätzen aufweisen, um den Tatbestand in Spalte 2 des Anhanges 1 zu erfüllen.

 

Z 30 Wasserkraftanlagen

Die Umweltanwältinnen und Umweltanwälte stellen sich keineswegs gegen eine effiziente Abwicklung von Verfahren über Wasserkraftanlagen, wenn die Errichtung dieser Anlagen aus fachlicher Sicht möglich und vertretbar ist. Zur vorgeschlagenen Abänderung der Z 30 des Anhanges 1 merken wir an, dass die Ausnahmebestimmung für den Austausch von Turbinen unzulänglich ist, da der Aspekt der Stauzielerhöhung fehlt und die Definition der dazwischen liegenden freien Fließstrecke bei Kraftwerksketten unzureichend und nicht mehr zeitgemäß ist. Überdies besteht Unklarheit, wie sich der Begriff „erhebliche Veränderungen“ definiert und welche Mindestfestlegungen im Bereich von Restwasserstrecken erforderlich sind. Eine Orientierung an mittleren Niederwasserabfluss für Reststrecken erscheint uns als probate Diskussionsgrundlage. Darüber hinaus kann diese Bestimmung nicht nur für natürliche Gewässer gelten, sondern muss auch das Potential jener Gewässerstrecken schützen, die zur  Zeit stark verändert sind. Die Umweltanwältinnen und Umweltanwälte halten ebenso Regelungen für eine Einzelfallprüfung (Spalte 3) in schützenswerten Gebieten der Kategorie A für unabdingbar.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

Für die Wiener Umweltanwaltschaft:                     Für die Tiroler Umweltanwaltschaft:

e.h.                                                                            e.h.

Mag. Dr. Andrea Schnattinger                               Mag. Johannes Kostenzer

 

 

Für die Salzburger Umweltanwaltschaft:   Für die Stmk. Umweltanwaltschaft:

e.h.                                                                            e.h.

Dr. Wolfgang Wiener                                              MMag. Ute Pöllinger

 

 

Für die NÖ Umweltanwaltschaft:                           Für die ÖO Umweltanwaltschaft:

e.h.                                                                            e.h.

Univ.-Prof. Dr. Harald Rossmann              DI Dr. Martin Donat

 

 

Für die Bgld. Umweltanwaltschaft:            Für den Kärntner Naturschutzbeirat

e.h.                                                                            e.h.

Mag. Hermann Frühstück                                       Der Vorsitzende

LHStv. DI Uwe Scheuch

 

 

Für die Naturschutzanwaltschaft Vorarlberg:

e.h.

DI Katharina Lins

 

 

Nachrichtlich an:

Präsidium des Nationalrates –

begutachtungsverfahren@parlament.gv.at